Angst vor Stichwahl
Erdogan: „Nehmt alle Freunde mit zu den Urnen!“
Heute werden in der Türkei der Präsident und ein neues Parlament gewählt. Der amtierende Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat seine Gefolgsleute bei Abschlusskundgebungen in Istanbul am Samstag auf die Wahl eingestimmt und sie dazu aufgerufen, unbedingt zu den Urnen zu gehen. Denn diesmal könnte es sein, dass sein Herausforderer ihn in eine Stichwahl zwingt. Zur Großkundgebung des Kandidaten Muharrem Ince waren Hunderttausende Menschen gekommen - Ince selbst sprach von fünf Millionen.
„Ihr, die ihr die Plätze füllt, erneuert eure Hoffnung, morgen wird ein ganz neuer Tag anbrechen“, rief der Kandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP) und ehemalige Lehrer der riesigen Menschenmenge am Ufer der Marmara-Meers im Stadtteil Maltepe zu. Nach Inces Angaben hatten sich fünf Millionen Menschen zu seiner Abschlusskundgebung versammelt. Auch seine Kundgebungen in der Küstenstadt Izmir und der Hauptstadt Ankara hatten an den Abenden zuvor Hunderttausende angezogen.
Erdogan könnte in Stichwahl müssen
„Wir haben nur noch Stunden“, sagte Erdogan, der am Samstag, dem letzten Wahlkampftag, ebenfalls in Istanbul auftrat, sich aber für mehrere kleinere Auftritte entschieden hatte. Erdogan sprach Ince die Kompetenz für das höchste Staatsamt ab: „Es ist eine Sache, Physiklehrer zu sein, aber etwas anderes, ein Land zu führen. Präsident zu sein braucht Erfahrung“, sagte der langjährige Staats- und Regierungschef.
Dies legt nahe, dass Erdogan sehr wohl befürchten könnte, in eine Stichwahl zu müssen. „Passt auf! Lasst nicht nach. Nehmt alle eure Freunde und Verwandte mit zu den Wahlurnen. Gott bewahre, dass Faulheit uns in eine schwierige Lage bringt“, bekräftigte er. Umfragen zufolge ist offen, ob Erdogan die Präsidentschaftswahl am Sonntag in der ersten Runde gewinnt. Sollte das nicht der Fall sein, müsste er am 8. Juli in eine Stichwahl gegen den Zweitplatzierten.
Bei fast allen seinen Wahlkampfveranstaltungen hatte Erdogan die Leistungen seiner Partei hervorgehoben. Auch am Samstag sprach er wieder von Krankenhäusern, Brücken, Tunneln und Universitäten, die seine Regierung gebaut habe. Der größten Oppositionspartei CHP dagegen warf er erneut Untätigkeit vor.
Faire und freie Wahlen versprochen
Erdogan versprach in seiner Rede am Samstag zudem faire und freie Wahlen. „Wir haben alle möglichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen“, versicherte er den Tausenden Zuschauern bei einer Großkundgebung in Istanbul. Wähler könnten Sicherheitskräfte in die Wahllokale bitten, wenn sie Probleme hätten.
Der 64-Jährige verwies darauf, dass alle Parteien Wahlbeobachter an den Urnen hätten. Oppositionsparteien wollen mit rund 600.000 Beobachtern weitaus mehr schicken als bei früheren Wahlen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will rund 330 internationale Beobachter aus 44 Ländern einsetzen.
In Österreich, wo bis zum vergangenen Dienstag abgestimmt werden konnte, waren knapp 52 Prozent der Auslandstürken zu den Urnen gegangen - sogar mehr als in unserem Nachbarland Deutschland. Die Türkei hatte eine Rekordbeteiligung bei im Ausland lebenden Türken vermeldet.
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