Hunderte Kilometer über China zieht ein Satellit seine Bahn. Die Geräte an Bord messen den Metallgehalt in der Luft. Doch es sind nicht ökologische Fragen, die den Abnehmer der Daten umtreiben. BlackRock will Geld verdienen, viel Geld. Der weltgrößte Vermögensverwalter zieht aus der Luftverschmutzung Rückschlüsse auf die Produktivität einer Region oder auch nur einzelner Fabriken. Mehr Metall bedeutet eine höhere Produktion, lautet das Kalkül. Und lange bevor sich der höhere Ausstoß der Fabrik in den Finanzkennzahlen niederschlägt und auch konventionelle Fondsmanager darauf aufmerksam werden, senden die BlackRock-Computer bereits ein Kaufsignal für die Aktien des Unternehmens. Dahinter steckt Big Data, eines der derzeit heißesten Themen in der Branche.
„Wir befinden uns in einem technologischen Umbruch“, sagt Thorsten Gommel vom Berater PwC. Soziale Medien und die Allgegenwart von Smartphones haben zu einer Explosion der verfügbaren Daten beigetragen, die von Tech-Konzernen und kleinen Fintechs ausgeschlachtet und verkauft werden, auch an Vermögensverwalter. Um in den Milliarden von Tweets und Likes die entscheidenden Signale zu erkennen, waren Fortschritte bei der Rechenkapazität und im Bereich der künstlichen Intelligenz unabdingbar. Die machen sich die Fondsgesellschaften jetzt zunutze.
Das zahlt sich aus: Berechnungen der Analysefirma Eurekahedge zufolge haben Hedgefonds, die auf KI setzen, seit 2011 mehr als doppelt so viel Rendite erwirtschaftet wie die Branche insgesamt. Der Erfolg ruft weitere Anbieter auf den Plan. So hat Acatis einen Fonds im Angebot, der Big Data für Anlageentscheidungen nutzt. Die ebenfalls aus Frankfurt stammende Catana Capital will im September nachziehen. „Der Einsatz von künstlicher Intelligenz und Big Data ist kein Wunder mehr, sondern Teil unseres täglichen Geschäfts“, erklärte Acatis-Geschäftsführer Hendrik Leber.
„Einem Computer ist das egal“
Wer beim Anlegen vor allem auf Computer setzt, hat den Vorteil, dass Gefühle ausgeschaltet werden. „Welcher menschliche Fondsmanager würde einmal pro Woche seine Anlagestrategie ändern?“, fragt David Itzkovits vom südafrikanischen Finanzkonzern Sanlam. „Dem wäre das unangenehm, wahrscheinlich sogar peinlich. Einem Computer ist das egal.“
Auch BlackRock-Lenker Larry Fink glaubt an die Zukunft der Maschinen. Der Konzern trennte sich in den vergangenen Jahren von Aktienfondsmanagern und stellte stattdessen mehr Datencracks an. Inzwischen verwalten die rund 100 Experten des Bereichs Systematic Active Equity (SAE) 100 Milliarden Dollar (86 Milliarden Euro). Eine der größten Hürden ist, die richtigen Mitarbeiter zu finden. „Da konkurriert man nicht mit Asset Managern, sondern eher mit NASA, Google oder Apple“, erklärt SAE-Manager Simon Weinberger. Um Talente anzuziehen, schaute sich der Wall-Street-Konzern schon mal die lockerere Unternehmenskultur der Silicon-Valley-Firmen ab. „Jeans und T-Shirt ist ok“, so der Österreicher.
Terabyte-weise Daten
Täglich erfassen die Computer des BlackRock-Bereichs drei Terabyte an Daten - das entspricht dem Inhalt von über 4000 CDs. Ein Beispiel verdeutlicht, wie die Daten verwendet werden: BlackRock vergleicht systematisch die Standorte von 14.000 McDonald‘s-Filialen in den USA mit Handy-Positionsdaten. Im April 2017 zeigte sich, dass die Schnellimbiss-Lokale sprunghaft mehr Gäste anzogen. Innerhalb von wenigen Minuten reagierte BlackRock mit Kauforders. Und die McDonald‘s-Aktie legte über die kommenden Monate deutlich zu.
Computer spielen in der Branche schon seit den 80er-Jahren eine wichtige Rolle. Doch lange wurden die Rechner nur mit Bilanzkennzahlen und anderen numerischen Daten gefüttert. Nach der Finanzkrise begannen sie auch, Daten zu durchforsten, die nicht in eine Excel-Tabelle passen. Zu diesen unstrukturierten Daten gehören Bilder und Texte. Der britische Hegdefonds AHL wertet neben Wetterdaten oder der Belegung von Flugzeugen inzwischen auch Mitschriften von Telefonkonferenzen zwischen Firmenchefs und Anlegern aus und leitet daraus ein Stimmungsbild ab. „Alles komplett algorithmisch“, erklärt AHL-Forschungschef Anthony Ledford.
Bloß Träumerei?
Nicht alle mögen sich von der Begeisterung anstecken lassen. „Bisher hat Big Data im Finanzgeschäft enttäuscht“, erklärt Karl Schmedders von der Universität Zürich kühl. Dass Asset Manager sich mit Big Data einen zeitlichen Vorsprung erarbeiten könnten, sei durchaus möglich. „Aber dass jemand eine Super-Strategie mit einer jahrelangen Überrendite von zehn Prozent findet, das halte ich für Träumerei.“
Dennoch: Viele Experten erwarten, dass Big Data in der 100-Billionen-Dollar-Branche bald nicht mehr wegzudenken ist. Und die Fondsmanager? Die Frage sei nicht ob, sondern wann künstliche Intelligenz menschliche Anlageprofis ersetze, prognostiziert Larry Cao von der Analystenvereinigung CFA. AHL gehört zwar zu den Computer-Pionieren. Dennoch sieht Manager Ledford, der über 50 Forscher im Team hat und eng mit der Universität Oxford zusammenarbeitet, auf absehbare Zeit eine wichtige Rolle für Menschen bei der Weiterentwicklung der Modelle und vor allem bei deren Überwachung.
Ähnlich äußert sich der Chef der deutschen Finanzaufsicht BaFin. Ausflüchte wie „ich war‘s nicht, die Maschine war‘s“, würden die Regulatoren nicht akzeptieren, erklärte Felix Hufeld im „Handelsblatt“. „Man kann viel automatisieren und an Algorithmen delegieren, aber nicht die Verantwortung.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.