Am Dienstag ist „Österreichtag“ für Russlands Präsident Wladimir Putin. In gewissem Sinne als Dank und Anerkennung für Österreichs traditionelle Haltung zu Russland (ohne dabei kritische Aspekte zu vergessen) hat der Kremlchef dem ORF ein in diesen Ausmaßen ganz seltenes Exklusivinterview gegeben, das sich auch an die Zuseherschaft weit über Österreichs Grenzen richtet.
ORF-Interviewer Armin Wolf begann mit der Frage, ob Putins erste Auslandsreise seit Beginn seiner zweiten Präsidentschaft eine Art Belohnung für Österreich sei. Darauf Putin: „Ich denke, ein so geachtetes europäisches Land wie Österreich braucht keine Belohnung. Österreich ist ein traditioneller zuverlässiger Partner von uns in Europa. Auch in den vergangenen Jahren ist der Dialog trotz aller Schwierigkeiten nicht abgerissen.“
„Sind daran interessiert, dass die EU floriert“
Auf die Frage zum Partnerschaftsabkommen der FPÖ zur Kremlpartei Einiges Russland antwortete der Kremlchef, er sei als Staatsoberhaupt kein Parteimitglied mehr. Die russische Regierung arbeite ohne politische Vorlieben, und es handle sich um rein parteipolitische Kontakte. Wolf: „Warum dann diese engen Beziehungen der russischen Führung zu lauter EU-kritischen Parteien in Europa?“
Putin: „Wir verfolgen nicht das Ziel, etwas oder jemanden in der EU zu spalten. Wir sind vielmehr daran interessiert, dass die EU geeint ist und floriert, weil die EU unser wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner ist. Und je mehr Probleme es innerhalb der EU gibt, desto größer sind die Risiken und Unsicherheiten für uns.“
Wolf erinnerte an die massiven Vorwürfe an Russland, sich in die Innenpolitik und Wahlkämpfe anderer Staaten einzumischen, etwa durch Hacker-Angriffe. Dazu legte Putin Wert darauf, zwischen dem Staat und seinen Bürgern zu unterscheiden. Der russische Staat habe damit nichts zu tun.
„Telefoniere mit Trump regelmäßig“
In diesem Zusammenhang leitete Wolf auf das Thema Trump über: „Sie und Donald Trump sprechen sehr freundlich übereinander, aber etwas fällt auf: Herr Trump ist schon seit eineinhalb Jahren im Amt, und es gab noch nie ein Gipfeltreffen mit ihm. Warum dauert es mit Herrn Trump so lange?“ Putin: „Meiner Ansicht nach ist das die Folge des heftigen innenpolitischen Kampfes in den Vereinigten Staaten. Wir telefonieren regelmäßig. Bei einem unserer letzten Telefongespräche hat Donald gesagt, dass er sich Sorgen mache wegen der Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs. Ich bin da ganz seiner Meinung.“
Nordkorea-Konflikt: Putin setzt auf Entspannung
Zur Frage Nordkorea unterstrich der Kremlchef, dass Russland als Nachbarland das größte Interesse an einer Entspannung habe. Aber, so Putin, dürfe die Aufgabe der Atomwaffen durch Nordkorea keine Einbahnstraße sein: „Wenn der nordkoreanische Machthaber seine Absichten durch praktische Schritte untermauert, wenn er zum Beispiel auf weitere Raketentests oder Atomtests verzichtet, dann sollte auch die Gegenseite verständliche, deutliche Schritte des Entgegenkommens setzen.“
Zur Ukraine-Krise dementierte Putin einmal mehr, dass Russland etwas mit dem Abschuss des Passagierfluges MH17 zu tun habe. Beide Konfliktparteien in der Ukraine hätten Waffen russischer Produktion. Die Untersuchung der Tragödie müsse objektiv sein. Wolf begründete die internationalen Zweifel an der russischen Darstellung und erinnert an die Darstellung, dass „kleine grüne Männchen“ den Anschluss der Krim an Russland durchgeführt hätten. Putin: „Die russische Armee war immer auf der Krim präsent, dort war unser Militärkontingent stationiert. Das haben wir nie bestritten.“
Krim zurück zur Ukraine? - „Das wird nie geschehen“
Danach fingen die beiden an, miteinander über Russland und die Ukraine zu streiten und erst recht über die Frage: „Was müsste passieren, damit Russland die Krim an die Ukraine zurückgibt?“ Putin: „Das wird nicht geschehen.“ Und er verweist auf die Volksabstimmung. Wolf konterte, dass diese Art von Volksabstimmung von keinem Staat anerkannt wird. Putin zum weiteren Weg der Ukraine: „Für Russland ist vor allem wichtig, dass auf ukrainischem Gebiet keine militärischen Einrichtungen entstehen, die unsere Sicherheit gefährden könnten. Aber letzten Endes ist das die Entscheidung des ukrainischen Volkes und seiner legitim gewählten Staatsorgane.“
Chemiewaffeneinsatz in Syrien? - „Nichts ist bewiesen“
Noch heißer ging es in dem Interview zum Chemiewaffeneinsatz in Syrien zu. Putin beendete das Hickhack: „Nichts ist bewiesen.“ Schließlich musste der Kremlchef auch tief Luft holen auf die Frage: „Suchen Sie in Wahrheit diese ständigen außenpolitischen Konfrontationen, um von der schlechten wirtschaftlichen Lage in Russland abzulenken?“
„Gehaltsniveau in Russland ist ein wenig gesunken“
Putin verwies auf Erfolge, wollte aber nicht verhehlen: „Ja, es stimmt, das Gehaltsniveau ist ein wenig gesunken. Die Einnahmen der Bevölkerung sind ein wenig gesunken. Aber wenn wir uns den Beginn unseres Weges ansehen, dann hat sich seit dem Jahr 2000 die Anzahl der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, halbiert. Halbiert!“
„Befinden uns innerhalb des Verfassungsrahmens“
Wolf: „Sie sind seit 18 Jahren Präsident oder Premierminister. Ihre Kritiker in Russland sagen, Sie haben aus einem Land, das auf dem Weg zu einer Demokratie war, wieder ein autoritäres System gemacht. Sie würden wie ein Zar regieren.“ Putin: „Das stimmt natürlich nicht und entspricht nicht der Wahrheit, weil wir einen demokratischen Staat haben und uns innerhalb des Verfassungsrahmens befinden.“
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung
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