Ende für Hilfsgelder
Griechenland: Happy End oder nur eine Atempause?
Fast ein Jahrzehnt lastete Griechenlands Finanz-Drama auf Europa. Der Zusammenbruch des Euro oder ein Austritt aus der Gemeinschaftswährung schien denkbar. Nach strikten Sparprogrammen und Milliardenkrediten muss das Land ab Montag selbst zurechtkommen. Die wahre Bewährungsprobe kommt noch.
Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou hatte es geahnt: „Uns steht eine neue Odyssee bevor“, sagte der Sozialist, als er am 23. April 2010 einen Hilferuf an die EU und den Internationalen Währungsfonds (IWF) richtete. Sein Land stand damals kurz vor dem finanziellen Kollaps. Es folgte ein in der Geschichte der EU und des Euro beispielloses Drama. Am Montag läuft nun das dritte Hilfspaket aus, danach muss Athen sich nach Jahren der Sparprogramme und internationalen Hilfskredite wieder selbst finanzieren. Ob das langfristig klappt, ist keineswegs sicher.
Doch der Reihe nach: Die Krise hatte viele Ursachen. Dazu gehörte sicher maßgeblich, dass Griechenland unter Vetternwirtschaft, Korruption und einem überbordenden Verwaltungsapparat litt. Vor allem nach dem Euro-Beitritt 2002 überstiegen die Staatsausgaben die Einnahmen erheblich, wegen undurchsichtiger Statistiken jedoch war das Ausmaß der Verschuldung lange unklar. Papandreou konnte noch 2009 die Wahlen mit dem Slogan „Geld gibt es“ für sich entscheiden.
Resignation nach Gewaltausbrüchen
Nach seinem Hilferuf 2010 hoben die Euro-Partner praktisch aus dem Stegreif ein milliardenschweres Hilfsprogramm aus der Taufe - im Gegenzug für Reform- und Sparmaßnahmen. Die Europäische Union war auf eine solche Situation kaum vorbereitet, Angst vor einer „Ansteckung“ der gesamten Eurozone griff um sich.
Derweil verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage in Griechenland zunehmend. Die Arbeitslosigkeit schnellte auf mehr als 25 Prozent hoch, die Bürger verloren teils mehr als 25 Prozent ihres Einkommens. Im Zentrum Athens kamen bei Gewaltausbrüchen während großer Demonstrationen mehrere Menschen ums Leben. Die „Troika“ aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF, die die Sparprogramme überwachte, wurde für große Teile der Bevölkerung zum Feindbild.
Europas Albtraum mit Yanis Varoufakis
Von der Stimmung profitierte ein neuer Politstar: Der 1974 geborene Alexis Tsipras gewann mit seiner ursprünglich kleinen Linkspartei Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) an Popularität. „Alexis“, wie ihn seine Anhänger nennen, versprach ein Ende aller Sparprogramme. Im Januar 2015 gewann Tsipras die Wahlen. Tsipras verfolgte fortan eine einfache Strategie. Die Sparprogramme sollten abgeschafft werden, Griechenland praktisch bedingungslos unter die Arme gegriffen werden, weil sonst die gesamte Eurozone ins Wanken geraten würde. Zum größten Verfechter dieser Maßgabe entwickelte sich sein damaliger Finanzminister, Yanis Varoufakis.
Die große Kehrtwende des Alexis Tsipras
Was folgte, waren schier endlose Nachtsitzungen in Brüssel. Tsipras ging so weit, im Sommer 2015 Kredite des IWF nicht rechtzeitig zurückzuzahlen. Im Juli stellte er dann die Bevölkerung bei einem Referendum vor die Frage, ob sie ein weiteres Sparprogramm akzeptieren würde. Die Antwort war eindeutig: nein. Um einen Staatsbankrott und ein mögliches Ausscheiden aus der Eurozone abzuwenden, vollführte Tsipras jedoch eine politische Kehrtwende. Er entließ Varoufakis und akzeptierte ein striktes drittes Sparprogramm. Die geforderten Spar- und Reformmaßnahmen setzte er praktisch klaglos um, kürzte Renten und erhöhte Steuern.
400.000 gut ausgebildete junge Menschen haben Land verlassen
Tsipras steht nun vor neuen Problemen. In Umfragen liegt er etwa zehn Prozentpunkte hinter den Konservativen. Noch immer ist fast jeder Fünfte arbeitslos. Mehr als 400.000 gut ausgebildete junge Menschen haben das Land verlassen. „Der griechische Patient ist nicht endgültig genesen“, sagt der Wirtschaftsprofessor Panagiotis Petrakis. „Die Finanzmärkte werden bewerten, ob die Finanzspritzen und Reformen wirksam waren oder ob andere Lösungen, etwa ein Schuldenschnitt, notwendig sind.“
Entscheidend dürfte sein, ob Griechenland künftig genug Investitionen sichern kann. In den nächsten Monaten muss Athen zudem noch intensivere Kontrollen der Euro-Partner dulden. Für den Schritt aus dem Hilfsprogramm stehen nun außerdem 24 Milliarden Euro von den Gläubigern und aus eigenen Mitteln bereit. Knapp zwei Jahre könnte Athen sich damit im äußersten Fall finanzieren.
Die Rosskur ist noch lange nicht zu Ende
Doch das Land muss viel länger Kurs halten. Noch immer türmt sich in Athen ein gewaltiger Schuldenberg in Höhe von etwa 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - der mit Abstand höchste Wert in Europa. Seit Beginn der Krise sind sowohl die Wirtschaftskraft des Landes als auch das Pro-Kopf-Einkommen enorm geschrumpft.
Land hat Schuldenlast bis 2060
Bis 2022 muss Athen nach der Einigung mit der Eurogruppe jährlich im Haushalt 3,5 Prozent Primärüberschuss - also ohne Ausgaben zum Schuldendienst - erzielen. Bis 2060 soll er dann bei 2,2 Prozent liegen. In der griechischen Finanzpresse mehren sich Zweifel, ob das realistisch sei. „Die schwierigen Entscheidungen werden wieder einmal verschoben“, sagt ein hoher Funktionär des Athener Finanzministeriums mit Blick auf mögliche Schuldenerleichterungen. Nach derzeitigem Plan will sich die Eurogruppe im Jahr 2032 wieder mit Griechenland beschäftigen. Im schlimmsten Fall könnte es viel früher nötig werden.
Kronen Zeitung
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