Ab Samstag tritt das Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung in Kraft. Bei den Unternehmen kommt das gut an - einige stellen deshalb neue Mitarbeiter ein. Auf Arbeitnehmerseite profitieren aber nicht alle.
„Einmal länger hackeln gehen, wenn’s das Geschäft verlangt, was der Chef dir mit mehr freier Zeit dann dankt“ - so einfach funktioniert die Arbeitszeitflexibilisierung, geht es nach der Wirtschaftskammer. In der Praxis wird das Gesetz, in dem es um die Ausweitung der Maximal-Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden geht, nicht in allen Fällen ein Gewinn für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen sein.
KTM und Magna stellen neue Mitarbeiter ein
Die Arbeiterkammer befürchtet, dass Mitarbeiter durch Mehrarbeit Auftragsspitzen im Unternehmen abdecken müssen. Erste Beispiele aus der Wirtschaft zeigen einen anderen Trend: KTM-Chef Stefan Pierer etwa hat angekündigt, 100 Leiharbeiter fix anzustellen. Auch bei Auto-Zulieferer Magna sollen 100 Leih- zu Stammmitarbeitern werden.
Nicht nur große Industriebetriebe, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) loben das neue Gesetz: Ein steirischer Metallverarbeiter etwa stockte seinen Mitarbeiterstand von 15 auf 20 auf. Er könne nun, so der Chef, internationalen Firmen kurzfristig helfen - und das fülle die Auftragsbücher.
Dennoch warnt die Arbeiterkammer: Vor allem im Tourismus erschwere der Zwölf-Stunden-Tag die Arbeit. 200.000 Menschen arbeiten in der Branche, zum Teil in geteilten Diensten: Sie servieren zum Beispiel Frühstück und Mittagessen und betreuen am Abend die Hotelbar. Dazwischen gab es bisher eine Pause von elf Stunden - sie könnte mit dem neuen Gesetz nur mehr acht Stunden dauern.
Betroffen von der neuen Regelung sind Führungskräfte
Betroffen von der neuen Regelung sind Führungskräfte und Mitarbeiter mit hoher Eigenverantwortung. Dazu zählen Geschäftsführer oder Manager, aber auch Filialleiter im Handel. Die hatten allerdings schon bisher oft Sondervereinbarungen. So schreibt der Diskonter Penny in seine Inserate nicht die gesetzliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden, sondern die reale von 46. Die Überstunden sind mit dem Betriebsrat vereinbart - wie in vielen anderen Betrieben.
Probleme bringt der Zwölf-Stunden-Tag bei der Kinderbetreuung. In einer Umfrage der Arbeiterkammer Wien sagten 59 Prozent der befragten Frauen und 45 Prozent der Männer, sie hätten „ein echtes Problem", das mit Kindern zu vereinbaren. Von 9300 Kindertagesheimen haben 965 länger als zwölf Stunden geöffnet, 860 davon in Wien. Mehr Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung soll es derzeit nicht geben.
Fünf Fragen zum neuen Gesetz
1.) Ist die 40-Stunden-Woche jetzt Vergangenheit?
Die Normalarbeitszeit bleibt bei 8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Arbeitsstunden darüber hinaus sind Überstunden, die ausbezahlt oder als Zeitausgleich konsumiert werden.
2.) Was verändert das neue Arbeitszeitgesetz dann?
Neu ist, dass die Höchstgrenze der Arbeitszeit ausgeweitet wird. Statt wie bisher 10 Stunden pro Tag oder 50 Stunden pro Woche zu arbeiten, ist es jetzt möglich, 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
3.) Und unter welchen Bedingungen ist das möglich?
Pro Woche sind maximal 20 Überstunden zulässig. Und in einem Zeitraum von 17 Wochen darf die durchschnittliche Arbeitszeit 48 Wochenstunden nicht überschreiten.
4.) Und wenn ich keine 12 Stunden arbeiten will?
Im Gesetz heißt es, dass es Arbeitnehmern freisteht, Überstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen - wenn dadurch die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird.
5.) Gibt es auch weiterhin Überstundenzuschläge?
An den Überstundenzuschlägen ändert sich durch das neue Gesetz nichts.
Neues Arbeitszeitgesetz: Wer ist dafür und wer dagegen?
PRO: ÖVP, FPÖ, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung
Mit 1. September wird das neue Arbeitszeitgesetz der beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ in Kraft treten. Unterstützt wird dieses von der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung. Die Befürworter argumentieren, dass Österreich im internationalen Vergleich Aufholbedarf beim flexiblen Arbeiten hat und dass 12-Stunden-Tage die Ausnahme und der 8-Stunden-Tag erhalten bleibt.
CONTRA: SPÖ, Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, Liste Pilz
Die Kritiker lehnen das neue Arbeitszeitgesetz ab. Argumentiert wird, dass dadurch die Gesundheit von Arbeitnehmern gefährdet wird und diese künftig weniger Zeit für Familie, Sozial- und Vereinsleben haben werden. Dass Überstunden über die 10. Tagesstunde oder die 50. Wochenstunde hinaus in der Praxis ohne Begründung abgelehnt werden können, bezweifeln die Gegner - auch wenn es so im Gesetz festgehalten ist. Kritisiert wird auch das rasche Vorgehen der Regierung beim Beschluss des neuen Gesetzes.
S. Schieder und T. Spari, Kronen Zeitung
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