Sex nur freiwillig
Einverständnis-Gesetz tritt in Schweden in Kraft
Sex nur noch nach Vertrag? In Schweden gilt von diesem Sonntag an das sogenannte Einverständnis-Gesetz, welches festlegt, dass beide Partner ausdrücklich und erkennbar mit Geschlechtsverkehr einverstanden sein müssen. Alles andere wird als Vergewaltigung gewertet. Wie das in der Praxis funktionieren soll, darüber wird in dem skandinavischen Land allerdings noch debattiert.
„Sex muss freiwillig sein“, hatte Regierungschef Stefan Löfven bei der Vorstellung seines neuen Gesetzes betont. Im Unterschied zur bisherigen Gesetzgebung wird jetzt jede sexuelle Handlung strafbar, die nicht im gegenseitigen Einverständnis geschieht - unabhängig davon, ob das Opfer seinen Widerstand durch Worte oder Handlungen zum Ausdruck gebracht hat oder nicht. Passivität soll nicht länger als stilles Einverständnis interpretiert werden können.
Damit ist es für eine Anklage wegen Vergewaltigung nicht mehr erforderlich, „dass Gewalt oder Drohungen eingesetzt wurden oder der Angreifer die besonders verletzbare Lage des Opfers ausgenutzt hat“, wie die schwedische Regierung erläuterte. Bei Vergewaltigungsprozessen müssen die schwedischen Richter nun prüfen, ob bei dem Geschlechtsverkehr die Beteiligten ihr Einverständnis durch Worte, Gesten oder auf andere Weise zum Ausdruck gebracht haben.
Körperliche Beteiligung als Zeichen der Zustimmung
Das Gesetz war im Mai mit Unterstützung der Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und Grünen verabschiedet worden. Richterin Anna Hannell, die an der Ausarbeitung beteiligt war, erläuterte, es bestehe „absolut keine Erfordernis, formell ‘ja‘ zu sagen, einen Knopf in einer App zu drücken oder irgendetwas anderes dieser Art“. „Sich einfach körperlich zu beteiligen, ist ein Zeichen der Zustimmung“, sagte die Juristin der schwedischen Nachrichtenagentur TT.
Sorge vor willkürlichen Entscheidungen
Kritiker machen geltend, dass Richter auf Grundlage des neuen Gesetzes willkürliche Entscheidungen in Vergewaltigungsprozessen treffen würden. Vergewaltigung wird in Schweden mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft, bei minderjährigen Opfern sind bis zu zehn Jahre Haft für den Täter möglich. Vergangenes Jahr wurden in Schweden nach offiziellen Angaben mehr als 7000 Vergewaltigungsfälle gemeldet und damit zehn Prozent mehr als 2016.
„Leute verstehen jetzt, wie verbreitet sexuelle Gewalt ist“
Die schwedische Regierung hatte das neue Gesetz nach der heftigen „#MeToo“-Debatte im vergangenen Sommer vorangetrieben. Tausende Frauen, darunter Schauspielerinnen, Musikerinnen, Journalistinnen, Juristinnen und Ärztinnen, beteiligten sich an der Kampagne gegen sexuelle Übergriffe und gingen mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit. Auch in Norwegen und Dänemark denkt man über ähnliche Gesetze nach - Beschlüsse sind allerdings noch keine gefallen.
„#MeToo ändert die Verhaltensweisen und die Leute verstehen jetzt, wie verbreitet sexuelle Gewalt ist“, erklärte Ida Ostensson von der Stiftung Make Equal, die sich maßgeblich für das neue Vergewaltigungsgesetz eingesetzt hatte. Nun gebe es „endlich eine Gesetzgebung, die die körperliche und sexuelle Integrität schützt“. Der schwedische Anwaltsverband sieht die Reform hingegen kritisch.
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