Kroatien hat es geschafft - erstmals überhaupt in ihrer Geschichte stehen die „Kockasti“ im Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft! Was der in den vergangenen Jahren ihren hohen Ansprüchen nie ganz gerecht gewordenen „Goldenen Generation“ vor wenigen Wochen wohl nur unverbesserliche Optimisten zugetraut hatten, schaffte die Truppe von Trainer Zlatko Dalic nun dank eines 2:1-Sieges (nach Verlängerung) gegen England. Und plötzlich scheint der allergrößte Triumph in der kroatischen Fußball-Geschichte in greifbarer Nähe, der Gewinn des ersten Weltmeister-Titels! „Nur“ mehr die „Equipe Tricolore“ Frankreichs steht dem entgegen…
Verschwitzte Trikots? Garstige Grasflecken? Fehlanzeige! Die 22 Kicker auf dem Rasen des Moskauer Luschniki-Stadions hatten sich noch nicht einmal richtig orientiert, da stand es nach einem Freistoß bereits 1:0 für England! Ausgerechnet Kroatien-Kapitän Luka Modric hatte knapp vor der Strafraum-Grenze Dele Alli zu Fall gebracht und Tottenham-Verteidiger Kieran Trippier zirkelte den Ball wenige Augenblicke später unhaltbar für Keeper Danijel Subasic ins rechte Kreuzeck (5.). Krass: Dieses Tor war das bereits neunte (!) von zwölf für England bei der laufenden WM, das aus einem ruhenden Ball entstand - und das vierte Gegentor Kroatiens (von fünf) aus einer Standardsituation. Dieses 1:0 sollte sich als harter Nackenschlag für die Kroaten erwiesen: Entgegen ihres Spitznamens „Vatreni“ präsentierten sich Modric & Co. fürs Erste alles andere als feurig, sondern vielmehr geschockt.
Vor allem in der Defensive hatten der von den Russen im Stadion wegen seiner als anti-russisch empfundenen Aussagen nach dem Viertelfinale heftig ausgepfiffene Domagoj Vida und seine Kumpel mit den schnellen „Three Lions“ große Probleme. Raheem Sterling und Jesse Lingard zeigten ein ums andere Mal die Tempo-Defizite bei Vida, Dejan Lovren & Co. auf. Bei weiteren Standardsituationen drängte sich zudem immer wieder Abwehr-Hüne Harry Maguire ins Rampenlicht - sowohl offensiv (12., 14.) als auch defensiv (9., 34.). Es dauerte bis zur 19. (!) Minute, bis sich die Kroaten einigermaßen von dem Schock des frühen 0:1 erholt hatten und selbst offensiv mit einem Tor-Schuss anschreiben konnten: Doch der Versuch von Ivan Perisic ging aus 20 Metern Entfernung links neben das Gehäuse. Immerhin: Ab sofort war Kroatien endlich in dem WM-Halbfinale „angekommen“…
Ungeachtet dessen stellte die kroatische Abwehr ihr zeitweiliges „Wackeln“ weiterhin nicht ein, wie etwa bei einem „Pass“ von Ivan Strinic auf Sterling am Strafraum-Eck (22.) oder als sich Harry Kane unbedrängt erst an Subasic und dann an der Stange versuchen durfte (30.). Freilich: Treffer kassierten sie bei diesen Szenen keinen. Vor dem Pausenpfiff kam Kroatien dann aber immerhin noch zu einer Halbchance durch Ante Rebic (32./Pickford hielt im Nachfassen) - eine weitere Torraum-Annäherung durch Rakitic (45.) brachte dagegen nichts ein, weil der Barcelona-Star offenbar weder Lust auf einen Pass noch auf einen Schuss hatte und die Aktion im Nichts versandete. Unmittelbar vor der Pause rückte schließlich für ein Mal Schiri Cüneyt Cakir in den Mittelpunkt, als die Kroaten ein Elferfoul an Lovren reklamierten - aber nach Video-Check (wohl zu Unrecht) keinen bekamen…
Die zweite Spielhälfte wusste in der Folge lange Zeit NICHT zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Die Engländer hielten sich britisch-vornehm zurück und vertrauten einerseits auf die Schnelligkeit ihrer Konterspieler sowie die Ideenlosigkeit der Kroaten: Letzteres aus Zuschauer-Sicht leider zu Recht! Hier ein Foul, da ein Schreiduell und dort wieder eine Unterbrechung, viel Zusammenhängendes gab es in Durchgang zwei nicht - bis zur 68. Minute! Inter-Mailand-Legionär Perisic zeigte sich nach einer Vrsaljko-Flanke zirkusreif und drückte den Ball mit dem Bein über (!) den Kopf von Verteidiger Kyle Walker säbelnd per Sohle ins Tor - 1:1! Überhaupt war Perisic in diesen Minuten „on fire“, hatte ihm doch drei Minuten zuvor nur Walkers Leistengegend einen Tor-Erfolg verwehrt und drei Minuten nach dem Ausgleich traf er nur den rechten Pfosten (71./Rebic scheiterte mit dem Nachschuss).
Mit der Leichtigkeit im Spiel der jungen „Three Lions“ war es nach dem 1:1 jedenfalls aus und vorbei, auf einmal bekamen die Kroaten die „2. Luft“ und schienen plötzlich auch ihre Spielfreude wieder entdeckt zu haben. Trotz weiterer kleinerer (81., 86./Pickford) und größerer Unsicherheiten (83./Mandzukic kam im 16er zum Volleyschuss) in der England-Abwehr fiel aber bis zum Ende der regulären Spielzeit kein Treffer mehr. Weil in der Verlängerung zunächst weder England durch John Stones (99./Kopfball auf der Linie abgewehrt) noch Kroatien durch Mario Mandzukic (105./Pickford im Fünfer einen Tick früher am Ball) ihre Top-Chancen verwerten konnten, schien bereits viel auf das 2. Elferschießen für England und das bereits 3. für Kroatien im Verlauf dieser WM hinzudeuten. Doch weil erst Walker eine Kerze aufstellte und Stones wenig später im Strafraum einen Sekundenschlaf einschob, konnte Mandzukic frei vor Pickford zum 2:1 einschieben (109.). Die Entscheidung!
Das Ergebnis:
Kroatien - England 2:1 n.V. (1:0, 1:1, 1:1)
Moskau, Luschniki-Stadion, 78.011, SR Cakir (TUR)
Tore: 0:1 (5.) Trippier, 1:1 (68.) Perisic, 2:1 (109.) Mandzukic
Gelbe Karten: Mandzukic, Rebic bzw. Walker
Kroatien: Subasic - Vrsaljko, Lovren, Vida, Strinic (95. Pivaric) - Brozovic, Rakitic - Rebic (101. Kramaric), Modric (119. Badelj), Perisic - Mandzukic (115. Corluka)
England: Pickford - Walker (112. Vardy), Stones, Maguire - Trippier, Lingard, Henderson (97. Dier), Alli, Young (90. Rose) - Sterling (74. Rashford), Kane
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.