Zweite Amtszeit
Recep Tayyip Erdogan am Höhepunkt der Macht
Mit der feierlichen Angelobung Recep Tayyip Erdogans zum Staatspräsidenten hat in der Türkei eine „neue Ära“ begonnen. Der am 24. Juni wiedergewählte Staatschef legte in der Hauptstadt Ankara den Eid für die nächste fünfjährige Amtszeit ab. Erdogan wird durch das neue Präsidialsystem, dem die Wähler mit der Bestätigung Erdogans ebenfalls zugestimmt haben, über mehr Macht verfügen als alle seine Vorgänger der vergangenen Jahrzehnte. Im neuen System ist der Staatschef zugleich Regierungschef und verfügt über die gesamte Exekutivgewalt.
Während der kurzen Zeremonie sagte Erdogan, er schwöre, dem Rechtsstaat gegenüber loyal zu bleiben, die Demokratie und die säkulare Republik zu schützen und sein Amt unparteiisch auszuüben. Er werde nicht abweichen von dem „Ideal, wonach jedermann im Land grundlegende Freiheiten und Menschenrechte“ genieße.
Feier im Präsidentenpalast: Maduro, Orban und Schröder auf Gästeliste
Rund 10.000 Gäste waren zur pompösen Zeremonie im Präsidentenpalast geladen. Regierungsnahen Medien zufolge sollen 22 Präsidenten und 28 Ministerpräsidenten unter den Gästen gewesen sein. Für die deutsche Bundesregierung reiste Altkanzler Gerhard Schröder an, wie das Auswärtige Amt in Berlin mitteilte. Der Kreml bestätigte die Teilnahme des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew. Türkische Medien berichteten, dass auch Repräsentanten der EU und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der pakistanische Präsident Mamnoon Hussain, der venezolanische Präsident Nicolas Maduro und der ungarische Premier Viktor Orban anwesend waren.
Die Vereidigung Erdogans als Präsident an der Spitze des neuen politischen Systems krönt eine Karriere, die ihm nicht in die Wiege gelegt war. Geboren 1954 im Istanbuler Arbeiter- und Armenviertel Kasimpasa, musste er als Kind auf der Straße Sesamkringel verkaufen, um zum Familienunterhalt beizutragen. Politische Meriten verdiente er sich von 1994 an als Bürgermeister von Istanbul. Dreimal war er später Ministerpräsident. Weil er das Amt nach den AKP-Statuten kein viertes Mal hätte übernehmen können, ließ er sich 2014 zum Präsidenten wählen. Im April 2017 stimmten die Türken dann in einem umstrittenen Referendum für den Übergang zu einem Präsidialsystem. Am 24. Juni gewann Erdogan die Präsidentenwahl mit rund 52,6 Prozent (siehe Video unten).
Bisher konnte Erdogan nichts stoppen, nicht einmal der blutige Putschversuch im Juli 2016. Kurz darauf verhängte er einen Ausnahmezustand, unter dem er Zehntausende politische Gegner und Kritiker feuern oder verhaften ließ. Noch am Sonntag wurden wieder rund 18.000 Staatsbedienstete per Dekret entlassen.
„Eine große Türkei braucht einen starken Anführer“
Auch deshalb ist seine neue Allmachtstellung vielen nicht geheuer. Aus Sicht des Westens hat sich Erdogan dramatisch gewandelt. 2004 war er als Ministerpräsident noch zum „Europäer des Jahres“ gekürt worden. Der damalige deutsche Bundeskanzler Schröder lobte Erdogan für sein „Eintreten für mehr Freiheit, einen besseren Schutz der Menschenrechte und weniger staatliche Bevormundung“. Aus Sicht seiner Kritiker steht Erdogan heute gegen diese Werte. Die Opposition warnt vor einer „Ein-Mann-Herrschaft“. Eines von Erdogans Wahlmottos lautete: „Eine große Türkei braucht einen starken Anführer.“
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