Die von Österreichs Skiverband (ÖSV) im November als Reaktion auf die auftauchenden Missbrauchsvorwürfe eingesetzte Expertenkommission sieht keine Hinweise auf systematischen sexuellen Missbrauch und sexuelle Gewalt innerhalb der Verbandsstrukturen. Das ist die Kernaussage der am Mittwoch in Wien bei einer Pressekonferenz bekanntgegebenen Ergebnisse der bis 31. Mai gelaufenen Untersuchungen.
Steiermarks ehemalige Landeshauptfrau Waltraud Klasnic berichtete in ihrer Funktion als Vorsitzende des Expertenbeirats in diesem Zusammenhang vom Eingang von rund 130 Telefonaten und 90 Mails. „Es sind keine Fälle gemeldet worden, außer dass es vieles an Anrufen und Mails gab, aber es ist immer anonym gewesen“, sagte Klasnic. Auf einen konkreteren Fall aus etwas jüngerer Vergangenheit wies die Unabhängige Opferschutzanwältin aber schon hin.
Werdenigg brachte Causa ins Rollen
Vor rund zwei Jahren sei ein zugekaufter gewerblicher Masseur übergriffig geworden, die zwei Sportlerinnen hätten sich sofort der Trainerin anvertraut. „Der Mann durfte nicht nur am selben Tag nicht mehr kommen, sondern das ist auch gerichtsanhängig“, betonte Klasnic. Eine zweite Causa betreffe das sogenannte „Pastern“ in Schulen. Klasnic: „In allen drei Schulen waren es Situationen, die innerhalb des Landes und des verantwortlichen Schulträgers abgehandelt wurden.“
Klasnic betonte, dass unabhängig und ohne ÖSV-Einflussnahme gearbeitet worden sei. Es habe anonyme Hinweise auf mögliche Missstände im ÖSV in den Achtziger-Jahren und früher gegeben, denen sei so gut wie möglich nachgegangen worden. Klasnic habe mit Nicola Werdenigg Kontakt gehabt, von der erste Missbrauchsvorwürfe gekommen waren. Hier sei aber kein Name genannt worden. Diskussionsthemen seien auch die Fälle „Toni Sailer“ und „Charly Kahr“ gewesen.
Weitere Expertenbeirat-Mitglieder waren u.a. der Psychiater und Neurologe Reinhard Haller, Caroline List als Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen Graz, der ehemalige Wiener Stadtschulrat Kurt Scholz und Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. „Aufklärung ist das Wichtigste im Kampf gegen Missbrauch und Macht“, meinte List in ihrer Stellungnahme. Scholz stellte fest, dass durch die Aufarbeitung „die Mauer des Schweigens niedriger geworden“ sei.
Neben dem Expertenbeirat gab es noch Untersuchungen einer Psychologen- sowie einer weiteren Experten-Gruppe. Das Psychologen-Team u.a. mit Beate Wimmer-Puchinger befasste sich mit der Entwicklung von Präventionsansätzen gegen Gewalt in Schulen und Internaten. Dabei waren viele Gespräche mit Lehrern und Schülern an der Tagesordnung. „Prävention ist die beste Medizin. Eine gute Präventionsstrategie ist das Gebot der Stunde“, stellte Wimmer-Puchinger fest.
Martina Leibovici-Mühlberger wiederum habe mit ihrem Experten-Team die Rahmenbedingungen und Strukturen des ÖSV analysiert. In Tiefeninterviews mit Trainern und Athleten sei dem Status quo auf den Grund gegangen worden. Die erfolgte Umstellung des Trainingsapparats auf Kleingruppen sei dabei als wichtig und wesentlich erkannt worden. „Die Überblickbarkeit der Gruppe hebt die Transparenz der Kommunikationsprozesse“, erläuterte Leibovici-Mühlberger.
Schröcksnadel: „Was uns vorgeworfen wurde, stimmt einfach nicht“
ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel atmete ob der Ergebnisse der Untersuchungen durch. „Was uns vorgeworfen wurde, stimmt einfach nicht“, sagte der 76-Jährige. „Ich bin erleichtert, das ist aber auch schon alles. Ich brauche keine Befriedigung in so einer Sache. Jeder einzelne Fall, der passiert ist, ist schockierend, zutiefst bedauerlich und furchtbar für den Betroffenen oder die Betroffene. Leider kann auch der ÖSV nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass es zu einzelnen Übergriffen kommt.“
Schröcksnadel hofft, dass die Untersuchungskommission beispielhaft werde. „Wir wollen ein Leuchtturm-Projekt sein für die Zukunft“, meinte der ÖSV-Chef an. Weitere ÖSV-Maßnahmen sollen das Einsetzen einer dauerhaften Ombudsstelle, die Neuausrichtung der Trainerausbildung für Damen-Teams, eine Trainerschulung zur Stärkung der Persönlichkeit und gruppendynamischer Effekte, Gesprächsrunden mit Psychologen und eine engere Zusammenarbeit mit Schulen sein.
Der Expertenbeirat gab folgende Empfehlungen ab: Wahrnehmung von Verantwortung, Ernstnehmen von Meldungen und Wahrnehmungen, Enttabuisierung und Transparenz, Schaffung eines vertrauensvollen Klimas, Institutionalisierung leicht zugänglicher unabhängiger Anlaufstellen bzw. Vertrauenspersonen, Präventionsrichtlinien für alle Bereiche, sorgfältige Auswahlkriterien für Trainer, Betreuer und Funktionäre sowie Schaffung einer österreichweiten Präventionsplattform.
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