Weil es auf Facebook und Twitter für Dritte oftmals schwer zu unterscheiden ist, welche Äußerungen beruflich und welche privat sind, sollen ORF-Mitarbeiter künftig „im Zweifel besser nichts sagen“. Eine neue Social-Media-Richtlinie des Öffentlich-Rechtlichen fordert den Verzicht auf „öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und ,Polemik‘ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind“. Auf Twitter gehen die Wogen bereits hoch, „ZiB“-Moderator Armin Wolf hat sich ebenfalls dazu geäußert und wettert gegen die Vertreter von ÖVP und FPÖ im ORF-Stiftungsrat.
„Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Die globale Vernetzung eröffnet Privatpersonen ebenso wie journalistischen Medien neue Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten“, heißt es in einer E-Mail von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, die dem „Standard“ vorliegt und offenbar zunächst nur an einen Teil der Radiomitarbeiter des ORF versandt wurde.
Doch neue Möglichkeiten bedeuteten auch „neue Risiken“, fährt Wrabetz fort und erläutert, dass ORF-Mitarbeiter, „ganz besonders jene, die aufgrund ihrer öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit oder Stellung als in besonderer Weise mit dem ORF verbunden wahrgenommen werden“, deshalb eine besondere Verantwortung dafür tragen, dass „ihre Meinungsbekundungen in sozialen Medien keine Zweifel an der integren und rechtskonformen Aufgabenbesorgung durch sie in den Sendungen und Angeboten des ORF oder an der Glaubwürdigkeit des ORF aufkommen lassen“.
Leitlinie soll „Glaubwürdigkeit des ORF“ garantieren
Um “Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit“ und damit letztlich die „Glaubwürdigkeit des ORF“ zu garantieren, sollten Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Senders daher auch im „privaten Umfeld“ auf öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien verzichten, „die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Antipathie, Kritik und ‚Polemik‘ gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind“. Die entsprechenden Meinungsbekundungen könnten dabei sowohl durch direkte Äußerungen erfolgen als auch indirekt durch „Zeichen der Unterstützung/Ablehnung wie Likes, Dislikes, Recommends, Retweets oder Shares“.
Im Zweifel besser nichts sagen
Eine konkrete Beurteilung könne jeweils nur im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände und nach Maßgabe der erwähnten rechtlichen Vorgaben erfolgen, heißt es in dem Schreiben weiter. Im Zweifel ersuche Wrabetz deshalb darum, „von einer Meinungsäußerung Abstand zu nehmen“. Diese Social-Media-Leitlinien seien „als Dienstanweisung von allen journalistischen und programmgestaltenden Mitarbeiter/innen des ORF zu befolgen“, heißt es abschließend.
„Kein Kommentar“
Mitarbeiter, die die Weisung bereits erhalten haben, reagierten am Dienstag entsprechend verstimmt darüber. So twitterte FM4-Redakteur Lukas Tagwerker etwa: „Um meinen tollen Job beim öffentlich-rechtlichen Radio zu behalten, darf ich also in Hinkunft nichts mehr öffentlich äußern, was als ,Kritik‘ interpretiert werden kann. Aber auch nicht als ,Zustimmung, Ablehnung oder Wertung‘. Also: kein Kommentar.“
Wolf sieht Stiftungsrat hinter Leitlinie
Auch Armin Wolf, „ZiB 2“-Moderator und aktiver Twitter-Nutzer, äußerte sich dazu. „Die Vertreter von ÖVP u. FPÖ im ORF-Stiftungsrat wollen strengere Social-Media-Regeln für ORF-JournalistInnen. Laut Text-Entwurf wären kritische Äußerungen über Politik ,auch im privaten Umfeld‘ verboten“, schrieb Wolf. Darunter postete er Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser behandelt das Recht auf freie Meinungsäußerung und hat in Österreich Verfassungsrang.
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