Tod in Massagesalon

Kein Mord: Chinesin wegen zu heftiger Notwehr verurteilt

Österreich
18.11.2009 19:11
Mit einem einstimmigen Freispruch von der Mordanklage ist am Mittwochabend im Wiener Straflandesgericht der Prozess gegen eine 37-jährige Chinesin zu Ende gegangen. Die Frau hat am 14. April 2008 in einem Massagesalon in Mariahilf eine um zehn Jahre ältere Landsfrau erwürgt. Das Schwurgericht (Vorsitz: Sonja Weis) entschied auf Überschreitung der Notwehr und verhängte dafür elf Monate unbedingt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Geschworenen billigten der Angeklagten zu, in Notwehr gehandelt zu haben. Weil sie "zur Abwehr eines gegen sie gerichteten Angriffs das gerechtfertigte Maß an Notwehr überschritt", wurde sie wegen fahrlässiger Tötung schuldig erkannt.

Die 37-Jährige brach danach in einen Weinkrampf auf. "Danke, danke", stammelte sie in Richtung der Geschworenen. Ihr Verteidiger Peter Philipp verzichtete auf Rechtsmittel. Die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

Konfliktpotential durch Altersunterschied
Die Frau war 2000 nach Österreich gekommen, wo sie zunächst als Babysitterin und als Küchenhilfe in einem Restaurant arbeitete. Als sich ihr Freund Richtung Taiwan verabschiedete, begann die Chinesin in einem Etablissement in der Millergasse Kunden zu massieren. Dort lernte sie ihre Landsfrau Jinfeng L. (47) kennen, die schon seit längerem in diesem Gewerbe tätig war. Der Altersunterschied der beiden entwickelte sich zum Konfliktpotenzial: Die Männer zogen die Jüngere vor, Jinfeng L. hatte den Eindruck, dass jene ihr gezielt die Stammkunden wegschnappte.

"Sie hat gesagt, ich bin jung und nehme ihr die Kunden weg"
Am 14. April 2008 kam es wieder einmal zu einem Streit, nachdem die 37-Jährige zunächst einen Kunden bedient hatte, für den sich Jinfeng L. als zuständig erachtete. Als ein weiterer explizit nach der Jüngeren verlangte, sei ihre Kollegin wütend geworden, erklärte diese nun den Geschworenen: "Sie hat gesagt, ich bin jung und nehme ihr die Kunden weg. Sie wurde sehr aggressiv." 

Die Angeklagte behauptete, ihre Kollegin habe schließlich einen Porzellanteller gepackt und auf ihrem Kopf zertrümmert. Mit einer Scherbe in der Hand habe sie sich auf sie gestürzt, sie zu Boden befördert, sich auf sie gesetzt und auf sie eingestochen bzw. -geschnitten. 13 Wunden habe sie davon getragen, weinte die Angeklagte. Am Ende war allerdings ihre Kontrahentin tot. 

Kampf vertuscht und nach China geflohen
Die 37-Jährige legte die Leiche auf ein Sofa und täuschte vor, Jinfeng L. wäre im Zuge eines Sex-Spiels umgekommen. Dann wusch sie sich, schnitt sich die Haare ab und rief am nächsten Vormittag die Salon-Besitzerin an, nachdem sie am Tatort sämtliche Spuren des angeblichen Kampfes beseitigt hatte.

Der Eigentümerin gegenüber gab die Frau vor, nicht ins Geschäftsinnere zu kommen, weil sie daheim den Schlüssel vergessen habe. Als die beiden eintraten und die Tote entdeckten, tat die Chinesin überrascht. Sie schlug vor, die Leiche in einem Müllcontainer zu beseitigen und zeigte ihrer Chefin auch ganz genau, welchen sie meinte. Jene verständigte allerdings die Polizei.

Der 37-Jährigen gelang es, am folgenden Tag das Land zu verlassen, weil zu diesem Zeitpunkt noch kein Tatverdacht gegen sie bestand. Erst im Zug der weiteren Erhebungen stellte sich für die Polizei zweifelsfrei heraus, dass die Kollegin der Umgekommenen mit der Sache zu tun haben musste. Als die Chinesin Mitte März wieder aus ihrer Heimat anreiste, wo sie sich bei ihrer Familie versteckt hatte, klickten die Handschellen. 

Gerichtsmediziner widersprach Schilderungen 
Der Gerichtsmediziner Christian Reiter widersprach allerdings der Darstellung der Angeklagten. Während diese behauptet, die um zehn Jahre ältere Frau in Notwehr mit einem Schal erdrosselt zu haben, stellte der Sachverständige fest, das Opfer wäre mit bloßen Händen erwürgt worden. Dieser Vorgang habe "deutlich mehr als vier Minuten gedauert", sagte Reiter.

Damit konfrontiert, schluchzte die Angeklagte: "Ich kann dazu nichts sagen. Ich hab' so viel Angst gehabt." Bei der Obduktion der Leiche stellte der Gerichtsmediziner teilweise tiefe Schnittwunden an den Händen und am linken Schlüsselbein der 47-Jährigen fest, die sich mit dem von der Angeklagten geschilderten Tathergang ebenfalls schwer in Einklang bringen lassen. Laut Reiter könnte es sich dabei um "typische Abwehrverletzungen" handeln.

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