Wegen Karriereende?
Böse Intrige gegen Papst nach Missbrauchsskandal
Die Reise nach Irland am vergangenen Wochenende (siehe Video oben) war für Papst Franzikus angesichts der neu aufgeflammten Debatte über Missbrauchsskandale in dem erzkatholischen Land eine der schwierigsten seiner bisherigen Amtszeit. Damit nicht genug, warf ihm Erzbischof Carlo Maria Vigano, Ex-Botschafter des Vatikan in Washington, vor, den Skandal rund um den mittlerweile abgesetzten US-Kardinal Theodore McCarrick vertuscht zu haben. Vigano fordert offen Franziskus‘ Rücktritt. Vatikanexperten vermuten aufgrund des Timings eine Intrige gegen das Oberhaupt der katholischen Kirche - wohl wegen enttäuschter Karrieregelüste.
Der 77-jährige Vigano erklärt in dem elfseitigen Schreiben, dass er die Verfehlungen McCarricks - dem sexueller Missbrauch Jugendlicher und sexuelle Kontakte zu Priesteranwärtern vorgeworfen werden - bereits in den Jahren 2006 und auch 2008 aus den USA an seine Vorgesetzten im Vatikan weitergeleitet habe. Reaktionen seien aber ausgeblieben. Erst später habe er von der Bestrafung durch Franziskus‘ Vorgänger erfahren. So habe dieser den damaligen Erzbischof aufgefordert, das Seminar zu verlassen, in dem er lebte. Zudem sei ihm verboten worden, öffentliche Messen zu feiern, Vorträge zu halten oder Reisen zu unternehmen. Stattdessen sei McCarrick ein Leben in Gebet und Buße aufgetragen worden.
Beschuldigter wurde wichtiger Berater des Papstes
Auch Franziskus habe von diesen Sanktionen gewusst - und zwar von Vigano persönlich. Trotzdem habe der Papst McCarrick zu seinem engsten Berater für die Beziehungen zur US-Regierung gemacht. Erst als die Missbrauchsvorwürfe im Juni dieses Jahres öffentlich gemacht wurden, verfügte Franziskus ähnliche Strafen. Zudem sei auch der Kardinalstitel aberkannt worden.
Vigano beendet sein Schreiben mit der Rücktrittsaufforderung an das Kirchenoberhaupt. Er solle „mit gutem Beispiel vorangehen, seine Fehler anerkennen“ und „gemeinsam mit den Kardinälen und Bischöfen, die McCarricks Missbrauch vertuscht haben, zurücktreten“. Allerdings fehlen in der Klageschrift des Erzbischofs dokumentierte Beweise.
„Lesen Sie den Brief aufmerksam und fällen Sie Ihr eigenes Urteil“
Der Papst wollte sich vorerst nicht zu den Vorwürfen äußern, sagte, von Journalisten auf der Rückreise nach Rom am Sonntag darauf angesprochen, lediglich, dass das Schreiben für sich spreche. Den Fragenden riet er: „Lesen Sie den Brief aufmerksam und fällen Sie Ihr eigenes Urteil. Wenn etwas Zeit vergangen ist und Sie Ihre Schlüsse gezogen haben, werde ich mich vielleicht äußern“, so Franziskus.
„Würden den Papst lieber heute als morgen zum Teufel jagen“
Vatikanexperten orten im Zusammenhang mit dem Schreiben und dem Aufruf zur Abdankung eine Intrige, wohl wegen enttäuschter Karrieregelüste. Nicht nur das Timing - pünktlich zur Irland-Reise, wo derzeit wie in den USA zahlreiche Fälle von Kindesmissbrauch Hunderter katholischer Geistlicher in den vergangenen Jahrzehnten hohe Wellen schlagen - sei auffällig, auch dass das Schreiben in zwei papstkritischen und traditionalistischen Zeitungen in den USA und in Italien veröffentlicht worden sei, schreibt die „Süddeutsche“. Vigano sei vor zwei Jahren unfreiwillig pensioniert worden, seitdem verkehre er „rege in jenen Kreisen, die den argentinischen Papst lieber heute als morgen zum Teufel jagen würden“.
Hintergrund dürften enttäuschte Karrieregelüste sein. Als ihn Papst Benedikt als Nuntius in die USA entsendete, habe Vigano dies, wie er in einem Brief an seinen damaligen Chef schilderte, als „Strafversetzung“ empfunden. Laut „Süddeutsche“ habe der 77-Jährige damals davon geträumt, Kardinal und Staatssekretär zu werden - und damit quasi der Regierungsschef des Vatikan, die Nummer zwei der Kirche. Dies geschah weder unter Papst Benedikt und auch nicht unter Papst Franziskus, Letzterer schickte Vigano sogar früher in den Ruhestand, als es ihm lieb gewesen sei.
Vatikanist - so werden die ständig akkreditierten Vatikanexperten in Rom genannt - Andrea Tornielli schrieb dazu in seinem Blog „Vatikan Insider“: „Vigano hat nie verdaut, dass er von Benedikt aus dem Vatikan entfernt wurde, und dient nun als Speerspitze in der Schlacht der ,Anti-Francesco‘.“ Kurz nach Viganos Entsendung nach Washington habe der „Skandal über Missstände in der Kurie, den die Welt als ,Vatileaks‘ kennenlernen sollte“, begonnen, so die „Süddeutsche“.
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