„Lügen“ contra „miese Tricks“ - um die geplante Reform des Urheberrechts in der EU tobt eine regelrechte Lobby-Schlacht. Auf der einen Seite stehen Medien und Kreative, die ihre Urheberrechte auch im Internet schützen wollen. Auf der anderen die Gegner der Reformpläne, Internetriesen wie Google, Facebook und Co, aber auch Verfechter eines freien Internets.
„Der Kampf ist sehr hart und aggressiv - denn es geht um enorm viel Geld“, sagt Olivier Hoedeman von der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory, welche den Einfluss der Lobbys in der EU unter die Lupe nimmt. Ziel der geplanten Richtlinie ist es, das Urheberrecht dem Internet-Zeitalter anzupassen. Sie soll Anbieter wie YouTube zu einer besseren Vergütung etwa von Musikern oder Autoren verpflichten. Dafür soll ein EU-weites Leistungsschutzrecht sorgen, wie es in Deutschland bereits besteht. Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen oder auch Nachrichtenagenturen soll so die Verwendung ihrer Produktion im Netz vergütet werden.
Ungewöhnlich massive Lobby-Kampagne
Dagegen wehren sich Internetanbieter, die ihr Geschäftsmodell verteidigen, und Aktivisten, die um die Freiheit im Internet bangen. Und zwischen den Fronten sind 751 Europaabgeordnete - Zielscheiben einer selbst für EU-Maßstäbe ungewöhnlich massiven Lobby-Kampagne der Internet-Giganten. Diese dürfte in den nächsten Tagen noch zunehmen, denn am 12. September wird das Europaparlament über den Entwurf abstimmen. „So etwas habe ich nur einmal erlebt - seitens der Waffenindustrie“, berichtet die französische Sozialistin Virginie Rozière.
Google, Apple, Facebook und Amazon hätten „kolossale Mittel“ eingesetzt. Außerdem hätten sie verdeckt agiert, versteckt hinter „Pseudo-Kampagnen“ der Zivilgesellschaft. Sie selbst habe vor der ersten Abstimmung zu dem Thema im Juli mehr als 40.000 Mails gegen die Reformpläne erhalten.
„Im Moment ist dies die einzige Möglichkeit, sich an Europaabgeordnete zu wenden“, reagiert Caroline De Cock, von der Gesellschaft Copyright For Creativity , die eine der Kampagnen gegen die geplante Reform anführt. „Was sollen wir sonst machen? Postkarten schicken?“ Copyright For Creativity vertritt nach eigenem Bekunden Museen, Verbraucherschutzorganisationen und Bibliotheken, räumt aber zugleich ein, dass ihre Aktivitäten „zu einem Drittel“ vom Verband der Computer- und Kommunikationsindustrie CCIA finanziert werden.
Wie viel Geld die Internet-Lobby bisher in die Kampagne gesteckt hat, kann niemand genau beziffern. Die Schätzung des Verbandes der britischen Musikindustrie UK Music, wonach allein Google für die Lobby-Arbeit gegen die Reform 31 Millionen Euro ausgegeben haben soll, wird selbst von der Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory als „sehr unwahrscheinlich“ bezeichnet.
Ton wird härter
Im Vorfeld der Abstimmung im Europaparlament wird der Ton zwischen Gegnern und Befürwortern der Reform härter. Mehrere europäische Zeitungen haben einen offenen Brief des AFP-Reporters Sammy Ketz veröffentlicht, der seit vielen Jahren von Kriegsschauplätzen berichtet. Die Zeiten, in denen er nur mit einem Notizbuch und einen Fotografen losgezogen sei, seien vorbei, schreibt Ketz in seinem Appell, den mehr als hundert europäische Reporter und Chefredakteure unterzeichnet haben.
„Jetzt brauchst du kugelsichere Jacken, gepanzerte Autos, manchmal Bodyguards und Versicherungen. Wer bezahlt diese Kosten? Die Medien, und es ist ein hoher Preis.“ Doch obwohl Nachrichtenagenturen, Verlage und Sender für den Inhalt bezahlten und Journalisten entsendeten, die ihr Leben riskieren, „sind es nicht sie, die die Profite einstreichen, sondern die Internetplattformen, die sich daran bedienen, ohne einen Cent zu zahlen“, schreibt Ketz. „Es ist so, als ob ein Fremder kommen und sich schamlos die Früchte deiner Arbeit schnappen würde.“
EU-Staaten in Frage zerstritten
Im Juli hatten die Gegner der Reform einen ersten Sieg davongetragen: Das Europaparlament weigerte sich, den Text einfach durchzuwinken, wie dies der Rechtsausschuss empfohlen hatte. Stattdessen soll das Plenum nun über den Inhalt debattieren und anschließend abstimmen. Erst danach können die Verhandlungen zwischen Parlament und EU-Staaten beginnen - die in der Frage genauso zerstritten sind, wie die EU-Volksvertretung.
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