Das große Interview

Wie geht es Ihrem Bruder, Herr Lauda?

Österreich
05.08.2018 06:00

Er saß am Krankenbett, nachdem Niki Lauda am Nürburgring fast verbrannt wäre. Als 1997 Laudas Niere versagte, spendete er ihm seine eigene. Mit Conny Bischofberger spricht Florian Lauda (68) über Schicksalstage für seinen großen Bruder und die heilende Kraft positiver Gedanken.

Café Imperial am Wiener Kärntner Ring, Tisch 37. Dort, wo normalerweise Niki Lauda frühstückt, hat an diesem Samstagmorgen Florian Lauda Platz genommen. „Manchmal, wenn ich sein Auto vor der Tür gesehen habe, habe ich vorbeigeschaut“, erzählt er. Niki habe sich stets gefreut, „Was gibt’s?“ gefragt und dann habe man kurz geplaudert. „Ich hoffe, er sitzt bald wieder da.“ Herr Harald, der Oberkellner, nickt. „Wir vermissen ihn alle sehr.“ Kurz überlegt Florian, ein „Lauda-Frühstück“ zu bestellen, das hier auf der Karte steht, aber ihm ist nach der Organtransplantation, der sich sein Bruder am vergangenen Donnerstag unterziehen musste, nicht nach Essen zumute…

Niki Laudas Bruder Florian im Gespäch mit Conny Bischofberger im Café Imperial (Bild: Gerhard Bartel)
Niki Laudas Bruder Florian im Gespäch mit Conny Bischofberger im Café Imperial
Im Wiener Café Imperial ist ein Frühstück nach Niki Lauda benannt. (Bild: Gerhard Bartel)
Im Wiener Café Imperial ist ein Frühstück nach Niki Lauda benannt.

„Krone“: Herr Lauda, seit wann wissen Sie, dass es Niki Lauda nicht gut geht?
 
Schon seit einigen Wochen. Mir ist aufgefallen, dass er beim Grand Prix von Silverstone - da habe ich ein Interview mit ihm im Fernsehen gesehen - gehustet hat, aber tief aus der Lunge heraus. Am nächsten Tag habe ich mit ihm telefoniert und gesagt: „Du hustest aber ordentlich, bitte lass dir das anschauen!“ Aber wir wissen ja, wie er ist: Er ist trotzdem nach Ibiza geflogen, weil er dachte, dass die Meeresluft und die Sonne und die Ruhe ihm guttun würden. Das letzte Mal gesehen habe ich ihn vor ungefähr zwei Wochen. Da sind wir uns mit den Autos auf der Hohen Warte begegnet und ich habe ihn gefragt: „Hast du schon deine Lunge untersuchen lassen?“ Er meinte: „Nein, aber ich komme gerade aus Ibiza und fahre jetzt ins AKH.“

Stimmt es, dass er selber nach Wien geflogen ist?
 
Ja, aber natürlich mit einem Kopiloten. Im AKH hat man dann offenbar eine Lungenentzündung diagnostiziert. Und es wurde bald klar, dass er eine neue Lunge braucht.

Wie geht es ihm jetzt?
 
Er schläft… Die Ärzte wollen ihn aber demnächst, noch an diesem Wochenende, aufwecken. Das ist ein Prozess, das wird dauern. Organe funktionieren alle gut, aber natürlich ist so eine Transplantation dramatisch. Sieben Stunden Operation, das muss man sich einmal vorstellen. (Anm.: Das Interview wurde Samstagvormittag geführt, Lauda ist mittlerweile aus dem künstlichen Tiefschlaf erwacht.)

Haben Sie Angst um ihn?
 
Komischerweise gar nicht. Auch seine Frau Birgit, mit der ich jeden Tag telefoniere, ist ganz zuversichtlich. Da vermischt sich mein Gefühl natürlich auch mit viel Hoffnung. Wir sind guter Dinge, weil auch die Ärzte optimistisch sind. Der Herr Professor Klopetko ist ja eine Koryphäe auf diesem Gebiet, es ist ein Riesenglück, dass wir den in Wien haben und man kann den Ärzten im AKH gar nicht oft genug danken.

Sie haben Ihr Gefühl erwähnt. Was ist das genau für ein Gefühl?
 
Ich kann jederzeit eine innere Verbindung zu meinem Bruder aufbauen. Wenn ich das mache, dann sehe ich ihn sehr lebendig, sehr stark vor mir. Niki hat einen unzerstörbaren Überlebenswillen. Im Moment bekommt er von all dem nichts mit, aber sobald er zurückkommt, wird er sicher wieder der Alte sein und kämpfen. Wahrscheinlich muss man ihn dann anbinden, damit er nicht gleich aufstehen und wegrennen will. Er hat eine enorme Energie, wie wir alle wissen. Eine positive Energie, denn ich habe ihn eigentlich nie schlecht gelaunt erlebt.

Hat er sich mit dem Rückkauf seiner Airline vielleicht übernommen?
 
Ich habe ihn einmal gefragt: „Wieso tust du dir das alles eigentlich noch an?“ Er hat gesagt: „Ich hab so viel Wissen in dem Bereich, das will ich nicht ungenützt lassen.“ Zuletzt hat er aber gesehen, dass sich das alles nicht mehr ausgeht und hat noch im Spital versucht, auszusteigen. Da wird sich auch sicher eine Lösung finden.

Ihr Bruder hat jetzt zwei fremde Nieren und eine fremde Lunge…
 
Er ist ein Kapitalist! - Lacht. - Natürlich, mit transplantierten Organen ist man immer verletzlicher als mit eigenen. Er muss auch einiges dafür tun, dass das alles im Gleichgewicht bleibt. Die täglichen Medikamente, das ist nicht harmlos. Ich bewundere ihn, er macht da wirklich viel durch und hört sehr genau auf seine Ärzte.

(Bild: Gerhard Bartel)
(Bild: Gerhard Bartel)

Eine seiner fremden Nieren stammt von Ihnen. War das selbstverständlich, dass Sie ihm eine Niere spenden?
 
Man kann doch nicht den Bruder sterben lassen, wenn man ihm helfen kann. Ich weiß aus meinem Medizinstudium, dass man mit einer Niere gut leben kann und deshalb gab es für mich überhaupt keinen Zweifel.

Hat sich Ihr Verhältnis nach der Nierenspende geändert?
 
Es ist in all den Jahren eigentlich immer ungefähr gleich geblieben. Ich hab mein Leben immer einfach gehalten, während Niki sich über Arbeit und Erfolg definiert. Für mich bedeutet Erfolg, dass ich zufrieden bin. Ich wollte nie das machen, was man Karriere nennt. Seit Niki die Zwillinge hat, ist er aber viel herzlicher geworden. Das vorletzte Mal, als wir uns gesehen haben, meinte er: „Komm doch öfter!“

Sie sind auch nach dem Feuerunfall an Nürburgring an seinem Bett gesessen.
 
Damals sah es wirklich nicht gut aus. Durch das Feuer sind giftige und wahnsinnig heiße Dämpfe in seine Lunge gelangt. Ich hab ihn gefragt: „Sag einmal, was führst denn auf?“ Das würde ich ihn gerne bald wieder fragen. Aber Niki braucht jetzt Ruhe, keine Besuche. Und viel Geduld.

Glauben Sie, dass die Transplantation eine Spätfolge dieser Verletzungen war?
 
Das ist immer schwer zu sagen. Natürlich sind seine Lungen durch den Unfall anfälliger.

Welche Erinnerung taucht auf, wenn Sie an Ihre gemeinsame Kindheit in Wien-Pötzleinsdorf denken?
 
Da ist Lotte, unsere Kinderfrau, wir haben sie sehr gerne gehabt. Als sie uns verlassen hat, haben unsere Eltern gemeint, sie sollte sich gar nicht verabschieden, weil wir sonst traurig wären. Ich kann mich erinnern, dass ich sehr geweint habe…

Niki auch?
 
Daran kann ich mich nicht erinnern. Niki sehe ich - da ist er ungefähr zwölf - wie er heimlich die Autos unserer Gäste im Hof umparkt. In der Papierfabrik unseres Großvaters war er immer beim Mechaniker in der Werkstatt und wollte wissen, wie alles funktioniert. Mich hat eher interessiert, wie Körper und Geist funktionieren. Also wir waren schon damals sehr verschieden.

Was denkt eigentlich der Buddhist in Ihnen über diese Schicksalstage, an denen sich entscheidet, ob Niki Lauda die Transplantation gut übersteht?
 Ich bin überzeugt, dass viele Dinge außerhalb des sichtbaren Spektrums passieren. Also man sieht sie nicht, trotzdem existieren sie. Gedanken zum Beispiel haben eine große Macht. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt alle in Liebe an ihn denken, ihm positive Gedanken schicken.

(Bild: Gerhard Bartel)
Niki Lauda mit seinem Bruder Florian in Spielberg (Bild: APA/Karl Schöndorfer)
Niki Lauda mit seinem Bruder Florian in Spielberg

Glauben Sie, dass Ihr Bruder das spürt?
 
Selbstverständlich. Niki ist in Wahrheit ein sehr achtsamer Mensch, er registriert auch Dinge, auf die man normalerweise nicht achtet. Gut, im Moment schläft er noch, aber ich glaube, dass Gedanken das Energiefeld einer Person trotzdem berühren, weil das im Unterbewusstsein geschieht. Ich habe einmal einem hohen tibetischen Lama sein Bild gezeigt… Er hat dann etwas sehr Schönes über Niki gesagt.

Was denn?
 
„He ist kind of a realized person“ - er ist ein verwirklichter Mensch. Und das stimmt.

Beten Sie auch für ihn?
 
Jeder gute Gedanke, jeder Wunsch ist wie ein Gebet.

Außer, dass beim Gebet eine höhere Macht dazwischengeschaltet ist…
 
Die höhere Macht tragen wir alle in uns. Ich wünsche Niki, dass er wieder zu Kräften kommt und dass er sein Leben bald wieder so leben kann, wie er es will und muss.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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