Gäbe es Volvo nicht, das am Markt verfügbare Autodesign wäre um ein ganzes Stück ärmer. Kühl und doch einladend, klar und doch verspielt. Ja, wir sind Fans der Marke, und der neue Volvo XC40 stand ganz weit oben auf der Kandidatenliste der Beifahrerin als Nachfolger für ihr Kompakt-SUV. Doch dann kam der Testwagen, ein Volvo XC40 D4 (bzw. deren zwei, aber dazu später), und die Liste musste neu geschrieben werden.
Zunächst einmal ist auf den ersten Blick nichts auszusetzen. Der neue Schwede steht für ein Kompakt-SUV recht massiv da, die Scheinwerfer zeigen, wo Thors Hammer leuchtet, und das Zuckerlblau würde sich kaum ein anderer Hersteller trauen. Mit dem kontrastweiß abgesetzten Dach macht es aber richtig was her.
Unfassbar cool ist die kleine schwedische Flagge, die aus der Motorhaube heraushängt wie ein Wäschezeichen. So cool, dass es sicher bald von anderen Herstellern aufgegriffen wird, vermutlich zuerst von Mini mit einem Union Jack, aber das nur am Rande. Wir lieben solche Spielereien, aber nur, wenn sie nicht so epidemisch grassieren wie Markenlogos, die nachts neben das Auto projiziert werden.
Der Innenraum ist herrlich aufgeräumt, die Materialien auf höchstem Niveau, die Fußmatten aus recycelten Plastikflaschen sind gut fürs Gewissen. Kaum Knöpfe und Schalter durchbrechen das ebenso schlichte wie ansprechende Design. Umso mehr fällt der Blick auf den ziemlich großen, angenehm zu fassenden Lautstärkeregler. Der allein wäre schon ein Kaufargument, ja, so will man seine Musik in die Hand nehmen. Dass es etwas komplizierter ist als anderswo, sie abzuspielen, liegt an der gewöhnungsbedürftigen Bedienung über den Touchscreen, die wir aus den größeren Volvo-Modellen kennen. Viele Funktionen sind versteckt, außerdem muss man sehr genau und rutschfrei drauftippen. Grundsätzlich eine gute Idee ist der hochformatige Bildschirm, weil hilfreich beim Navigieren (bei fahrtweisender Ausrichtung).
Schrullig ist der Automatikwählhebel, genauer gesagt seine Logik. Nicht nur einmal habe ich den Motor im Leerlauf aufheulen lassen. Warum? Um einen Gang einzulegen, muss man zweimal nach hinten drücken statt einmal; für den Rückwärtsgang zweimal nach vorn. Um die Gänge manuell zu wechseln, zieht man den Hebel ein weiteres Mal nach hinten, dann kippt man ihn links/rechts für runter/rauf. Schaltpaddles? Fehlanzeige.
Gutes Platzangebot, vor allem vorn
Man sitzt gut im Volvo, allerdings ist die Mittelarmlehne zu kurz und nicht verschiebbar. Dafür befindet sich direkt davor eine kleine Klappe, die einen Mini-Mistkübel verschließt. Clever. Auf den Rücksitzen ist ausreichend Platz, auch für die Knie. Aber: Die Rückbank ist eher eine Strafbank, sie ist zu niedrig und die Sitzfläche ist zu kurz. Da will man nicht auf große Tour gehen. Raum fürs Gepäck wäre genug: 460 bis 1336 Liter passen hinter die elektrische Heckklappe des 4,43 Meter langen Schweden, und der Kofferraum ist auch noch herrlich variabel. Sein doppelter Boden lässt sich aufstellen oder wegklappen, die Rücksitzlehne macht sich fernbedient flach (siehe Video).
Entspanntes Gleiten ausgeschlossen.
So weit so gut, und wem die Soft skills reichen, wird mit dem Volvo XC40 wahrscheinlich glücklich werden, doch auf Dauer wird man ihn auch fahren wollen - und das macht er weniger gut.
Der Motor des Testwagens ist der Top-Diesel, ein Zweiliter-Turbo namens D4 mit 190 PS und kräftigen 400 Nm ab 1750 Umdrehungen pro Minute. Geschaltet wird via Achtgangautomatik - und zwar leider öfter, als einem lieb sein kann. Gleitet man entspannt dahin und gibt nur eine winzige Spur mehr Gas, schaltet sie sofort einen Gang herunter, die Drehzahl steigt, das Auto macht einen Satz. Und so geht das die ganze Zeit. Statt entspanntem Cruisen bedeutet das dauerndes Rauf- und Runter-Geschalte und damit Geruckel. Andererseits erweist sich die Automatik als träge, wenn es wirklich darum geht, schnell für mehr Vortrieb zu sorgen.
Der Motor an sich macht seine Sache gut, klingt nur in kaltem Zustand etwas rau und beschleunigt das ohne Fahrer 1748 kg schwere Allrad-SUV in 7,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, maximal sind 210 km/h drin. Nicht allzu günstig ist der Testverbrauch: 8,2 Liter auf 100 Kilometer. Das Tanken fällt jedoch leicht: Man braucht keinen Tankdeckel aufzuschrauben.
Nicht ohne Dröhnen
Das Fahrwerk des Volvo XC40 ist etwas unausgeglichen abgestimmt. Bei kurzen Stößen spricht es hart an, auf langen Wellen wirkt es schaukelig. Zieht man die maximal möglichen 21-Zoll-Räder statt der 19-Zöller auf, wird die Härte wahrscheinlich noch deutlicher spürbar.
Das könnte man noch als Jammern auf hohem Niveau abtun, schließlich haben SUVs generell das Problem, dass sie ihren hohen Schwerpunkt mit Härte ausgleichen müssen, aber dennoch eine gewisse Sanftheit an den Tag legen sollen. Was aber auf Dauer wirklich nervt, ist ein dauerndes Dröhnen, das sich im Innenraum aufbaut, etwa ab 80 oder 100 km/h. Das stammt vermutlich daher, dass das Fahrwerk nicht ausreichend von der Karosserie entkoppelt ist. Sogar wenn man glaubt, die Fahrbahn sei völlig glatt, übertragen sich feinste Schwingungen über die abrollenden Räder in den Aufbau.
Um eine Fehlfunktion oder einfach nur schlecht gewuchtete Räder auszuschließen, habe ich zum einen den Wagen bei Volvo Grünzweig in Mödling überprüfen lassen, zum anderen einen zweiten Testwagen mit der gleichen Konfiguration bei Volvo Austria angefordert. Das Ergebnis: alles in Ordnung beim ersten, aber das gleiche Dröhnen beim zweiten Testwagen.
Unterm Strich
Im Kreis der Premium-Kompakt-SUVs ist der Volvo XC40 eigentlich wohlfeil, der Testwagen kommt mit jeder Menge Extras (von in die Wischer integrierten Waschdüsen über Navi und Voll-LEDs bis zur elektrischen Anhängerkupplung) auf 56.000 Euro (Basispreis XC40 T3: 31.900 Euro; D4: 42.800 Euro). Aber: Er müsste sich ganz einfach so gut fahren, wie er aussieht.
Warum?
Weil er ein schönes Designstück ist
Warum nicht?
Weil er sich einfach nicht gut fährt
Oder vielleicht …
… BMW X1 oder X2, Audi Q3, VW Tiguan, Jaguar E-Pace
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