EU will Asyl-Einigung

Orban: „Keine Migranten mehr, stoppt das!“

Ausland
28.06.2018 21:12

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union leiten offenbar einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik ein. Beim EU-Gipfel in Brüssel zeichneten sich am Donnerstag folgende Stoßrichtungen ab: Flüchtlinge sollen künftig im Mittelmeer abgefangen und in „Anlandezentren“ nach Nordafrika zurückgebracht werden. Der Schutz der Außengrenzen soll zudem verstärkt werden. Offen bleibt die Frage der Flüchtlingsverteilung. Ungarns Regierungschef Viktor Orban bekräftigte unterdessen seine strikte Linie gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa einmal mehr. „Die Menschen verlangen zwei Dinge. Das erste ist: Keine Migranten mehr, stoppt das. Das zweite ist: Bringt die zurück, die schon da sind“, sagte Orban vor dem Gipfel. Wegen des Streits um die Migrationsfrage hat Italien am Donnerstagabend Beschlüsse in anderen Bereichen vorerst blockiert.

Für Orban gehe es beim EU-Gipfel nicht in erster Linie um die Migrationsfrage. „Das Hauptthema ist nicht die Migration. Das Hauptthema ist die Demokratie in Europa“, sagte Orban. Es gehe auch darum, „ob die Europäische Volkspartei dazu beitragen kann, die Demokratie in Europa wiederherzustellen, was die Leute glauben, was gemacht werden sollte“, so Orban. Seit Jahren weigert sich Ungarns Regierungschef, eine Umverteilung von Asylwerbern in Europa zu akzeptieren.

Viktor Orban (Bild: AP)
Viktor Orban

Der zweitägige EU-Gipfel hatte am Donnerstagnachmittag mit Beratungen zur europäischen Verteidigung, der Handelspolitik und den EU-Finanzen begonnen. Dazu sollten am Abend ursprünglich bereits Schlussfolgerungen veröffentlicht werden, was aber nun durch Italien vorerst blockiert wurde. Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conte hatte schon zum Gipfelauftakt mit einer Blockade der Beschlüsse zu Migration gedroht. Italien als Hauptankunftsland für Flüchtlinge im Mittelmeer bekomme zwar „viele Solidaritätsbekundungen“ von den EU-Partnern, erwarte nun aber, „dass auf die Worte Taten folgen“.

Conte legte Zehn-Punkte-Plan zur Migration vor
Conte hatte diese Woche einen Zehn-Punkte-Plan zur Migration vorgelegt. Hauptforderung ist, die bisherigen EU-Regeln zu Asyl „zu überwinden“. Dabei geht es insbesondere um die Vorgabe, nach der normalerweise das Erstankunftsland für Asylwerber zuständig ist. Die Regierung in Rom hatte deshalb in den vergangenen Wochen bereits Schiffen von Hilfsorganisationen mit vor Libyen geretteten Flüchtlingen die Einfahrt in italienische Häfen verweigert. Da ein Mitgliedsstaat vorerst nicht zustimme, könnten „zum jetzigen Zeitpunkt keine Schlussfolgerungen vereinbart werden“, teilte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstagabend mit. Aus italienischen Regierungskreisen hieß es, das Land werde kein grünes Licht zu Gipfelbeschlüssen jeglicher Art geben, solange es „keine Vereinbarung zu allem“ einschließlich der Migration gebe.

Giuseppe Conte (Bild: Associated Press)
Giuseppe Conte

Tusk: „Alternative wären chaotisch voranschreitende Grenzschließungen“
Tusk verteidigte unterdessen die geplante Verschärfung der europäischen Migrationspolitik: „Wenn wir uns darauf nicht einigen, sehen wir einige wirklich harte Vorschläge von wirklich harten Typen.“ Die Alternative zu einem verstärkten EU-Außengrenzschutz und Flüchtlingszentren wären „chaotisch voranschreitende Grenzschließungen“ innerhalb der EU, sagte Tusk am Donnerstag.

EU-Ratspräsident Donald Tusk (Bild: AFP)
EU-Ratspräsident Donald Tusk

Auch Merkel bereit, über Auffangzentren in Nordafrika zu reden
Am deutlichsten wurde die Wende in der Migrationspolitik beim Auftritt der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch sie kann sich nun „Seeanlandungen von Schiffen“ in nordafrikanischen Ländern vorstellen. Nachsatz: „Man muss mit den Ländern sprechen. Wir müssen die Bedürfnisse dieser Länder in Betracht ziehen.“ Es sei in der Migration viel erreicht worden, jetzt gehe es darum, bei den Anlandungen von Flüchtlingsschiffen in Nordafrika ähnlich wie beim EU-Türkei-Deal vorzugehen.

Angela Merkel kämpft um ihr politisches Überleben. (Bild: APA/AFP/JOSEPH EID)
Angela Merkel kämpft um ihr politisches Überleben.

Kurz: „Könnten Trendwende in der Flüchtlingspolitik einleiten“
Bundeskanzler Sebastian Kurz sieht auf dem EU-Gipfel gute Chance für eine Neuausrichtung der EU-Flüchtlingspolitik. „Wir könnten die Trendwende einleiten“, sagte er vor dem Gipfel. Er habe seit Jahren einen Systemwechsel gefordert, um die Zahl der Migranten zu senken, und begrüße die von Tusk vorgeschlagene Einrichtung von Flüchtlingszentren in Afrika für Menschen, die aus Seenot gerettet werden. Dadurch würden die Migrantenzahlen sinken.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (Bild: AP)
Bundeskanzler Sebastian Kurz

Juncker rechnet nicht mit totalem Kurswechsel 
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rechnete hingegen nicht mit einem totalen Kurswechsel in der EU-Flüchtlingspolitik. Es werde vergessen, dass die Kommission in der Frage bereits „beachtliche Fortschritte“ erzielt habe. Von sieben Gesetzesvorschläge seien fünf unter Dach und Fach. Man werde versuchen, die ausstehenden Probleme bis Ende des Jahres zu lösen, sagte er vor Gipfelbeginn. Bei den geplanten Flüchtlingszentren in Nordafrika müssten die Länder dort selbst entscheiden. Er sei in Kontakt mit den betreffenden Regierungen. „Die mögen es nicht, fremdbestimmt zu werden.“

Jean-Claude Juncker (Bild: AFP)
Jean-Claude Juncker
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