„Brexit-Traum stirbt“
Britischer Außenminister Boris Johnson tritt ab
Knalleffekt am Montagnachmittag in London: Der britische Außenminister Boris Johnson hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. Johnson gilt als strikter Befürworter des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union. In seinem Rücktrittsschreiben an Premierministerin Theresa May äußerte Johnson die Sorge, dass „der Brexit-Traum stirbt“. Nur wenige Stunden zuvor hatte auch Brexit-Minister David Davis seinen Hut genommen. Knapp neun Monate vor dem geplanten EU-Austritt am 29. März 2019 ist die britische Regierung in eine enorme Krise geschlittert.
Der Plan der Regierung May für eine enge Beziehung zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit „läuft auf den Status einer Kolonie hinaus“, schrieb Johnson weiter. Ursprünglich sei er hinter den Regierungsplänen gestanden, nunmehr aber blieben diese „einem im Halse stecken“. Johnson gilt als einer der Hauptkritiker Mays und hatte ihren Brexit-Kurs immer wieder als zu weich angegriffen. Am Freitag hatte sich May gegen seinen Willen mit ihrer Entscheidung für eine Beibehaltung einer engen wirtschaftlichen Anbindung an die EU durchgesetzt.
Wortführer der Europa-Gegner in Großbritannien
Der ehemalige Londoner Bürgermeister Johnson war das Gesicht der Brexit-Kampagne und der Wortführer der Europa-Gegner in Großbritannien. Der exzentrische Konservative hatte nach dem Brexit-Votum 2016 gesagt, die EU sei „eine noble Idee für ihre Zeit“ gewesen, doch „nicht länger richtig für dieses Land“.
Auch Brexit-Minister ausgetauscht
Nur wenige Stunden zuvor hatte Brexit-Minister David Davis, der wie Johnson zu den Hardlinern in der Frage des EU-Austritts Großbritanniens zählt, seinen Rücktritt eingereicht - wegen eines Streits um die Brexit-Verhandlungen. Er wurde durch Dominic Raab ersetzt. Zu Johnsons Nachfolger wurde am späten Montagabend der bisherige Gesundheitsminister Jeremy Hunt ernannt.
May: „Es ist der richtige Deal für Großbritannien“
Trotz der Rücktritte verteidigt die Premierministerin ihren kooperativen Kurs in den Brexit-Verhandlungen. May bedauerte am Montag im Unterhaus den Rückzug des Außen- und des Brexit-Minister, verwies aber auch auf die unterschiedlichen Ansichten der beiden mit Blick auf das Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU nach dem Ausstieg Londons aus der Union im kommenden Jahr. Ihr Ziel, weiterhin enge Beziehungen zur EU zu pflegen, schütze Arbeitsplätze und sei das Beste für die Bevölkerung, sagte May. „Es ist der richtige Deal für Großbritannien.“
Für May, die seit der Neuwahl im vergangenen Jahr im Parlament nur noch über eine hauchdünne Mehrheit verfügt, sind die Rücktritte ein herber Schlag. Sie muss nun mit weiterem Widerstand aus dem Brexit-Flügel ihrer Partei rechnen. Etwa 60 Abgeordnete in ihrer Fraktion werden dazu gezählt. Finanzminister Philip Hammond stärkte May den Rücken. Er unterstütze ihren Brexit-Kurs voll, twitterte er. Labour-Chef Jeremy Corbyn erklärte die Brexit-Politik der Regierung für gescheitert. „Theresa May hat keine Autorität mehr und ist nicht in der Lage, den EU-Austritt durchzuführen“, twitterte er.
Rücktritte belasten Währung
Die Regierungskrise belastet das britische Pfund. Die Währung gab zum Dollar 0,4 Prozent auf 1,3240 Dollar nach. Entsprechend zog der Euro auf 0,8874 Pfund an. Zuvor hatte das Pfund noch 0,5 Prozent auf 1,3363 Dollar zugelegt. Anleger sahen den Abschied des Brexit-Hardliners Davis positiv, da eine harte Scheidung Großbritanniens von der EU wirtschaftlich belastender als ein sogenannter weicher Brexit wäre. Währungsstratege Viraj Patel von der Bank ING zeigte sich am Montagnachmittag zuversichtlich: „Wir denken, dass das Pfund den Rücktritt von Ministern verkraften kann.“
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