Nach Verurteilung

Knox beteuert ihre Unschuld: “Habe die Wahrheit gesagt!”

Ausland
05.12.2009 15:41
Der aufsehenerregende Prozess um Amanda Knox - die auch "Engel mit den Eisaugen" genannt wird - ist in der Nacht zum Samstag mit zwei Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Die US-Amerikanerin wurde zu 26 Jahren, ihr Ex-Freund zu 25 Jahren Haft verurteilt. "Niemand glaubt mir, dabei habe ich immer die Wahrheit gesagt", sagte die verzweifelte Amanda zu ihren Anwälten, die wohl Berufung einlegen werden. Ihre Eltern überlegen indes zur Unterstützung nach Italien zu ziehen.

"Wir wissen, dass Amanda unschuldig ist, und werden sie nicht im Stich lassen", meinten die Eltern nach dem Prozess. Die Tante Amandas, Janet Huff, bekräftigte die Aussage gegenüber italienischen Medien: "Wir suchen in Italien eine Wohnung und einen Job. Wir wollen Amanda nicht allein lassen."

Verzweiflung nach Urteil
Der Prozess um Amanda Knox hatte Italien fast ein Jahr lang in Atem gehalten. Bei der Urteilsverkündung kurz nach Mitternacht brach die Angeklagte mit dem Aufschrei "Nein, nein, nein!" in Tränen aus und fiel ihrem Anwalt Luciano Ghirga in die Arme. Der Ex-Freund des "mörderischen Engels", Raffaele Sollecito, verzog bei der Bekanntgabe der Entscheidung der Geschworenen keine Miene. "Nur Mut, nur Mut, Raffaele", rief ihm die Lebensgefährtin seines Vaters nach, als er nach dem Schuldspruch mit Amanda abgeführt wurde, doch Raffaele blieb tonlos.

In der Nacht zeigten sich beide laut ihren Anwälten verzweifelt. Amanda Knox, ursprünglich aus Seattle stammend, habe die ganze Nacht geweint, berichteten ihre Rechtsvertreter, die eine verstärkte psychologische Betreuung für die beiden Verurteilten forderten. In der ersten Nacht standen sowohl Knox als auch ihr Ex-Freund wegen Selbstmordgefahr unter Beobachtung. In ihrer Abschlusserklärung am Donnerstag hatte Knox gesagt, sie habe Angst und wolle nicht als Mörderin gebrandmarkt werden.

Anwälte der Verurteilten wollen Berufung anmelden
Auch Sollecito fragte laut seinem Rechtsanwalt Luca Mauri: "Es ist ein Albtraum, wie geht es mit mir jetzt weiter?" Sein Mandant sei sehr niedergeschlagen, er hoffe jedoch auf den Berufungsprozess. "In diesem Urteil gibt es zu viele Widersprüche, wir werden den zweitinstanzlichen Prozess gewinnen", versicherte Sollecitos zweite Rechtsanwältin Giulia Bongiorno. Die Anwälte wollen nun Berufung anmelden.

Familie des Opfers zufrieden mit Prozessausgang
Mit dem Urteil zufrieden zeigte sich naturgemäß Francesco Maresca, Rechtsanwalt der Familie des Opfers, der Austauschstudentin Meredith Kercher aus dem englischen Leeds. "Dieses Urteil ist eine Anerkennung für die gute Arbeit, die die Ermittler geleistet haben", sagte der Rechtsanwalt. Auch die Familie der Ermordeten nahm das Urteil erleichtert zur Kenntnis, betonte aber: "Es gibt aber keinen Grund zum Feiern. Junge Menschen sind wegen dieses Mordes in Haft."

Mord in Verbindung mit sexueller Gewalt
Die 22-jährige Knox soll vor mehr als zwei Jahren, in der Nacht auf den 2. November 2007, ihrer WG-Partnerin die Kehle durchgeschnitten haben, weil sie sich weigerte, bei Sexspielen mitzumachen. Laut Anklage sollen Knox und Sollecito unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen die Britin erstochen haben, während sie von einem weiteren jungen Mann, dem bereits verurteilten Rudy Guede, festgehalten wurde. Mercher soll auch vergewaltigt worden sein. Um die Tat zu vertuschen, sei sie nach Ansicht des Gerichts schließlich umgebracht worden.

Knox und ihr drei Jahre älterer Freund wurden kurz nach dem Mord festgenommen. Guede, der dritte Verdächtige, der aus der Elfenbeinküste stammt, wurde bereits 2008 schuldig gesprochen und zu 30 Jahren Haft verurteilt. Er hat vor Gericht wie Knox und Sollecito seine Unschuld beteuert und mittlerweile Berufung eingelegt.

Rund 100 Zeugen sagten aus
In dem Indizienprozess sagten rund 100 Zeugen aus. Strittig waren vor allem als Beweise vorgebrachte DNA-Spuren. Der Anklage zufolge wurden auf einem in der Wohnung des Italieners gefundenen Messer die DNA-Spuren der Amerikanerin und des Opfers entdeckt. Die Verteidigung machte dagegen geltend, die Klinge passe nicht zu den tödlichen Verletzungen der Britin. Bei den Schlussplädoyers am Dienstag hatte Knox' zweiter Verteidiger Carlo Dalla Vedova kritisiert, dass die Anklage gegen die junge Frau allein auf Indizien basiere, das Wort "wahrscheinlich" habe den gesamten Prozess durchzogen.

Angeklagte "irrtümlich in Tsunami geraten"
Zudem hätten die Medien Studentin in ihren Sensationsberichten vorverurteilt. Amanda sei ein natürliches Mädchen und ganz irrtümlich in den "Tsunami" der Ermittlungen und Verdächtigungen geraten: Nein, nicht das "Engelsgesicht mit den Eisaugen" sei sie, sondern wie die fabelhafte Amelie - also der sanften Filmfee Audrey Tautou ähnlich. Vedova warf den italienischen Ermittlern vor, sie seien wegen einer aufreizenden Geste der jungen Amerikanerin gegen sie eingenommen. Hätte Knox während der Untersuchungen am Tatort zu einem Zeitpunkt nicht lasziv ihre Hüfte geschwungen, "säße sie jetzt nicht hier", so der Anwalt. Nach seinen Worten gelang es der Anklage auch nicht, das angebliche Motiv "Hass" klar zu belegen.

USA: Zweifel an italienischer Justiz
Eine in Amandas Heimatstadt Seattle gewählte US-Senatorin, Maria Cantwell, äußerte unterdessen Zweifel an Italiens Justizsystem. "Eine antiamerikanische Haltung könnte das Gericht beeinflusst haben. Ich werde Außenministerin Hillary Clinton meine Zweifel mitteilen", erklärte Cantwell. Auch die in der umbrischen Metropole Perugia versammelten amerikanischen Medien hatten den wahren Schuldigen in der Mordaffäre schon lange ausgemacht - die italienischen Ermittler, die Spurensicherung und wohl auch die Justiz selbst - habe Knox für die Italiener doch von Anfang an die verdächtige Kombination von Schönheit und Bösem repräsentiert. "Der Prozess ist in den Augen von vielen von uns ein Skandal. Nichts beweist, dass Amanda Knox am Tatort war. Zero", schrieb etwa die "New York Times", von den italienischen Blättern zitiert.

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