Mehr als drei Jahre nach ihrem letzten Österreich-Besuch kam Superstar Katy Perry im Zuge ihrer „Witness“-Tour wieder in die Wiener Stadthalle. Die gewohnt zuckerlbunte Show wurde auch mit atmosphärisch-dichten, politisch-konnotierten Themen durchzogen, fand dadurch aber zu keiner inhaltlichen Stringenz. Während das Visuelle souverän dominierte, blieben Akustik und Stimme einiges schuldig.
Wir erinnern uns zurück - mit ihrem zweiten Album „Teenage Dream“ gelang der 25-jährigen Katy Perry ein weltweites Nummer-eins-Album mit unzähligen Hits für die Ewigkeit. Noch bevor Adele alle Verkaufsrekorde brach und Taylor Swift sich vom Country emanzipierte, gelang der Pastorentochter aus Kalifornien der Sprung auf den Thron der Popwelt. Auf diversen sozialen Netzwerken ist die heute 33-Jährige noch immer unerreicht, die größte Popularitätswelle ist aber längst abgeebbt. An einem Montagabend finden zwar immer noch mehr als respektable 12.500 Fans ihren Weg in die Wiener Stadthalle, das „Ausverkauft“-Schild muss aber nicht angebracht werden. Das liegt einerseits wohl an den immer höheren Ticketpreisen, andererseits aber auch an jüngeren, flippigeren Popstars und Perrys aktuellem Album „Witness“, auf dem sie sich zwar reifer und politischer gibt, aber Hitpotenzial und Ohrwurmtauglichkeit vermissen lässt.
Widersprüche
So verstrickt sich die Künstlerin während ihres gut zweistündigen Auftritts immer wieder in visuell-inhaltliche Widersprüche, die wenig Antworten liefern. Gerade die neuen, atmosphärisch dunkleren Songs wie „Déjà Vu“, „Tsunami“ oder „Bon Appétit“ wollen im Livekorsett nicht funktionieren und finden außerhalb der Hardcore-Fans nur wenig Anklang. Dass die Nummern mit einer grellbunten Show samt überdimensionalen, als Poledance-Stangen missbrauchten Rosen, außerirdischen Stelzenwesen und blinkenden Effekten garniert werden, sorgt zwar für optische Kurzweil, kann aber über die Dürre dazwischen nicht hinwegtäuschen. Eigentlich auch egal, denn der moderne Pop kaschiert seine Schwächen allgemein nur allzu gerne mit visuellem Bombast.
Bei Katy Perry gab es dahingehend schon beim letzten Auftritt vor drei Jahren wenig zu bemängeln, an diesem Abend setzt die Instagram-Königin noch ein Vielfaches drauf. Schon zum Opener „Witness“ segelt sie, ganz in Latex-Gold gekleidet, in einer Art Sternenraumschiff aus einem sich öffnenden, überdimensionierten Auge, bei „Roulette“ werden plötzlich zwei riesige Würfel auf die Bühne gekarrt und während dem Disco-Hit „Dark Horse“ tänzelt sie in der Bühnenmitte auf höhenverstellbaren Quadern. Dazu brave, aber völlig in den Hintergrund verschobene Rocker an den Instrumenten, athletische Tänzer in verschiedensten Kostümen und perfekt durchexerzierte Choreografien. Wie bei solchen Monsterproduktionen üblich, bleibt nichts dem Zufall überlassen, was dem anfänglichen Staunen im weiteren Konzertverlauf immer wieder ein leichtes Gähnen zur Seite stellt.
Stimmschwächen
Das in fünf Akte und ebensoviele Welten aufgeteilte Konzertereignis mäandert zu oft zwischen beliebig und interessant. Am besten funktioniert Perry erwartungsgemäß mit ihren wirklich großen Hits aus den Karrierefrühzeiten, die ihr den heutigen Ruhm erst ermöglichten. Dabei erweist sich die sympathische Frontfrau auch als Meisterin der Selbstironie. Nach „Teenage Dream“ macht sie sich über ihren Bra lustig, parliert vereinzelte Wörter auf Deutsch und nimmt gar eine rosarote Flying-V in die Hand, doch selbst in Songs wie „Hot N Cold“ oder „California Gurls“ singt sie mit Bravour am richtigen Ton vorbei und erweist sich als wankelmütig in der Profession. Dazu wirken auch die entschleunigenden Showeinlagen erzwungen und mühsam - etwa wenn ihr Maskottchen, der türkisblaue Hai, mit Perry auf eigens am Bühnensteg präparierten Klaviertasten herumhüpft und verschiedenste Melodien herauswürgt. Einmal mehr stellt sich die Frage, wo denn der rote Faden zwischen der livehaftigen Gaukelei und dem lyrischen Anspruch ist, den sich die Künstlerin selbst auferlegt hat?
Irgendwo zwischen riesengroßen Lippen, einem Basketball-Korb und den am Hallendach befestigen acht Planeten, die sie stilecht am Ring des Saturn umrundet, geht im Laufe der Show jedwede Logik verloren. Die stärksten Momente finden sich in den ruhigen Passagen. Das filigran vorgetragene „Wide Awake“ ist der Höhepunkt des überkandidelten Abends, auch das etwas zu pathosgeschwängerte Liebesstück „Into Me You See“ kratzt mit juveniler Leichtigkeit die Qualitätskurve, auch wenn die Sängerin bei ihrem großen Lob über Wien mit Begriffen wie Mozart oder Schwarzenegger nur partiell ins Schwarze trifft. Merke: Auch das Auswendiglernen auf den einzelnen Tourstationen soll gelernt sein!
Am Scheideweg
So bleibt auf der „Witness“-Tour der schale Beigeschmack der Unausgegorenheit. An einem wichtigen Scheideweg ihrer Karriere weiß der Superstar nicht, ob er lieber weiterhin das fesche Mädchen zum Pferdestehlen bleiben will, oder doch lieber eine Trendwende zum politischen Gewissen der US-Nation anstrebt. Sieht man auf der Bühne künftig weiterhin riesige Flamingos auf Stelzen oder doch lieber wohl durchdachte Gesellschaftskritiken? Die Frage kann in den nächsten Jahren nur Perry selbst beantworten - und die Antwort wird ihre weitere Karriere definieren. Am Scheideweg zwischen Kitsch und Kunst.
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