Diese Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts wird wohl hohe Wellen schlagen: Ein wegen Vergewaltigung einer 15-Jährigen angeklagter Inder wurde während seines Prozesses auf freien Fuß gesetzt. Daraufhin reiste er kurzerhand nach Indien - und galt als untergetaucht. Ein internationler Haftbefehl wurde erlassen, der 25-Jährige kehrte Anfang dieser Woche nach Wien zurück. Noch am Flughafen klickten die Handschellen, aufgrund des OLG-Entscheids wurde der Mann aber erneut auf freien Fuß gesetzt ...
Die Staatsanwaltschaft Wien wirft dem Zeitungszusteller vor, am 22. Dezember 2017 in der Bundeshauptstadt ein 15 Jahre altes Mädchen in seinen Lieferwagen gelockt und dort vergewaltigt zu haben. Der 25-Jährige wurde von der Staatsanwaltschaft angeklagt, allerdings noch vor einem Ende der Verhandlung enthaftet.
Keine U-Haft beantragt
Schuld daran ist ein Beschluss des OLG, mit dem der Tatverdächtige auf freien Fuß gesetzt wurde, nachdem ihn das Landesgericht am ersten Verhandlungstag am 3. Mai im Gerichtssaal festnehmen hatte lassen. Der Angeklagte - U-Haft war für ihn seitens der Anklagebehörde erstaunlicherweise nicht beantragt worden - hatte sich vor einem Schöffensenat nicht geständig gezeigt und behauptet, er habe das Mädchen nur heimbringen wollen. Er sei nicht über die 15-Jährige hergefallen.
DNA-Spuren belasten 25-Jährigen
Im Intimbereich und an der Kleidung des Mädchens konnten jedoch mittels einer DNA-Untersuchung Spuren des Mannes nachgewiesen werden. Da es überdies Hinweise gibt, dass die Tat bei der Betroffenen schwere Dauerfolgen bewirkt hat, was im Fall eines Schuldspruchs eine Strafdrohung von bis zu 15 Jahren zur Folge hätte, war für das Landesgericht die Inhaftierung des Mannes wegen dringenden Tatverdachts bei einer drohenden mehrjährigen Freiheitsstrafe unumgänglich.
Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Prozess gegen den 25-Jährigen auf Ende Juni vertagt werden musste. Die kontradiktorische Zeugenbefragung der 15-Jährigen musste nämlich abgebrochen werden. Das Mädchen erlitt einen Zusammenbruch und verließ weinend das Gerichtsgebäude. Ein Gutachten soll nun klären, ob die Jugendliche überhaupt aussagefähig ist und ob das inkriminierte Geschehen sie derart belastet, dass ihr psychischer Zustand einer Körperverletzung gleichkommt.
Keine Tatbegehungs- und Fluchtgefahr
Der Angeklagte legte gegen seine Inhaftierung Beschwerde ein. Das Wiener OLG gab dieser Folge. Zwar wurde der ersten Instanz beigepflichtet, dass von dringendem Tatverdacht in Richtung Vergewaltigung auszugehen sei. Ein Drei-Richter-Senat verneinte jedoch die vom Erstgericht angenommenen Haftgründe der Tatbegehungs- und Fluchtgefahr.
Der aus Indien stammende Mann, der 2014 nach Österreich gekommen war, weise hierzulande keine Vorstrafen auf, betonte das OLG. Von Dezember bis Mai sei er in sexueller Hinsicht strafrechtlich nicht mehr aufgefallen. Fluchtgefahr nahm das OLG deshalb nicht an, weil der Mann einen österreichischen Führerschein, einen Lieferwagen, ein Mobiltelefon und eine Meldeadresse besitzt.
Land Richtung Indien verlassen
Als das Landesgericht nach der Zustellung des OLG-Beschlusses und der Enthaftung des Verdächtigen dessen Aufenthalt überprüfen wollte, war dessen Handy nicht mehr erreichbar. An der angegebenen Adresse wurde nur mehr ein Landsmann des Angeklagten angetroffen. Dieser gab bekannt, dass der 25-Jährige das Land Richtung Indien verlassen habe. Daraufhin wurde ein internationaler Haftbefehl erlassen.
Anfang dieser Woche kehrte der Gesuchte wieder nach Wien zurück. Noch am Flughafen Schwechat klickten die Handschellen. Der mutmaßliche Vergewaltiger blieb aber nur wenige Stunden im Gefängnis - aufgrund des aufrechten Beschlusses des OLG musste er wieder freigelassen werden. Bevor er enthaftet wurde, versicherte der 25-Jährige noch dem Richter, er wäre nicht geflüchtet, sondern hätte in Indien seine kranke Mutter besucht. Überhaupt sei er davon ausgegangen, dass das gegen ihn gerichtete Verfahren eingestellt worden sei.
Der Mann soll angekündigt haben, dass er wieder seinem Job als Zeitungszusteller nachgehen will. Ob sich an seinen Plänen etwas ändert, sobald ihn seine Rechtsvertreterin informiert, dass ihm möglicherweise eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren droht, bleibt abzuwarten ...
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