Merkel vs. Seehofer
Asylstreit beendet – aber wer hat jetzt gewonnen?
Seit Tagen hat sich der innerparteiliche Streit zwischen den deutschen Schwesterparteien CDU und CSU merklich zugespitzt. Am späten Montagabend dann die Überraschung: Innenminister Horst Seehofer, seines Zeichens auch Chef der CSU, und CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel haben sich auf einen Kompromiss in der Asylfrage geeinigt (siehe Video oben). Der Machtkampf zwischen Seehofer, der zuvor seinen Rücktritt ins Spiel gebracht hatte, und Merkel, die von Seehofer quasi öffentlich erpresst worden war, ist damit vorbei - vorerst. Doch wer hat jetzt gewonnen? Oder besser gefragt: Hat überhaupt irgendwer gewonnen?
Für die CSU ist der Kompromiss im Asylstreit der bisher noch fehlende Baustein hin zu einer „Asylwende“. Von einem wichtigen Tag für Deutschland, aber auch für die Union, spricht Generalsekretär Markus Blume. Merkel sei quasi die Quadratur des Kreises gelungen: eine Einigung im „Geist der Partnerschaft in der Europäischen Union“ und ein entscheidender Schritt, „um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern“. Doch der Unions-Kompromiss über den Umgang mit bestimmten Asylwerbern steht bisher noch auf tönernen Füßen - und er setzt nicht nur die Zustimmung der SPD, mit der Merkel in einer Großen Koalition ist, voraus, sondern auch viele Verwaltungsabkommen mit EU-Staaten, darunter mit Österreich.
„Gelöst ist gar nichts“
Doch zunächst ist das Erste geschafft: Der Streit innerhalb von CDU und CSU ist beigelegt - oder zumindest vertagt. Denn wie Chefkommentator Torsten Krauel in der „Welt“ schreibt, sei die Einigung nur zustande gekommen, weil „der drohende Machtverlust inmitten einer heiklen weltpolitischen Lage“ sowie eine „bevorstehende Meuterei“ Merkel „erpressbar“ gemacht hätten. Gelöst sei „gar nichts“. Merkel habe nicht gewollt, dass man berichte, dass ihr die Zügel entgleiten würden.
Die Haltbarkeit dieses „Waffenstillstands“ würde lediglich an einem seidenen Faden hängen. „Bessern sich die Umfragen für die CSU in Bayern nicht, wird in München ein neues Streitthema zu finden sein. Vielleicht sogar noch einmal das Thema Flüchtlinge“, heißt es in dem Kommentar weiter. „Der von Sebastian Kurz angekündigte informelle EU-Gipfel zum Thema Migration am 20. September bietet drei Wochen vor der bayerischen Landtagswahl ein Eckdatum dafür.“
Seehofer wollte Zurückweisungen, Merkel keinen nationalen Alleingang
Tatsächlich wird sich wohl erst bei dieser Wahl, die am 14. Oktober stattfindet, zeigen, ob es sich für die CSU überhaupt gelohnt hat, sich mit Merkel anzulegen. Seehofer hat bei dem Kompromiss weniger herausholen können, als er ursprünglich geplant hatte. Er wollte eine Zurückweisung direkt an der Grenze, auch wenn die Länder, wo der Asylwerber bereits mit Fingerabdrücken registriert ist, diesen nicht zurücknehmen. Merkel wollte keinen nationalen Alleingang und Lösungen mit den europäischen Partnern. Die Sorge ist, dass sonst alle nach und nach die Grenzen dichtmachen - das Prinzip der EU-Freizügigkeit wäre ausgehebelt.
Der Kompromiss besagt nun, dass Asylwerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der deutsch-österreichischen Grenze an der Einreise gehindert werden sollen. Sie sollen in Transitzentren kommen, die sie nicht verlassen dürfen, und aus denen sie direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. „Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen“, heißt es in der Vereinbarung. Wenn Länder sich einer Rücknahme verweigern, soll „die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“ stattfinden.
Um wie viele Fälle es überhaupt geht
Im laufenden Jahr wurden laut Medienberichten bis Mitte Juni 18.349 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst waren - also woanders schon registriert wurden. Zudem geht es in der Vereinbarung nur um die deutsch-österreichische Grenze, an der aktuell an drei Stellen kontrolliert wird. Auch bei der Schleierfahndung im Hinterland können illegal eingereiste Asylsuchende angetroffen werden - allerdings ist schwer vorstellbar, dass Menschen, die schon Kilometer von der Grenze entfernt auf deutscher Seite aufgegriffen werden, in Transitzentren kommen können - sie haben ja längst deutschen Boden betreten.
Es geht also gar nicht um besonders viele Fälle, aber der CSU ging es auch um ein Zeichen, dass der Staat nach den Turbulenzen im Jahr 2015, die Merkel mit ihrer „Willkommenskultur“ zur „Flüchtlingskanzlerin“ machten, zeigt, dass er an den Grenzen stärker durchgreift.
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