"Liebe Familie Flick. Es ist mir eine große Freude, mit Ihnen in Kontakt treten zu dürfen." Was sich am 11. Dezember 2008 auf den ersten Blick wie das Schreiben eines Verehrers der Milliardärsfamilie ausnahm, legte schon im nächsten Satz offen, worum es dem Absender tatsächlich ging, denn: "Ich bin der Grabräuber. Aber seien Sie unbesorgt, der Sarg ist unbeschädigt. Wenn Sie die Leiche zurückhaben wollen, zahlen Sie sechs Millionen Euro. Und schalten Sie auf keinen Fall die Polizei ein!"
Katz-und-Maus-Spiel mit Super-Kriminellen
Klare Worte, die da aus einem Internet-Café anonym an die Flicks in Kärnten gerichtet waren. Doch die Flicks schalteten sehr wohl die Exekutive ein. Und von da weg begann ein Katz-und-Maus-Spiel mit einem gewieften Super-Kriminellen und dessen Schergen, das erst vergangenes Wochenende, nach mehr als einem Jahr, sein Ende fand. Hier die Chronologie einer Entführung:
11. 12. 2008: Der Erpresserbrief erreicht die Flicks. Sonderermittler verfolgen die Spur des E-Mail-Schreibers nach Budapest. Erst im Juni 2009 gelingt die Kontaktaufnahme mit den Erpressern – via Mail. Es wird (im Namen der Flicks) vereinbart, 100.000 Euro als Erstzahlung zu leisten. Bedingung: ein Beweis, dass der Sarg in ihrem Besitz ist.
Ein Bote, ein wegen Polizistenmordes in Rumänien gesuchter 45-Jähriger, taucht in Wien auf und hinterlegt im Stephansdom unter einem Sitz eine Nachricht. Die führt zu einem Schließfach auf dem Westbahnhof. Darin: eine Phiole mit Hinweisen, die nur der Sargdieb kennt. 100.000 Euro wechseln den Besitzer.
20. 10. 2009: Neuerlicher Kontakt mit den Räubern – wieder per Boten im Stephansdom. Diesmal taucht ein 31-Jähriger auf und hinterlegt Teile des Leichentuchs. Die Falle schnappt zu – denn ab nun observieren Fahnder den Handlanger rund um die Uhr. Als er eines Tages am Handy einen Budapester Anwalt anruft, gerät auch er ins Visier der Ermittler. In ihm wird das Superhirn vermutet – die Polizei will jedoch abwarten. Denn der Sarg bleibt vorerst verschwunden.
Inzwischen sind die Ermittler um einige Schritte weiter. Was die Polizei aber nicht weiß: Die Flicks haben über Mittelsmänner eine "Sicherheitstruppe" angeheuert, die ebenfalls Jagd auf die Räuber macht. Ein Mittäter merkt eines Tages, dass er von den Privat-Sheriffs observiert wird. Es kommt zur direkten Konfrontation. Und es wird, ebenfalls ohne Wissen der Polizei, eine Rückgabe des Leichnams vereinbart. Bis dahin sind Sarkophag und Sarg, wohlweislich getrennt, in verschiedenen Bezirken Budapests versteckt gewesen – zuletzt in einer Garage, inmitten von Computern und Gerümpel.
29. November 2009: Die Verhaftung des Superhirns in Budapest – und des Boten. "Grizzly", so der Spitzname des Handlangers, und die anderen sind flüchtig. Sie hatten den Diebstahl bei Nacht und Nebel abgewickelt und den Sarg per Ford Transit nach Ungarn gebracht – für den Spottlohn von je 200.000 Forint, umgerechnet rund 730 Euro. Den Rest hat der Drahtzieher eingestreift. Bei der Verhaftung wird Beweismaterial in seiner Wohnung sichergestellt – dennoch leugnet der Anwalt beharrlich.
Doch damit hat die Geschichte ihr Ende noch nicht erreicht. Denn was den Fahndern, Ungarn wie Österreichern, fehlt, ist der Sarg samt Leichnam. Der ist in der Zwischenzeit auf dem Weg nach Kärnten – eingefädelt haben den Deal die "Sicherheitsleute" der Flicks, weitere 100.000 Euro sollen geflossen sein.
War der Anwalt das alleinige Superhirn?
Bleibt nur noch die eine Frage mit dem bitteren Beigeschmack: War der Anwalt tatsächlich das alleinige Superhirn – oder steckt hinter alledem nicht doch eine sehr viel größere Idee?
von Christoph Matzl, Thomas Schrems und Erich Schönauer (Kronen Zeitung) und krone.at
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