Chaos in Kopenhagen
Konferenz-Chefin tritt ab – Klimagipfel droht zu scheitern
Hedegaard soll aber weiterhin für die Koordination informeller Beratungsrunden zuständig sein. Neuer Konferenzleiter ist nunmehr der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen.
Kritik an Hedegaards Verhandlungsführung
Die Verhandlungsführung Hedegaards hatte in den vergangenen Tagen bei einigen Delegationen Kritik hervorgerufen. Vor allem von Seiten einiger Entwicklungsländer war ihr vorgeworfen worden, sie würden nicht hinreichend in die Beratungen eingebunden. Dabei ging es unter anderem um eine informelle Beratungsrunde mit von der dänischen Präsidentschaft ausgewählten Ministern am Sonntag sowie um nach Ansicht einiger Delegierter zuvor nicht ausreichend abgestimmte Vorschläge, mit denen Hedegaard versuchte, die Verhandlungen voranzubringen.
Indes bereiten die Umweltminister für ihre Chefs in zähen Beratungen den Boden. Vor der Schlussrunde der mehr als 120 Staats- und Regierungschefs am Freitag wollen sich die Minister auf die Grundzüge eines Klimaabkommens geeinigt haben.
Auch zwei getrennte Abkommen möglich
Nach derzeitigem Verhandlungsstand dürften die beiden bisherigen Verhandlungsstränge der Konferenz auch in zwei getrennte Abkommen münden - einer setzt das Kyoto-Abkommen fort, dem die USA nie beigetreten sind, und das verpflichtende Reduzierungen von Treibhausgasen für die Industriestaaten vorsieht. Der andere Strang beruht auf der Klimakonvention von Rio de Janeiro im Jahr 1992, die alle Länder umfasst, aber noch keine bindenden Verpflichtungen enthält.
Weniger ehrgeiziges EU-Ziel nicht ausgeschlossen
Der schwedische Ministerpräsident und EU-Ratsvorsitzende Fredrik Reinfeldt hat nicht ausgeschlossen, dass die EU wegen fehlender Zusagen anderer Industrienationen von ihrem Ziel einer Reduktion der Treibhausgase um 30 Prozent bis 2020 abrückt. Reinfeldt sagte am Mittwoch, dieses EU-Ziel würde höhere Zusagen von den USA und Kanada voraussetzen. Derzeit sei dies aber nicht der Fall."
Die EU hat sich einseitig zu einem Abbau ihrer Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 bezogen auf das Basisjahr 1990 verpflichtet. Zugleich hat die EU betont, bis 2020 auch 30 Prozent reduzieren zu wollen, wenn vergleichbare internationale Angebote vorlägen. Die USA haben ein Minderungsziel von 17 Prozent bis 2020, allerdings bezogen auf das Basisjahr 2005. Umgerechnet auf das in der EU angewendete Basisjahr 1990 entspricht die US-Zusage nur einem Minus von vier Prozent. Dies sei "eine der Komplikationen" für die Verhandlungen in Kopenhagen, sagte Reinfeldt.
Ban: Langfristige Finanzzusagen nicht unbedingt nötig
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hält ein Klimaschutzabkommen inzwischen auch ohne feste finanzielle Zusagen an die Entwicklungsländer für denkbar: "Wir können diese Angelegenheit nächstes Jahr diskutieren." Bei Ausbleiben einer Einigung auf die Finanzen müsse die Konferenz ein "einleitendes System" finden. Die Entwicklungsländer verlangen ab 2020 jährliche Zahlungen über 100 Milliarden Dollar (70 Milliarden Euro) aus den Industriestaaten, um die Folgen des Klimawandels für sie abzumildern und sich selbst auf klimafreundliche Technologie umzustellen.
Entwicklungsländer drohen mit Scheitern des Gipfels
Die Entwicklungsländer drohen mit einem Scheitern des Klimagipfels, wenn die Industriestaaten keine kurzfristigen und langfristigen Finanzhilfen zusagen. Der Sprecher der in der Gruppe G77 zusammengeschlossenen Länder, Lumumba Stanislaus Di-Aping, reagierte am Mittwoch auf die Äußerungen von Ban. Di-Aping sagte: "Es müssen konkrete Beträge auf den Tisch. Eine andere Sicherheit gibt es für uns nicht." Die Industriestaaten haben bisher den Löwenanteil des globalen Temperaturanstiegs verursacht, unter dessen Folgen die ärmeren Länder am meisten zu leiden haben. Vor allem die USA wehren sich gegen langfristige Finanzzusagen an die Entwicklungs- und Schwellenländer.
Polizei löste Demos rund ums Tagungszentrum auf
Unterdessen hat die Polizei die Demonstrationen rund um das Tagungszentrum des UNO-Klimagipfels in Kopenhagen für aufgelöst erklärt. Beamte stürmten zunächst ein Fahrzeug, in dem sich die Leiter der Demonstration aufgehalten hatten, und nahmen deren Chefin fest. Insgesamt wurden bisher am Mittwoch rund um das Zentrum rund 200 Personen vorübergehend verhaftet und zum Teil mit Gruppeneinsatzfahrzeugen bereits in das extra für die Dauer des Gipfels eingerichtete Anhaltezentrum gebracht.
Einer Gruppe von fünf Demonstranten war es außerdem gelungen, die Sperre der Polizei rund um das Bella Center zu durchbrechen und in einem Kanal auf Luftmatratzen schwimmend auf das Tagungsgelände zu gelangen. Diese Personen wurden ebenfalls festgenommen.
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