Die geplante Novelle des Urheberrechts in der Europäischen Union artet in ein veritables Lobbying-Geplänkel aus, das auch vor Österreich nicht haltmacht. Die Internetprovider warnen vor „Totengräbern des freien Internets“ und üben gemeinsam mit der IT-Branche scharfe Kritik an den geplanten Uploadfiltern. Österreichs Medienmacher appellieren derweil an EU-Parlamentarier und Bundesregierung, sich bei der Diskussion über eine Reform des Urheberrechts nicht von „Desinformationskampagnen“ beeindrucken zu lassen.
Der Zankapfel, bei dem IT- und Medienindustrie versuchen, den EU-Parlamentariern die jeweils eigene Sichtweise schmackhaft zu machen, sind die geplanten Upload-Filter. Internet-Aktivisten und IT-Firmen sehen darin „Zensur“ oder gar das „Ende des freien Internets“. Medienschaffende - der heimische Privatsender Puls 4 hat bereits versucht, solche Filter bei YouTube gerichtlich durchzusetzen und errang dabei immerhin Etappensiege - sehen in den Filtern dagegen nur ein konsequentes Vorgehen gegen Raubkopien, wie es im Musikbereich schon lang üblich ist.
Wie wichtig es den rivalisierenden Lagern ist, die Politiker für ihre jeweils eigene Sichtweise zu gewinnen, ist an dem intensiven Lobbying zu beobachten, das derzeit über die EU-Parlamentarier hereinbricht.
VÖP: „Es geht nicht um Zensur oder Überwachung“
Der über die geplanten Uploadfilter naturgemäß erfreute Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) hat einen offenen Brief an Österreichs EU-Abgeordnete geschrieben. „Es geht nicht um Zensur oder Überwachung. Es geht um den Schutz von Eigentum, der eines der unbestrittenen Grundprinzipien unserer Gesellschaft darstellt. Konkret geht es um die Frage, ob die großen, kommerziellen Tech‐Publisher, deren Geschäftszweck der Upload und die Verbreitung von digitalen Inhalten ist, sich angemessen am Schutz von geistigem Eigentum Dritter, mit dem sie ihr Geschäft machen, beteiligen müssen oder nicht“, so die Sender. Man stehe ohne Einschränkung für Meinungs- und Medienvielfalt, Kreative und Medien müssten aber vor dem „Vampirismus der Tech-Publisher“ geschützt werden.
Internet-Provider sehen freies Internet in Gefahr
„Österreichs EU-Abgeordnete sollten sich bitte bewusst machen, dass sie am Donnerstag zu Totengräbern des freien Internets und europäischer Start-ups werden könnten“, warnt Maximilian Schubert, Generalsekretär des heimischen Provider-Verbandes ISPA. Er sieht im geplanten neuen Urheberrecht ein „gefährliches Gesetzesvorhaben“, das zu erheblichen Einschränkungen und tiefgreifenden Veränderungen im Internet führen könnte. Schubert warnt: „Hätte es vor 20 Jahren bereits die geplanten Upload-Filter gegeben, würde Wikipedia heute nicht existieren!“
Internet-Erfinder Tim Berners Lee gegen Novelle
Neben den Providern hat sich auch eine ganze Reihe von Internetlegenden gegen die geplante Novelle ausgesprochen. In einem Mitte Juni bei der Electronic Frontier Foundation veröffentlichten offenen Brief warnen unter anderem der Internet-Erfinder Tim Berners-Lee sowie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und Mozilla-Mitgründer Mitchell Baker, dass das geplante neue Urheberrecht das Internet „von einer offenen Plattform des Teilens und der Innovation in ein Werkzeug der automatisierten Überwachung und Kontrolle seiner Nutzer“ verwandle. Man unterstütze zwar die Bestrebungen, die Schöpfer von Inhalten fair für ihre Arbeit zu entlohnen, lehne aber eine automatisierte Infrastruktur für Überwachung und Zensur der Inhalte in den Netzwerken ab.
VÖZ-Resolution spricht sich für Leistungsschutzrecht aus
Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) sieht die Pläne positiv und hatte bereits vergangene Woche eine Resolution verabschiedet, in der die EU-Abgeordneten und die Regierung dazu aufgerufen wurden, die Pläne für ein europäisches Copyright zu unterstützen und die EU-Richtlinie unter Beibehaltung des Leistungsschutzrechtes und ohne Aufweichung oder Verwässerung zu beschließen. Journalisten sollten an den Erlösen als Urheber beteiligt, die Rechte von Bloggern punkto Meinungsäußerungsfreiheit bei nichtkommerzieller Nutzung nicht eingeschränkt werden.
Die Entscheidung fällt am Donnerstag
Der maßgebliche Ausschuss im EU-Parlament hat der Urheberrechtsrichtlinie knapp zugestimmt. Diese Woche steht das Dossier am Donnerstag auf der Tagesordnung des EU-Parlaments in Straßburg. Ein Beschluss wurde zuletzt aber wieder unsicherer und eine Kehrtwende zeichnete sich ab. Aus der ÖVP-Delegation war etwa zu hören, dass man für eine Debatte samt neuen Änderungsanträgen stimmen werde. Es zeichne sich eine breite Mehrheit gegen ein Durchwinken ab. Laut dem ÖVP-Abgeordneten Othmar Karas wären noch zu viele Fragen ungeklärt.
NEOS fordern klare Positionierung gegen Upload-Filter
Die NEOS wollen diese Woche im österreichischen Parlament einen Entschließungsantrag zu dem Thema einbringen. Stoßrichtung: die Bundesregierung soll sich gegen die Verordnung zu Upload-Filtern aussprechen und sich vor allem im EU-Rat dafür einsetzen, „sowohl auf innerstaatlicher als auch auf europäischer Ebene alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit im Internet zu schützen“. Der Richtlinien-Vorschlag sei aus grundrechtlicher Sicht höchst problematisch, so die NEOS.
Verleger fordern seit Jahren Leistungsschutzrecht
Für das Leistungsschutzrecht hatten sich in den vergangenen Jahren vor allem Verleger stark gemacht. In einigen Ländern - Spanien und Deutschland - wurde es auf nationaler Ebene bereits eingeführt. Geht es nach den Verlegern, sollen Portale wie Google News dadurch nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen und für die Nutzung der Inhalte zahlen. Google weigert sich, diesen Aufforderungen nachzukommen und argumentiert, man bringe den Verlagen durch den Dienst Besucher und damit automatisch auch Einnahmen.
Der Entwurf für ein neues Urheberrecht sieht außerdem vor, dass Online-Plattformen wie YouTube künftig schon während des Hochladens der Inhalte prüfen müssen, ob diese urheberrechtlich geschützt sind. Diese müssten sie dann gegebenenfalls sperren oder entsprechende Lizenzen dafür erwerben. Kritiker sehen durch die Uploadfilter die Meinungs-und Informationsfreiheit gefährdet. Satire, Parodie oder Zitate könnten von Algorithmen nicht erkannt werden - und würden zu Unrecht gesperrt, so die Befürchtung.
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