Knalleffekt in der Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung: Wie das Oberlandesgericht Wien nun entschied, war die wochenlang in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium unter Herbert Kickl (FPÖ) vorbereitete Hausdurchsuchung nicht rechtmäßig. Mehrere Personen hatten Beschwerde gegen die Razzia der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingelegt. Mit dem Urteil wurde der Antrag auf Hausdurchsuchung nachträglich abgewiesen, was nun mit den beschlagnahmten Datenträgern und Unterlagen passiert, ist noch unklar. Justizminister Josef Moser (ÖVP) kündigte am Dienstagnachmittag eine umfassende Prüfung der Causa durch die Staatsanwaltschaft Korneuburg an. Darüber hinaus plant Moser eine Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes und kritisiert das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.
Der Justizskandal rund um das BVT ist um ein Kapitel reicher. Denn wie das OLG Wien nun entschied, war die Hausdurchsuchung am 28. Februar im BVT selbst sowie in den Privatwohnungen von drei der fünf Betroffenen nicht rechtmäßig. In einem Fall sah das OLG einen begründeten Verdacht gegeben, in einem weiteren Fall war das Gericht nicht zuständig, hieß es in einer Mitteilung. In den drei anderen Privatwohnungen seien keine beweisrelevanten Gegenstände zu erwarten gewesen. Im Bundesamt selbst hätte sich die WKStA die Beweismittel im Weg der Amtshilfe beschaffen müssen. Da sich nicht abgezeichnet habe, dass einem Amtshilfeersuchen nicht stattgegeben würde, „erweist sich fallbezogen der Eingriff in den Wirkungsbereich einer mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Behörde ... als nicht verhältnismäßig“, stellte das OLG Wien fest.
Beweismittel müssen vielleicht zurückgegeben werden
Was nun mit den sichergestellten Beweismitteln geschieht, muss die vorgestellte Instanz, in dem Fall das Landesgericht Wien, entscheiden. Wird auf ein Beweisverwertungsverbot entschieden, so müssen die beschlagnahmten Datenträger und Akten an das BVT zurückgegeben werden. Das Innenministerium verwies in einer ersten Reaktion auf das OLG-Urteil auf die Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Diese habe die Anordnung gegeben, somit habe eine Justizstelle eine Entscheidung einer anderen geprüft. Grundsätzlich gelte selbstverständlich, dass Urteile in einem Rechtsstaat zu respektieren seien, hieß es aus dem Innenressort. Auch Kickl verwies in einer Pressekonferenz am Dienstag auf die Rechtslage im Fall einer Hausdurchsuchung.
Moser: „Überprüfen Ermittlungsdruck aus Innenministerium“
Justizminister Moser will die Causa nun von der Staatsanwaltschaft Korneuburg prüfen lassen. Darüber hinaus plant Moser eine Änderung des Staatsanwaltschaftsgesetzes und kritisierte das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Dass Innenminister Kickl die Verantwortung für das Debakel bei der Justiz sieht, wollte der Moser nicht näher kommentieren. Er kündigte zum einen eine „Beleuchtung der Entscheidungsstrukturen“ in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft an und betonte zugleich, dass man genau prüfen werde, welchen „Ermittlungsdruck“ es aus dem Innenministerium auf die Staatsanwaltschaft gab.
Moser verärgert: „Kontrollinstanzen bewusst ausgeschlossen“
Verärgert zeigte sich Moser über die mangelnde Einbindung von Oberstaatsanwaltschaft und Justizministerium rund um die Hausdurchsuchungen beim BVT. Übergeordnete Kontrollinstanzen wurden von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft „bewusst ausgeschlossen“, sagte Moser, der zugleich einräumte, dass dies laut Staatsanwaltschaftsgesetz so vorgesehen sei. Die dahingehenden Änderungen seien 2015 beschlossen worden, um mögliche politische Interventionen an der Wurzel zu unterbinden, erklärte Moser. Dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft weder die Oberstaatsanwaltschaft, noch die Fachaufsicht und Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek und auch nicht den Justizminister über bevorstehenden Ermittlungen und Hausdurchsuchungen informiert hatte, stößt Moser dennoch sauer auf.
Regierung: „Alles gesetzeskonform“
Noch im März hatten FPÖ und ÖVP, konkret Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz sowie Justizminister Josef Moser (ÖVP), die Vorgangsweise bei der BVT-Razzia verteidigt und als gesetzeskonform bezeichnet. Doch nicht nur die Razzia an sich war in den Fokus der Kritik geraten. Auch der Einsatzleiter der Hausdurchsuchung, Wolfgang Preiszler, welche von der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) durchgeführt worden war, hatte mit rassistischen Facebook-Postings für Wirbel gesorgt. Gegen Preiszler ermittelt inzwischen die Justiz. Innenminister Kickl suspendierte zuerst BVT-Chef Peter Gridling, um danach gemeinsam öffentlich mit ihm von einem „neuen Staats- und Verfassungsschutz" zu sprechen.
Aktenlieferung an U-Ausschuss verzögert
Mittlerweile wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, um die Vorgänge rund um das BVT zu prüfen. Zuletzt hatten verzögerte Aktenlieferungen aus dem Innenministerium dafür gesorgt, dass die Opposition sogar den Verfassungsgerichtshof angerufen hatte. Auch eine angebliche Aktenweitergabe der NEOS an Medien sorgte für Wirbel. Aufdecker und U-Ausschuss-Mitglied Peter Pilz fasste es so zusammen: „Unser Hauptproblem ist derzeit nicht die Verletzung des Informationssicherheitsgesetzes durch eine Abgeordnete der NEOS, sondern die Nichtlieferung wichtiger Akten durch den Innenminister.“
Kommende Woche will der BVT-Untersuchungsausschuss nun seine Arbeit mit den ersten Zeugenbefragungen wieder aufnehmen. Geladen sind bei den beiden Sitzungen am Dienstag und Mittwoch insgesamt sechs Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Sie sind die ersten Auskunftspersonen im Ausschuss. Auf tatsächlich Prominente wird man im Ausschuss noch länger warten müssen. Immerhin der Leiter der EGS, Wolfgang Preiszler, soll noch im September seinen Auftritt haben. Peter Goldgruber, Generalsekretär im Innenressort und eine der Schlüsselfiguren im Ausschuss, wird dort ebenso wie BVT-Direktor Peter Gridling im November erwartet. Überhaupt erst Ende dieses Monats ist Innenminister Kickl eingeplant.
Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten angeknackst?
Auch international schlug der Fall mittlerweile Wellen: Die renommierte „Washington Post“ berichtete ausführlich über die Causa. In dem Artikel ist die Rede davon, dass andere Geheimdienste Österreich von ihren Informationen ausschließen und das BVT gelähmt sei. Seit der Razzia teile man demnach keine sensiblen Informationen mehr mit Österreich, weil man Angst habe, sie könnten in falsche Hände geraten, wird ein führender europäischer Geheimdienstler zitiert.
Bundeskanzler Kurz sagte dazu, er sehe keinen Vertrauensverlust in österreichische Nachrichtendienste. Manchmal habe er „das Gefühl, da ist der Wunsch der Vater des Gedankens“, sagte er am 22. August nach dem Ministerrat. Auch Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) meinte, entsprechende Medienberichte „kann ich nicht bestätigen“. Der ehemalige Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, warnte allerdings vergangene Woche in der „Bild“-Zeitung bei der Zusammenarbeit mit dem BVT zur Vorsicht: „Bei einem Dienst, der seine sensiblen Geheimnisse, Informationen und Quellen von Partnerdiensten nicht schützen kann, ist Vorsicht geboten.“
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