Neue EU-Regelungen

Was die ÖBB bei Verspätungen wirklich erstatten

Österreich
03.12.2009 09:01
Mit dem 3. Dezember gelten EU-weit mehr Rechte für Fahrgäste von Verkehrsbetrieben. Die ÖBB müssen jetzt bei Verspätungen bis zu 50 Prozent des Fahrpreises erstatten. Und zwar nicht mehr wie bisher nur mit Gutscheinen, sondern auf Wunsch auch in bar. Aufgrund der derzeitigen Baustellen-Situation kommt da einiges auf die Bundesbahnen zu, möchte man meinen. Für Kurzstreckenreisende und Pendler wurden jedoch eine Reihe von Ausschließungsgründen und Hürden in die sogenannten Fahrgastrechte inkludiert.

"Kunden haben ein Recht auf Entschädigung bei groben Verspätungen, die das Unternehmen verschuldet. Wir werden die Vorgaben der EU punktgenau umsetzen und damit einen klaren Impuls in Richtung Kundenfreundlichkeit setzen", versprach Gabriele Lutter, Vorstandssprecherin der ÖBB-Personenverkehr AG, am Mittwoch, dem Tag vor dem Inkrafttreten der EU-Regelungen. 

Geld, Snacks und Erfrischungen
Bisher gab es von den ÖBB bei Tageszügen ab einer Stunde und bei Nachtzügen ab zwei Stunden Verspätung 20 Prozent des Fahrpreises (jedoch maximal 80 Euro) per Gutschein zurück, allerdings nur, wenn das Ticket mindestens 20 Euro im nationalen bzw. mindestens 50 Euro im Fernverkehr gekostet hat. Pro Jahr wurden auf diesem Weg "einige zehntausend Euro" rückerstattet, so die ÖBB. 2008 haben die ÖBB 456 Millionen Fahrgäste (sprich: Einzelfahrten) gezählt.

Ab sofort stehen Kunden bei Verspätungen ab 60 Minuten 25 Prozent des Fahrpreises zu, bei 120 Minuten 50 Prozent des Ticketpreises - wahlweise als Gutschein oder Bargeld. Die Bahn muss bei Verspätungen von mehr als einer Stunde ihren Fahrgästen auch Erfrischungen und Mahlzeiten anbieten, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder "vernünftigerweise lieferbar" sind, wie es heißt. Wird der letzte Anschlusszug versäumt, werden Taxikosten bis maximal 50 Euro und/oder Hotelkosten bis maximal 80 Euro gegen Vorlage der Rechnung ersetzt. Vorraussetzung ist jeweils, dass die ÖBB die Verspätung verschuldet haben, wie die Bahn betont.

Schwelle liegt bei vier Euro - Monatskarten gehen leer aus 
Für Fahrgäste auf kürzeren Strecken um die 100 Kilometer und Pendler, von denen ein nicht unerheblicher Teil mit Wochen- oder Monatskarten verkehrt, werden Entschädigungsforderungen weniger einfach bzw. gibt es für sie einige unüberwindbare Hürden: Liegt der Entschädigungswert nämlich unter vier Euro – bei 25% Rückerstattung ab einer Stunde Verspätung fallen z.B. Fahrten aus den Umgebungsregionen der Ballungsräume in die jeweiligen Großstädte in diese Kategorie – zahlen die ÖBB gar nichts. 

Für Besitzer von Wochen und Monatskarten gibt es prinzipiell keine Entschädigung, wie den Fahrgastrechten auf der ÖBB-Website (siehe Infobox) zu entnehmen ist. Man könne bei diesen Kartenbesitzern nicht prüfen, ob sie tatsächlich in einem der verspäteten Züge saßen. Ob es Geld gibt, wenn der Kunde einen Beweis erbringen kann, ist letztlich eine Frage der Kulanz.

Rechenspiele bei Jahreskarten
Jahreskartenbesitzer werden anhand einer Pünktlichkeitsquote entschädigt. Die ÖBB verpflichten sich im Nahverkehr zu einer Pünktlichkeit von mindestens 90 Prozent, d.h. weniger als 10 Prozent der Züge dürfen verspätet sein. Ein Zug gilt bei den Bundesbahnen dann als verspätet, wenn er mehr als 5 Minuten hinter dem planmäßigen Halt unterwegs ist. Der Wert wird vom Schienenregulator monatlich evaluiert, so die Bahn. Wird das Ziel auf bestimmten Strecken und Streckenabschnitten nicht erreicht, erhält der Besitzer einer Jahreskarte in einem Verkehrsverbund 10 Prozent des Werts einer Monatskarte zurück. 

Um einen Überblick zu haben, wo die Pendler jeweils unterwegs sind, wollen die ÖBB die Jahreskartenbesitzer demnächst von den Neuerungen informieren und bitten, ihre tägliche Fahrroute anzugeben. Die Rückerstattung erfolgt als Gutschein oder auf das Konto und geschieht automatisch am Jahresende bzw. mit dem Ablauf der Jahreskarte. Bei der Vorstellung der neuen Fahrpläne im Herbst haben die ÖBB übrigens angegeben, im Nahverkehr eine selbstgemessene Püntklichkeitsquote von 90 Prozent zu erreichen. Im Fernverkehr beträgt die Quote laut ÖBB 75 Prozent.

Kein Anspruch auf Entschädigung besteht weiters, ...

  • wenn der Reisende vor Kauf des Beförderungsausweises über mögliche Verspätungen informiert wurde 
  • wenn bei der Fortsetzung der Reise mit einem anderen Verkehrsdienst oder über eine andere Strecke die Verspätung bei der Ankunft am Zielort weniger als 60 Minuten beträgt 
  • bei Verschulden des Reisenden 
  • bei Verhalten eines Dritten, das die ÖBB-Personenverkehr AG trotz Anwendung der nach Lage des Falles notwendigen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen sie nicht abwenden konnte (Anm. d. Red.: Verkehrsunfälle etc.) 
  • bei Vorliegen eines außerhalb des Eisenbahnbetriebes liegenden Umstandes, den die ÖBB-Personenverkehr AG trotz Anwendung der nach Lage des Falles notwendigen Sorgfalt nicht vermeiden und dessen Folgen sie nicht abwenden konnte (Anm. d. Red.: also Schneechaos, Naturkatastrophen etc.) 
  • bei Verkehrsbeschränkungen infolge Streiks, wenn der Reisende hierüber angemessen informiert wurde

Entschädigungsformular an allen ÖBB-Kassen
Die Entschädigungsansprüch werden mithilfe eines Formulars an die Bundesbahnen gestellt. Das Zettelchen ist an allen Personenkassen und beim Zugbegleiter erhältlich und auf der ÖBB-Website herunterzuladen und muss dann zusammen mit Original-Ticket (bei Jahreskarten natürlich nicht) und eventuellen Rechnungen an die ÖBB-Personenverkehr, Fahrgastrechte, Postfach 75, 1020 Wien gesendet bzw. am Bahnschalter abgegeben werden.

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