Staatsanwalt ermittelt
Mord in Chemnitz: Rechte posten Haftbefehl
Die Kritik an der sächsischen Polizei rund um den ermordeten Daniel H. und den dadurch angefachten Protesten rechtsextremer Gruppen reißt nicht ab. Nach den Vorwürfen, die Polizei wäre schlecht auf die Kundgebungen am Sonntag und Montag vorbereitet gewesen und hätte die Kontrolle über die Geschehnisse vollkommen verloren, herrscht nun Aufregung über die Veröffentlichung des Haftbefehls gegen einen der beiden mutmaßlichen Mörder des 35-jährigen Deutsch-Kubaners. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Die Bürgerbewegung „Pro Chemnitz“ dürfte über eine undichte Stelle bei der Polizei an das Dokument gelangt sein. In dem Dokument werden die Namen des Opfers, der Verdächtigen, der Richterin und Einzelheiten zu den mutmaßlichen Tätern genannt. Zudem werde beschrieben, wie oft auf das Opfer eingestochen worden war. Der Eintrag wurde inzwischen wieder gelöscht.
„Pro Chemnitz“ schrieb auf seiner Facebookseite: „Die Veröffentlichung des Haftbefehls verstößt angeblich gegen Facebook-Richtlinien und wurde von der ,Internetpolizei‘ gelöscht.“ Woher das Dokument stammte, ist unklar. Nach Angaben der rechten Organisation wurde ihr der Haftbefehl „zugespielt“.
Unten sehen Sie eine bereits durch andere User geschwärzte Version des Haftbefehls:
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bezeichnete im Mitteldeutschen Rundfunk die Veröffentlichung des Dokuments im Internet als Straftat und sicherte Aufklärung zu. Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sprach in dem Sender von einem „ungeheuerlichen Vorgang“. Die Linke im sächsischen Landtag forderte eine Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses im Parlament. Die Veröffentlichung des Haftbefehls gegen einen der Beschuldigten sei eine „neue Dimension des Angriffs auf den Kernbereich der Rechtspflege, auf Essentials für das Funktionieren des Rechtsstaats“.
Video: Gewalt in Chemnitz - Sachsen will entschieden durchgreifen
Linke: „Neue Eskalationsstufe im Schüren von Pogromstimmung“
Damit sei nicht nur ein Straftatbestand erfüllt, sondern auch eine „neue Eskalationsstufe im Schüren pogromartiger Stimmung gegenüber Migranten unter skrupelloser Ausnutzung des tragischen Tods eines jungen Manns“ erreicht, erklärte der Vorsitzende des Verfassungs- und Rechtsausschusses, Klaus Bartl (Linke).
Seehofer: „Vorgang vollkommen inakzeptabel“
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer verurteilte das Öffentlichmachen des Haftbefehls. Der Vorgang sei „vollkommen inakzeptabel“, sagte Seehofer am Mittwoch in Berlin. Es könne nicht sein, dass „hochpersönliche Dinge, aber auch interne Abläufe der Justiz“ öffentlich würden. „Da muss man alle Möglichkeiten prüfen, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen.“
Nach dem Tod des 35-Jährigen am Wochenende in Chemnitz sitzen zwei verdächtige Männer aus Syrien und dem Irak in Untersuchungshaft. Der Fall war Auslöser für Demonstrationen und gewalttätige Auseinandersetzungen am Sonntag und Montag in der sächsischen Stadt.
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