Papst stellt klar:
Missbrauchsfälle in Irland sind „schwerer Skandal“
Mit großer Spannung wurde die Rede von Papst Franziskus zu Beginn seiner Irland-Reise angesichts der neu aufgeflammten Debatte über Missbrauchsskandale in dem erzkatholischen Land erwartet. Und tatsächlich ist das Oberhaupt der katholischen Kirche auf die „abscheulichen Verbrechen“ an Minderjährigen ausführlich eingegangen. Er müsse den „schweren Skandal“ anerkennen, der durch Mitglieder der Kirche verursacht worden sei, „die beauftragt waren, Minderjährige zu schützen und zu erziehen“, sagte der Papst am Samstag im Schloss von Dublin vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft.
Franziskus räumte ein „Versäumnis“ von Bischöfen, Ordensoberen und anderen Verantwortungsträgern ein, auf die Vergehen an Minderjährigen angemessen zu reagieren. Dies habe „zu Recht Empörung hervorgerufen“ und bleibe „eine Ursache von Leid und Scham für die katholische Gemeinschaft“. Zum Thema Aufarbeitung verwies er auf seinen Vorgänger Benedikt XVI. Dessen „freimütiges und entschlossenes Eingreifen“ sei weiterhin Ansporn, strenge Regeln zu erlassen, damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholten, sagte Franziskus in seiner von Applaus nicht unterbrochenen Rede.
Neue Beziehungen nach „Wolken am Horizont“?
Auf frühere Spannungen zwischen Irland und dem Vatikan spielte Franziskus mit einer „vorübergehenden Wolke am Horizont“ an. Ende 2011 hatte Dublin seine Botschaft beim Heiligen Stuhl geschlossen und dafür Sparzwänge geltend gemacht. Im Hintergrund stand eine Auseinandersetzung über den kirchlichen Umgang mit sexuellem Missbrauch. Der damalige Premierminister Enda Kenny warf dem Vatikan damals vor, Ermittlungen zu sabotieren. Zeitweilig berief auch der Vatikan seinen Nuntius aus Irland ab.
Nun hofft aber der amtierende Premier Leo Varadkar auf neue Beziehungen zwischen der Kirche und Irland. Bei einem Empfang des Papstes im Schloss von Dublin verwies Varadkar auf eine wachsende Diversität der irischen Gesellschaft. In dem ehemals katholischen Land gehörten immer mehr Menschen anderen Glaubensrichtungen oder keiner organisierten Religionsgemeinschaft an. Irland sei „ein anderes Land als vor 39 Jahren“, sagte Varadkar. Damals fand der letzte Papstbesuch durch Johannes Paul II. statt.
Premierminister fordert von Franziskus „Null-Toleranz-Politik“
Konkrete Schritte verlangte der Regierungschef vom Kirchenoberhaupt auch bei der Aufarbeitung der Misshandlungen in katholischen Sozialeinrichtungen wie den „Magdalene Laudries“ und im Blick auf sexuellen Missbrauch durch Kleriker. Es gelte sicherzustellen, „dass aus Worten Taten folgen“, so Varadkar. Zwar habe die katholische Kirche über Generationen eine Lücke bei Gesundheitsfürsorge, Bildung und sozialen Dienstleistungen gefüllt, wofür Irland „zutiefst dankbar“ bleibe, betonte der Premierminister. Der irische Regierungschef verwies aber auch auf „dunkle Seiten“ der Kirchengeschichte und ein Versagen von Kirche, Staat und Gesellschaft, das ein bitteres Erbe hinterlassen habe. Varadkar sprach von einer „Geschichte des Leids und der Scham“.
Misshandlungen in katholischen Sozialeinrichtungen, illegale Adoptionen und sexueller Missbrauch hätten weiterhin offene Wunden hinterlassen, sagte Varadkar. Franziskus solle den Einfluss seines Amtes geltend machen, um „Gerechtigkeit und Wahrheit und Heilung für die Opfer und Überlebende“ in Irland und der ganzen Welt voranzubringen. Für diejenigen, die Kinder missbrauchten oder Missbrauch ermöglichten, könne es nur „Null Toleranz“ geben.
Liberalisierung der Familien- und Abtreibungsgesetze
Weiters stellte sich der Regierungschef hinter Liberalisierungen der Familien- und Abtreibungsgesetzgebung. Irische Abgeordnete und Bürger hätten erkannt, „dass Ehen nicht immer gelingen, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen sollten und dass Familien viele Formen haben können“, auch mit gleichgeschlechtlichen Partnern. Der seit Juni 2017 amtierende Premierminister lebt selbst mit einen männlichen Partner zusammen.
Das traditionell katholisch geprägte Irland hatte in einem Referendum im Mai für die Möglichkeit legaler Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche gestimmt. Bereits 1995 führten die Iren gegen den Willen der Kirche das Recht auf Scheidung und Wiederheirat ein. Seit 2015 können homosexuelle Paare heiraten.
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