„Keine Linie“

Jetzt greift Kurz Merkels Asylpolitik frontal an

Ausland
20.06.2018 11:20

Bundeskanzler Sebastian Kurz hat vor einer weiteren Verschärfung der Flüchtlingskrise durch den deutschen Asylstreit gewarnt und dabei seine Amtskollegin Angelka Merkel (CDU) frontal angegriffen. „Diejenigen, die im Jahr 2015 die Grenzen geöffnet haben, haben es verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt und die Situation vielleicht noch schlimmer wird“, betonte der ÖVP-Chef am Mittwoch anlässlich eines Treffens mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). „So unangenehm es ist, wenn es in Deutschland Streit gibt und keine gemeinsame Linie in der Regierung, so positiv ist es, dass jetzt eine Bewusstseinsänderung vieler auf europäischer Ebene eintritt“, fügte Kurz hinzu.

Söder sieht Kurz als Verbündeten im Konflikt mit Merkel. „Bayern und Österreich haben eine gemeinsame Überzeugung und Haltung“, sagte er nach dem rund zweistündigen Austausch mit dem Bundeskanzler. Österreich komme in der zweiten Jahreshälfte bei seinem EU-Ratsvorsitz eine Schlüsselrolle in der Asyldebatte zu, erklärte Söder weiter.

Kanzler Kurz ist am Mittwoch zu Gast im „Krone“-Talk - zu sehen ab 19.30 Uhr exklusiv auf ATV und auf krone.at sowie im Facebook-Stream der „Krone“. Die Fragen stellt krone.at-Kolumnistin und #brennpunkt-Moderatorin Katia Wagner.

War bereits einmal bei Moderatorin Katia Wagner im #brennpunkt zu Gast: Sebastian Kurz (Bild: Peter Tomschi)
War bereits einmal bei Moderatorin Katia Wagner im #brennpunkt zu Gast: Sebastian Kurz

Kurz warnt vor Verschärfung der Flüchtlingskrise durch deutschen Asylstreit
Kurz zählt sich in der Debatte über bilaterale Zurückweisungsabkommen mit anderen EU-Ländern zur „Achse der Willigen“. Beim Treffen mit Söder warnte er vor einer weiteren Verschärfung der Flüchtlingskrise durch den deutschen Asylstreit. „Wir bereiten uns intensiv dafür vor“, sagte Kurz mit Blick auf die mögliche Zurückweisung von Flüchtlingen durch Deutschland.

(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)

Zur Erinnerung: Am Montag hatte der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) angekündigt, alle Asylwerber, gegen die ein Einreise- und Aufenthaltsverbot in Deutschland besteht, an der deutsch-österreichischen Grenze abweisen zu lassen. Kurz sagte dazu: „Wir müssen gerüstet sein dafür, dass die nationalen Grenzkontrollen überhaupt in Europa verstärkt werden, ausgehend von Deutschland.“

Der bayrische Ministerpräsident Söder mit Bundeskanzler Kurz (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Der bayrische Ministerpräsident Söder mit Bundeskanzler Kurz

Kanzler sieht zumindest „eine neue Dynamik auf europäischer Ebene“
Der Kanzler betonte neuerlich, dass sich Österreich nicht in die „innerdeutsche Debatte“ einmische, griff aber zugleich Merkels Asylpolitik frontal an. Diejenigen, die im Jahr 2015 die Grenzen geöffnet haben, „haben es verschuldet, dass es heute Grenzkontrollen gibt zwischen Österreich und Bayern, Ungarn und Österreich, Italien und Österreich, und die Situation vielleicht noch schlimmer wird“, betonte er. „Wenn die Diskussion in Deutschland etwas Gutes hat, dann, dass es jetzt eine neue Dynamik auf europäischer Ebene gibt, dass es wieder eine größere Chance gibt, dass sich in der Europäischen Union endlich etwas bewegt.“

Grenzkontrollen in Österreich (Bild: APA/AFP/ATTILA KISBENEDEK)
Grenzkontrollen in Österreich

„Wünschen uns eine geeinte Linie in Deutschland, ein gemeinsames Vorgehen“
Kurz versicherte, dass Österreich kein Interesse an einem Streit zwischen den deutschen Unionsparteien habe und sich wünsche, „dass es dort keine Reibereien gibt“. „Was haben wir davon, wenn es Konflikte in anderen Ländern gibt?“, so Kurz. „Wir wünschen uns eine geeinte Linie in Deutschland, ein gemeinsames Vorgehen. Ich sage klarerweise dazu, dass natürlich diese Diskussion über die Lösung der Migrationsfrage auch notwendig ist. Mann kann nicht verschweigen, dass nach wie vor zu viele Menschen nach Mitteleuropa weitergewunken werden“, kritisierte er etwa angebliche Versuche, die sogenannte Albanien-Route zu verschweigen. Man könne nicht warten, „bis die Katastrophe wieder so groß wird wie 2015“.

Sebastian Kurz und Angela Merkel (Bild: APA/ÖVP/Jakob Glasner, AP, APA/dpa, krone.at-Grafik)
Sebastian Kurz und Angela Merkel
(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)

Söder für Schutzzonen in Afrika“
Söder sprach sich dafür aus, für Migranten „Schutzzonen in Afrika“ einzurichten. „Da wäre es wirklich sinnvoll, Geld auszugeben.“ Es gehe darum, der Bevölkerung zu signalisieren, dass es keinesfalls wieder zu einer Situation wie beim bisherigen Höhepunkt der Migrationskrise im Herbst 2015 komme werde. Auch die CSU sei für eine europäische Lösung. Die müsse aber wirken, und zwar rasch, sagte Söder. „Ohne die klare Position Bayerns würde sich Berlin nicht so schnell bewegen wie jetzt.“

„Bayern und Österreich haben eine gemeinsame Haltung“
Laut Söder würde man auch dadurch europäische Maßnahmen erreichen, „indem wir auch mit nationalen Vorgaben ein gutes Konzept anbieten können.“ Mit Blick auf den aktuellen Streit zwischen CDU und CSU in der Asylfrage unterstrich Söder die Forderung nach einer Zurückweisung von Flüchtlingen. „Wir können ja nur in unserem Land selbst für einen Rechtsstaat werben, wenn der Staat sich selber an die Regeln hält, die er sich gibt. Deswegen ist es wichtig, dass wir an dieser Stelle klare Position beziehen.“ Söder setzt im europäischen Streit um eine Neuregelung der Asylpolitik auf die Pläne der türkis-blauen Bundesregierung Österreichs. „Bayern und Österreich haben eine gemeinsame Überzeugung und Haltung“, sagte er. Europa sei zwar ein weltoffener Kontinent, brauche aber einen besseren Schutz der Außengrenzen und eine Begrenzung der Zuwanderung. 

(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)

„Man kann nur was bewegen, wenn man eigene Bevölkerung hinter sich hat“
Eine europäische Regelung, wie von Merkel bis zum EU-Gipfel Ende des Monats angestrebt, sei wünschenswert, jedoch dürfe dies nicht dazu führen, dass die geforderte Zurückweisung von bereits in anderen europäischen Ländern registrierten Flüchtlingen dadurch auf die lange Bank geschoben werde. „Man kann in Europa nur was bewegen, wenn man die eigene Bevölkerung hinter sich hat“, betonte Söder. Die deutsche Bevölkerung erwarte sich eine Entschlossenheit der eigenen Regierung.

Horst Seehofer, Angela Merkel (Bild: dpa, AFP/TOBIAS SCHWARZ, AFP/CHRISTOF STACHE, krone.at-Grafik)
Horst Seehofer, Angela Merkel

Sieben Mitgliedsstaaten bei EU-Asyl-Sondertreffen am Sonntag in Brüssel
Wie am Mittwoch bekannt wurde, findet am kommenden Sonntag ein EU-Asyl-Sondertreffen in Brüssel statt. Sieben Staaten werden dort mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Themen illegale Migration, Stärkung des Dublin-Abkommens und Frontex besprechen. Angeführt werden die europäischen Regierungschefs von Merkel. Auch die Regierungen Italiens, Frankreichs, Spaniens, Griechenlands, Bulgariens und Österreichs sind bei dem Treffen vertreten, Österreich ist durch Kurz repräsentiert. Das Treffen der sieben Staaten soll vor allem der Vorbereitung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag kommender Woche dienen.

Strittige Punkte in Verkehrspolitik
Beim Treffen zwischen Söder und Kurz kamen auch Konfliktthemen wie der Transitstreit zwischen Tirol und Bayern oder jener über den Salzburger Flughafen zur Sprache. Beide Seiten versicherten, nach konstruktiven Lösungen suchen zu wollen, mit denen beide Seiten leben könnten. Erst vor wenigen Tagen hatten Vertreter aus Deutschland, Italien und Österreich beim Brenner-Gipfel weitgehend erfolglos verhandelt. Laut Bayerns Verkehrsministerin Ilse Aigner (CSU) hat Deutschland mittlerweile eine Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die Blockabfertigung eingebracht.

(Bild: APA/dpa/Josef Reisner)

Demos in Wien und Linz gegen Kurz-Regierung wegen Zwölf-Stunden-Tag
Vor der Zuganreise der Regierung zum Ministerrat und der Konferenz mit der bayrischen Landesregierung war es am Mittwoch in Wien am Bahnsteig zu einer Demonstration gegen den Zwölf-Stunden-Tag gekommen. Auch vor dem Linzer Landhaus wurde demonstriert. Der Kanzler selbst ging auf die Proteste nur auf Nachfrage bei seiner Pressekonferenz in Linz ein und rief in Sachen Arbeitszeit zur Abrüstung der Worte auf. Es sei weder angebracht, Jubelchöre zu verbreiten, noch Angst, die so nicht gerechtfertigt sei. Denn die acht Stunden Arbeit pro Tag blieben, man mache nur eine stärkere Flexibilisierung möglich.

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kanzleramtsminister Gernot Blümel (r.) im Zug bei der Anreise zum Ministerrat und der „Regierungskonferenz“ mit der bayrischen Landesregierung in Linz (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kanzleramtsminister Gernot Blümel (r.) im Zug bei der Anreise zum Ministerrat und der „Regierungskonferenz“ mit der bayrischen Landesregierung in Linz
Bundeskanzler Sebastian Kurz reiste mit dem Zug nach Linz zum Ministerrat und der „Regierungskonferenz“ mit der bayrischen Landesregierung. In Wien kam es am Bahnsteig zu einer Demonstration gegen den Zwölf-Stunden-Tag. (Bild: APA Roland Schlager)
Bundeskanzler Sebastian Kurz reiste mit dem Zug nach Linz zum Ministerrat und der „Regierungskonferenz“ mit der bayrischen Landesregierung. In Wien kam es am Bahnsteig zu einer Demonstration gegen den Zwölf-Stunden-Tag.
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