Italien prescht vor
Asylgipfel: Keine Beschlüsse, aber 10-Punkte-Plan
Der auf Wunsch Berlins eilig einberufene EU-Asylgipfel mit 16 von 28 EU-Staaten hat am Sonntag wenig überraschend keine konreten Ergebnisse hervorgebracht. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die innenpolitisch unter Druck steht, sagte, das Treffen diente einer ersten Beratung, sei aber für bi- und trilaterale Absprachen der Staaten in den nächsten Tagen wichtig. Italien hat seinen 10-Punkte-Plan bereits präsentiert.
„Wir wissen, dass wir auf dem Europäischen Rat leider noch keine Gesamtlösungen bekommen werden“, sagte Merkel schon bei ihrer Ankunft im Barlaymont-Gebäude - dem Sitz der EU-Kommission - in Hinblick auf den regulären EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel. Bei dem „Arbeitsreffen“ am Sonntag sei es nur um eine erste Beratung gegangen.
Italiens Premierminister Guiseppe Conte legte den anderen Staats- und Regierungschefs einen 10-Punkte-Plan für die Lösung der Migrationsfrage vor. Folgende Forderungen stellen die Italiener darin:
- Abkommen mit Afrika: Italien drängt die EU zu engeren Beziehungen zu den Herkunftsländern der Migranten oder Transitländer. Dabei sollen vor allem Kooperationsprojekte mit Libyen und dem Niger gefördert werden, mit dessen Hilfe 2018 die Zahl der Migrantenabfahrten in Richtung Europa um 80 Prozent reduziert werden konnte.
- Zentren zum internationalen Migrantenschutz in Transitländern: Die italienische Regierung drängt auf Flüchtlingseinrichtungen im Niger und in Libyen für die Erstaufnahme der Migranten. Jene, denen kein Asyl zugestanden wird, sollen zurückgeführt werden. Daher solle die EU mit dem Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) an Programmen für die Rückführung von Migranten arbeiten. Migranten, die trotzdem illegal in Europa eintreffen, sollen auf mehr EU-Länder verteilt werden.
- Stärkung der EU-Außengrenzen: Italien unterstützt bereits die EU-Missionen EunavforMed, Sophia und Themis. Das Land fördert hinzu die libysche Küstenwache. Diese Initiativen sollten gestärkt werden.
- Überwindung des Dubliner Asylabkommens: Nur sieben Prozent der Migranten, die in Europa eintreffen, sind Flüchtlinge. Das europäische Asylrecht basiere auf ein Paradoxon: Das Asylrecht werde nur Personen gewährt, die Europa erreichen, unabhängig davon, welchen Preis sie dafür zahlen müssen.
- Überwindung des Kriteriums des Landes erster Ankunft: Wer in Italien landet, erreicht Europa. Alle Länder müssen Verantwortung für die Flüchtlingsproblematik übernehmen.
- Gemeinsame Verantwortung: Italien fordert „gemeinsame Verantwortung“ aller EU-Mittelmeerländer bei der Aufnahme von Migranten. Die Pflicht der Rettung und Aufnahme könne nicht allein auf dem ersten EU-Land lasten, in dem die Migranten eintreffen.
- Kampf gegen Menschenhandel: Die EU soll mit entschlossenen Initiativen den Menschenhandel bekämpfen. Der Kampf gegen Schlepperei und internationale Menschenhändler dürfe nicht nur von einzelnen Staaten allein geführt werden.
- Hotspots in mehreren EU-Ländern: Nicht alle Migranten können nach Italien oder Spanien gebracht werden. Die italienische Regierung drängt auf die Einrichtung von Hotspots in mehreren EU-Ländern, um Probleme mit der öffentlichen Sicherheit und Überbevölkerung in den Flüchtlingslagern Italiens zu vermeiden.
- Innereuropäische Umverteilung: Mit der Umsetzung der Zehn-Punkte-Plans könne die innereuropäische Umverteilung auf ein Minimum reduziert werden.
- Jeder EU-Staat legt Einwanderungsquoten für Wirtschaftsmigranten fest. Ländern, die Flüchtlingen nicht aufnehmen wollen, sollen EU-Finanzierungsgelder gekürzt werden.
Spanien und Frankreich für Errichtung von Flüchtlingszentren
Auch Frankreich und Spanien brachten einen Vorschlag in die Diskussion ein. Dieser sieht vor, dass geschlossene Flüchtlingszentren in dem Land errichtet werden, „das dem Ankunftsort am nächsten liegt“. „Das ist eine Lösung, die kooperativ ist und das Recht achtet“, sagte Macron. „Wir müssen uns an unsere Prinzipien halten und dürfen uns nicht von den Extremen herumschubsen lassen.“ Abgelehnte Asylbewerber müssten in ihre Heimatländer zurückgebracht werden „und keinesfalls in die Transitländer“, fügte Macron hinzu.
Beschlüsse zu den verschiedenen Vorschlägen gab es freilich noch keine. Nun wird erst einmal in den einzelnen EU-Staaten darüber diskutiert werden, bevor bei weiteren Treffen in Brüssel Beschlüsse gefasst werden können.
Kurz erwartet „wesentliche Fortschritte“ bis September
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erwartet spätestens bis zum EU-Gipfel unter Österreichs EU-Ratspräsidentschaft am 20. September in Salzburg „wesentliche Fortschritte“ in der europäischen Migrationspolitik. Der EU-Asylgipfel in Brüssel werde hingegen noch keine Beschlüsse und Ergebnisse liefern, betonte auch er.
Mehrere Teilnehmer wandten sich im Vorfeld gegen Spekulationen, dass es um das politische Überleben Merkels gehe. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte angedroht, notfalls im Alleingang Migranten an der deutschen Grenze abweisen zu wollen, wenn es keine europäische Lösung gebe. „Es geht hier nicht um das Überleben einer Kanzlerin“, sagte der luxemburgische Premier Xavier Bettel Sonntagnachmittag.
Kurz: „Wünsche mir, dass Deutschland eine Linie findet“
Ähnlich Österreichs Kanzler Kurz: „Es geht heute nicht um den innerdeutschen Streit. Ich wünsche mir natürlich als Nachbarland, dass es in Deutschland gelingt, eine gemeinsame Linie in der Regierung zu finden, aber um das geht es heute nicht, sondern es geht darum, was können wir auf europäischer Ebene tun, was können wir tun, um eine europäische Lösung möglich zu machen“, so Kurz. Österreich wolle dabei gerne „Brückenbauer“ sein.
„Ich bin da eigentlich sehr positiv gestimmt“, sagte der Kanzler. Man sollte nun den Fokus auf die Gemeinsamkeiten in der Asylpolitik richten, „wo man an einem Strang ziehen kann. Das ist meiner Meinung nach der Außengrenzschutz und die Stärkung von Frontex.“
Kurz ortet Bewegung für besseren Außengrenzschutz
Es sei von vielen Seiten endlich unterstützt worden, „dass man noch stärker mit der libyschen Küstenwache zusammenarbeiten soll, und dass Menschen, wenn sie in Seenot geraten 50 Kilometer entfernt von Libyen nicht 500 Kilometer nach Italien gebracht werden sollen, sondern lieber 50 Kilometer zurück nach Libyen. Das ist aus meiner Sicht schon ein wichtiger Fortschritt“, betonte Kurz Sonntagabend nach dem informellen Arbeitsreffen von 16 der 28 EU-Staaten in Brüssel.
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