CDU/CSU am Scheideweg
Asylstreit: Seehofer bietet seinen Rücktritt an
Deutschlands Innenminister Horst Seehofer versucht nun offenbar mit der Brechstange eine Einigung zwischen seiner CSU und der CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel im seit Wochen erbittert geführten Asylstreit zu erreichen. Am Sonntag bot Seehofer während einer Vorstandssitzung seiner Partei überraschend seinen Rücktritt als Innenminister an. Gleichzeitig gab er Merkel eine allerletzte Chance. Heute wollen sich die Spitzen der Unionsparteien zu einem entscheidenden Gespräch treffen. „Das Ergebnis des Spitzengesprächs ist offen“, hieß es aus der CSU.
Seehofer bezeichnete den geplanten neuen Einigungsversuch als „Entgegenkommen“ von ihm an seine Partei. Ohne eine Einigung werde er in den nächsten drei Tagen den Rücktritt als Parteichef und Innenminister vollziehen, gab er am frühen Montagmorgen bekannt. Das Gespräch mit der CDU sei ein „Zwischenschritt“, geführt „in der Hoffnung, dass wir uns verständigen“, so der Innenminister. „Alles Weitere“ werde anschließend entschieden.
„Wir wollen im Interesse dieses Landes und der Handlungsfähigkeit unserer Koalition und Regierung, die wir erhalten wollen, einen Einigungsversuch machen in dieser zentralen Frage zur Zurückweisung, alleine zu dieser Frage“, betonte Seehofer. Er hoffe, dass dies gelinge, das Gesprächsangebot sei ein Entgegenkommen von ihm an die Kanzlerin und die CDU. "Sonst wäre das heute endgültig gewesen.“
CDU-Vorstand stellt sich hinter Merkel
Die CDU-Führung zeigte sich für das Treffen offen, wie die Deutsche Nachrichten-Agentur erfuhr. Der Parteivorstand hatte sich zuvor aber klar hinter Merkel gestellt. Das Treffen soll am Montag um 17 Uhr - nach einer Sitzung der Unionsfraktion, also von allen Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag - stattfinden.
Die Ergebnisse des EU-Gipfels in Brüssel und Merkels angebliche Einigung mit 14 EU-Staaten über Rückführungsabkommen für Migranten, die in Deutschland zu keinem Asylverfahren zugelassen werden sollen, konnten die bayrische Schwesterpartei nicht so ganz überzeugen. Seehofer nannte die EU-Beschlüsse kein „wirkungsgleiches Surrogat“ (keinen gleichwertigen Ersatz, Anm.). Er widersprach damit direkt Merkel. Die Kanzlerin hatte bei der Aufzeichnung eines Sommerinterviews der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ zur Frage, ob die Forderungen der CSU erfüllt seien, gesagt: „In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich. Das ist meine persönliche Auffassung. Die CSU muss das natürlich für sich entscheiden.“
Die SPD als dritter Koalitionspartner kritisierte den Unionskonflikt. „Dass da keine pragmatischen Kompromisse möglich wären, das versteht überhaupt niemand“, sagte Vizekanzler Olaf Scholz in der ARD. Der „selbstvergessene“ Streit sei „eigentlich nicht das, was man sich unter ordentlichem Regieren vorstellt“.
„Masterplan Migration“: Seehofer enthüllte „Geisterpapier“
Für einen weitaus größeren Aufschrei könnte Seehofers sogenannter Masterplan sorgen, sollte es tatsächlich eine Einigung zwischen CDU und CSU geben. Das bisher lediglich als „Geisterpapier“ bekannte Dokument aus dem Hause Seehofer wurde am Sonntag vorgestellt. Damit will Seehofer die Gangart gegenüber Schutzsuchenden deutlich verschärfen. So sieht der von ihm konzipierte „Masterplan Migration“ neben den bereits bekannten Abweisungen an der Grenze eine Ausweitung der Abschiebehaftplätze vor.
„Um der aktuellen Notlage bei Abschiebehaftplätzen zu begegnen“ sollte die „Trennung von Abschiebungsgefangenen und anderen Häftlingen“ vorübergehend ausgesetzt werden, heißt es in dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Bundesländer sollten zum „Ausbau ausreichender Haftplätze“ angehalten werden. Zudem soll die Schaffung eigener „Gewahrsamseinrichtungen“ des Bundes an Verkehrsflughäfen insbesondere für Sammelabschiebungen geprüft werden. Auch eine mögliche Beteiligung von Schutzsuchenden an Gerichtskosten bringt er ins Spiel. Verfahren sollen mithilfe von Gesetzesänderungen beschleunigt werden.
„Balance aus Hilfsbereitschaft und Möglichkeiten unseres Landes“
Dem Papier, das auch mehrere Punkte enthält, auf die sich die EU-Staaten am Donnerstag geeinigt hatten, vorausgestellt ist eine Präambel, in der Seehofer Leitlinien seiner Asylpolitik umreißt. „Erfolgreiche Integration kann nur gelingen mit einer Begrenzung der Zuwanderung“, heißt es darin. „Das Ersuchen um humanitären Schutz und das Begehen von Straftaten schließen sich grundsätzlich aus.“ Das Papier spricht von einer „Balance aus Hilfsbereitschaft und den tatsächlichen Möglichkeiten unseres Landes“.
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