Regierung macht Ernst

Kassenreform fixiert: 6 statt 22 Generaldirektoren

Österreich
22.05.2018 12:47

Während des langen Pfingstwochenendes haben ÖVP und FPÖ die letzten offenen Fragen zur Fusion der Sozialversicherungen geklärt. Einen massiven Kahlschlag soll es in der Verwaltung geben: Aus bisher 21 Sozialversicherungsträgern werden maximal fünf, die Zahl der Funktionäre soll um 80 Prozent von derzeit etwa 2000 auf künftig nur noch 400 sinken. Weiters werden zwei Drittel der Direktorenposten eingespart. „Bei den Generaldirektoren werden wir von 22 auf sechs reduzieren“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag bei der Präsentation der Pläne. „43 Direktoren in den Hauptstellen beziehen derzeit ein Durchschnittsgehalt eines Staatssekretärs. Das ist also schon eine dicke Suppe mit zu vielen Köchen, die nicht notwendig ist“, rechtfertigte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) die Einsparungen. Das entsprechende neue Gesetz soll bis Herbst folgen, greifen soll die Reform ab 2019.

Für Kurz handelt es sich um „eines der größten Reformprojekte in der Geschichte Österreichs“. Der Kanzler ergänzte: „Wir setzen um, was wir angekündigt haben. Wir reduzieren die Kosten in der Verwaltung, um die Leistungen für die Patienten zu verbessern. Durch diese Reform schaffen wir ein wesentlich schlankeres System.“ Jahrzehntelang sei darüber diskutiert worden, ob es nicht sinnvoll wäre, die Zahl der Krankenkassen zu reduzieren, aber die Reform habe nie stattgefunden, meinte Kurz.

(Bild: APA, "Krone"-Grafik, krone.at-Grafik)

Regierung erwartet sich bis 2023 Einsparungen von einer Milliarde Euro
Die Sozialversicherung sei der „bestuntersuchte Patient, der bis dato ein völliger Therapieverweigerer“ gewesen sei, unterstrich Strache die Notwendigkeit der Reform. In die „überbordende Verwaltung“ fließe zu viel Geld, befand er. Das derzeitige System sei aber nicht fair und nicht zeitgemäß. Dass es regionale Unterschiede bei den Leistungen gibt - was Strache als „Zwei-Klassen-Medizin“ geißelte -, soll in Zukunft der Vergangenheit angehören. Bis 2023 erwartet sich die Regierung durch die Struktur- und Verwaltungsreform Einsparungen von einer Milliarde Euro. 

(Bild: APA/GEORG HOCHMUTH, "Krone"-Grafik, krone.at-Grafik )

Kurz: „Verlierer der Reform sind die Vertreter des Systems“
Diese „Gesundheitsmilliarde“ will die türkis-blaue Koalition für den Kampf gegen die Zwei-Klassen-Medizin einsetzen. Außerdem soll das Geld in den Ausbau der Kassenärzte, die Stärkung des niedergelassenen Bereichs und die Finanzierung von Landarztstipendien investiert werden. Laut Strache soll es statt der derzeit rund 90 Verwaltungsgremien künftig nur noch etwa 30 geben. „Verlierer dieser Reform sind die Vertreter des Systems“, verwies Kurz auf die geplante Reduktion von Funktionären und Generaldirektoren. 

ÖVP-Klubobmann August Wöginger, Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (v.l.n.r.) präsentierten am Dienstag die Reformpläne. (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
ÖVP-Klubobmann August Wöginger, Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (v.l.n.r.) präsentierten am Dienstag die Reformpläne.

Frei werdende Stellen sollen nicht nachbesetzt werden
In der Verwaltung sollen Einsparungen durch die Nichtnachbesetzung von frei werdenden Stellen erfolgen. Die Regierung betont, dass es keine Kündigungen geben werde. Von den bestehenden 19.000 Stellen in der Verwaltung sollen durch natürliche Abgänge in den ersten drei Jahren zehn Prozent und in den nächsten zehn Jahren rund 30 Prozent nicht mehr nachbesetzt werden. Eingriffe auf die rund 7000 Ärzte oder auf das Pflegepersonal soll es nicht geben.

(Bild: APA, krone.at-Grafik)
(Bild: APA)

Vieles, was von „Gegnern“ der Umstrukturierung in Umlauf gebracht worden sei, stimme nicht, meinte Kurz: Dass man Spitäler schließe, Leistungen kürze oder eine Umfärbung stattfinde, „all diese Aussagen sind nicht richtig“. 

„Neue soziale Gerechtigkeit für die Menschen“
„Österreichweit gleiche Leistungen für gleiche Beiträge innerhalb eines Trägers“ sei das Ziel, erklärte Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Die derzeitigen Selbstbehalte, etwa bei den Beamten, bleiben bestehen. „Wir schaffen eine neue soziale Gerechtigkeit für die Menschen in diesem Lande“, frohlockte auch ÖVP-Klubobmann und -Sozialsprecher August Wöginger.

Gebietskrankenkassen fusionieren in eine Österreichische Gesundheitskasse
Die bisher neun Gebietskrankenkassen für Arbeitnehmer und Pensionisten sollen in eine Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) fusionieren, die neun Landesstellen unterhält. Die ÖGK hat für eine bundesweit ausgeglichene Gebarung zu sorgen und den Landesstellen ausreichende Mittel entsprechend den von ihnen zu verantwortenden Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Sie ist zuständig für die Verhandlung eines österreichweiten Gesamtvertrages mit den Ärzten und der entsprechenden Honorare. Die Landesstellen sind weiterhin für die regionale Versorgungsplanung zuständig und es wird ihnen die Möglichkeit gegeben, Zu- und Abschläge auf Grundlage des Gesamtvertrages zu verhandeln.

Die Entscheidung, wo die ÖGK ihren Hauptsitz haben wird, ist laut Kurz noch zu treffen. Er könne sich aber gut vorstellen, dass die Zentrale in einem Bundesland sein wird - dies würde den ländlichen Raum stärken und wäre „sinnvoll“.

(Bild: APA/Barbara Gindl)

Zukunft der AUVA weiterhin ungewiss
Die Zukunft der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) blieb bei der Präsentation der Eckpunkte der Sozialversicherungsreform weiterhin offen: Bis Ende August hat die AUVA Zeit, das im Regierungsprogramm vorgegebene Einsparungsvolumen von 500 Millionen Euro darzulegen. Hartinger-Klein sei dazu bereits in „guten Gesprächen“ mit der AUVA, versicherte Kurz. Im Herbst werde man die Öffentlichkeit informieren, wie es weitergehe. Schon jetzt könne man aber „garantieren“, dass eine etwaige „Eingliederung“ der AUVA in einen anderen Träger nicht dazu führen würde, dass Spitäler oder Reha-Zentren geschlossen werden, betonte der Kanzler.

(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)

Opposition übt scharfe Kritik an Regierungsplänen
Alle drei Oppositionsparteien haben die Regierungspläne für die Reform der Sozialversicherungen heftig kritisiert. SPÖ, NEOS und Liste Pilz warfen der Koalition vor, vor allem eigene Machtinteressen zu verfolgen. SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner konstatierte die wohl „größte Umfärbeaktion der Zweiten Republik“. Die angekündigte Milliarde kann ihrer Ansicht nach nur am Rücken der Patienten durch Kürzungen der Leistungen eingespart werden, weil die gesamten Verwaltungskosten der Kassen nur bei knapp 500 Milionen Euro liegen. SPÖ-Parteichef Christian Kern hatte vor wenigen Tagen ein Alternativ-Konzept vorgelegt.

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