Comeback nach der Babypause: 50 Tage nahm sich ÖVP-Ministerin Elli Köstinger Zeit für ihr Neugeborenes. Mit Conny Bischofberger spricht sie über Fotoverbot, Väterkarenz, Lorenz als Bildschirmhintergrund und eine „völlig neue Dimension der Gelassenheit“.
Tag 3 nach Elli Köstingers Rückkehr in die Politik. Beim Forum Alpbach trat sie am vergangenen Montag nach der Babypause bereits wieder öffentlich auf, vergangenen Mittwoch kam sie zurück ins Büro, kommende Woche wird sie erstmals wieder am Ministerrat teilnehmen.
Das Zimmer, in dem das „Krone“-Interview stattfindet, strahlt viel Wärme aus. Hölzerne Türen, grüne Wände, Wald-Tapete, ein Teppich mit schwarzen Ästen. Elli Köstinger wirkt noch strahlender als sonst. Die Ministerin für Landwirtschaft, Umwelt, Energie und Tourismus - zusammengefasst Nachhaltigkeits-Ministerin - trägt ein Sakko in der Farbe Taupe, das T-Shirt über dem Bauch spannt noch etwas. Vor 55 Tagen ist ihr Sohn Lorenz Johannes auf die Welt gekommen.
„Krone“: Frau Minister, was war Ihre erste „Amtshandlung“, als Sie vor drei Tagen wieder ins Ministerium gekommen sind?
Elisabeth Köstinger: Der Einstieg lief eigentlich ab wie mein Ausstieg, mit unserer Bürobesprechung. Das machen wir täglich in der Früh. Wir starten mit einer kleinen Runde, meist zu fünft. Es gibt Kaffee und vor dem Büro steht ein großer Korb mit Äpfeln, da kann sich jeder was nehmen.
„Für uns haben sich heute Himmel und Erde berührt“, haben Sie am 8. Juli auf Facebook geschrieben und so die Geburt Ihres Sohnes bekanntgegeben. Warum ohne Foto?
Mir ist die Privatsphäre sehr, sehr wichtig. Meine, aber vor allem die meiner Familie und ganz speziell die meines Sohnes. Ich würde ihm wirklich gerne ein ganz normales Leben ermöglichen. Er soll komplett unbeschwert aufwachsen, so wie jedes andere Kind in Österreich auch. Deswegen halte ich ihn ganz bewusst aus der Öffentlichkeit heraus.
Haben Sie ein Bild von dem Kleinen ins Büro mitgenommen? Früher stellte man das in einem silbernen oder goldenen Rahmen auf den Schreibtisch.
Nein, ich hab‘ die alle am Handy. - Lacht. - Er ziert natürlich meinen Bildschirmhintergrund. Wir sind ja auch nicht den ganzen Tag getrennt, aber selbst wenn, ist er immer bei mir.
50 Tage haben Sie sich für Ihr Baby Zeit genommen. Genug Zeit?
Nein. Das Dilemma wird bleiben, da reihe ich mich ein in die Schlange aller berufstätigen Mütter. Meine Arbeit macht mir sehr viel Spaß, sie ist aber auch mit sehr viel Verantwortung verbunden. Ich erfülle neben dem Job auch eine Funktion. Gerade die Ratspräsidentschaft hat das Zurückkommen mehr als notwendig gemacht.
Denken Sie nicht die ganze Zeit an Ihren Sohn?
Mein Job ist sehr intensiv. Trotzdem ist mein Sohn immer präsent. Ich kriege ständig Fotos geschickt und weiß eigentlich jede Stunde, was er gerade macht. Wir sind sehr, sehr eng miteinander verbunden: ich, mein Lebensgefährte und mein Kind. Ich habe schon nach dieser ersten Woche zurück im Job das Gefühl, dass es sehr gut funktioniert.
Ihr Partner geht für zwei Jahre in Karenz. Hat es darüber Diskussionen gegeben oder lag es auf der Hand?
Nein, wir haben eigentlich gar nicht groß darüber diskutiert. Er sieht es als großes Privileg, dass er das erleben darf. Wir hatten in unserem privaten Umfeld, vielleicht untypisch für Österreich, zwei Väter, die sich bewusst die Karenzzeit für ihr Kind genommen haben, die also länger als nur einen Papamonat zu Hause geblieben sind. Sie waren eigentlich unser Vorbild.
War die Mutterschaft auch ein Thema zwischen Ihnen und Sebastian Kurz?
Er hat sehr früh Bescheid gewusst und mich immer extrem bestärkt darin, nicht zwischen Kind und Karriere entscheiden zu müssen. Im 21. Jahrhundert sollte ein „Sowohl-als-auch“ selbstverständlich sein.
Sie haben bei der Angelobung im Dezember 2017 schon gewusst, dass Sie schwanger sind. Welche Gedanken sind Ihnen da durch den Kopf gegangen?
Schwierig zu beschreiben. Ich dachte mir: Es kann doch nicht sein, dass ein Kind, das eigentlich das allergrößte Geschenk ist, nicht vereinbar sein soll mit dem Beruf. Ich erachte das als eine Grundsatzfrage für Generationen von Frauen. Aber natürlich waren da auch viele Zweifel. Mein ganz großes Glück ist mein Partner. Er gibt mir die Freiheit, sehr schnell wieder in den Job einzusteigen.
Fast so schnell wie die neuseeländische Premierministerin, die auch im Sommer Mutter wurde und nach sechs Wochen ins Büro zurückkehrte.
Ja, sie hatte es noch etwas eiliger als ich. - Lacht.
Für viele ist es aber eben nicht so leicht, Job und Kind zu vereinbaren. In den sozialen Netzwerken wurden Sie auch hart kritisiert. Jemand schrieb: "Köstinger tut so, als könne sie nachvollziehen, wie es anderen mit der Vereinbarkeit geht: Kann sie nicht, sie hat genug Geld, um es sich zu richten.“
Na ja, das ist das eine. Aber das andere ist, dass ich als Politikerin rund um die Uhr verantwortlich bin. Ich glaube, es ist ganz gut, wenn manche Leute nicht nachvollziehen können, was einem dieser Job als Regierungsmitglied wirklich abverlangt. Das hat nichts mit Geld zu tun, sondern das ist ein Zwiespalt, in dem man steckt: Schaffe ich es, beides - Job und Kind - zu hundert Prozent abzudecken?
Ist es ein Spagat?
Natürlich ist es das. Wenn ich in der Früh das Haus verlasse, und mein Sohn schläft noch, dann muss ich trotzdem zur Abstimmungssitzung, obwohl ich da sein möchte, wenn er aufwacht, weil das meine Funktion und meine Aufgabe ist. Das ist das Spannungsfeld, in dem alle berufstätige Mütter sich bewegen.
Klingt da auch ein schlechtes Gewissen durch?
Nein. Weil mein Partner sich hervorragend um unseren Sohn kümmert. Ich weiß, dass es dem Kind einfach sehr gut geht und dass die zwei gut miteinander können. Es ist nur so, dass er mir so furchtbar fehlt. Ihm fehlt nichts, aber er fehlt mir …
Wie haben Sie die Auszeit von der Politik erlebt?
Speziell die erste Zeit war unfassbar anstrengend. Auch für jemanden wie mich, die doch sehr tough ist: So einen kleinen Säugling in der Hand zu halten und plötzlich für dieses neugeborene Leben verantwortlich zu sein, ist eine unglaublich große Herausforderung. - Elli Köstinger rutscht jetzt in den weichen Kärntner Dialekt. Sagt “klaanen„ und “gwunschen" und legt ihre Hand auf die Brust. - Mein kleiner Sohn hat mich unfassbar viel gelehrt, auch was Geduld und Gelassenheit betrifft. Zur Geburt haben mir viele Freunde Gelassenheit gewünscht, und ich dachte mir, na ja, gelassen bin ich eh. Weil ich zwar sehr emotional sein kann, aber nie hysterisch werde. Doch Lorenz hat mir eine ganz neue Dimension von Gelassenheit beigebracht.
Weil so ein kleiner Mensch die ganze Aufmerksamkeit fordert?
Genau, und das war eigentlich eine der schönsten Erfahrungen überhaupt. Etwas zu lernen, was man zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Ich habe das ganz bewusst wahrgenommen und sehr genossen.
Ist man als Politikerin nicht immer Politikerin, auch mit einem Baby im Arm?
Ich sage ganz ehrlich, dass ich natürlich immer in Kontakt war mit meinem Büro, weil gerade das Thema Klimawandel, die Dürre in der Landwirtschaft in diesem Sommer sehr präsent war. Ich bin ja noch nie in meiner gesamten Berufslaufbahn so lange aus dem politischen Betrieb weg gewesen. Ich kann mich zum Beispiel nicht erinnern, dass ich jemals länger als zwei Wochen auf Urlaub gewesen wäre, also insofern haben diese 55 Tage schon sehr gut getan.
Haben Sie es geschafft, das Handy manchmal wegzulegen oder abzustellen?
Ja. Aber dank des Babys trägt man ja auch so eine unendliche Müdigkeit in sich. Mein Sohn schafft es, meine hundertfünfzigprozentige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich arbeite da auch ganz hart an mir selber. Ich will nicht, dass mein Kind sich irgendwann einmal an die Mama mit dem Smartphone in der Hand erinnert. Deshalb gehört die Zeit, in der ich mit ihm zusammen bin, zu hundert Prozent uns. Und wenn ich dann arbeite, dann bin ich auch dort zu hundert Prozent präsent.
Hat die Mutterschaft Sie auch als Politikerin verändert?
Über diese Frage muss ich, ehrlich gesagt, ein bisschen nachdenken …
Sehen Sie Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen jetzt vielleicht ein bisschen Stückchen anders?
Ich hatte bei der Nachhaltigkeit immer schon ein extrem hohes Bewusstsein. Da geht es mir gar nicht in erster Linie um mein Kind, sondern um die gesamte nächste Generation. Dass wir unseren Nachkommen eine gute und lebenswerte Welt hinterlassen, ist sowieso sehr tief in mir verankert, und dass wir alle auch etwas dafür tun müssen. Da können wir von den Kindern sehr viel lernen.
Bei der Klimakonferenz im polnischen Katowice Ende des Jahres haben Sie den Vorsitz. Werden Ihr Lebensgefährte und Ihr Kind Sie begleiten?
Ja, sie werden mitreisen und in der Nähe sein, denn die Klimakonferenz wird voraussichtlich zwei Wochen dauern. So lange möchte ich nicht getrennt sein von den beiden.
Ihr Kind im Parlament zu stillen, wäre das denkbar?
Nein, das wäre mir viel zu privat. Abgesehen davon will ich meinen Sohn ja aus der Öffentlichkeit heraushalten.
In einem Satz: Was wollen Sie ihm fürs Leben mitgeben?
Starke Wurzeln und einen weiten Horizont.
Was wäre, wenn aus ihm ein sozialdemokratischer Protestwähler würde?
Er wird seinen Weg selbst finden. Wir statten ihn dafür mit Liebe und Selbstbewusstsein aus. Wenn er seinen Weg in diese Richtung einschlagen sollte, dann wird er sehr viele Diskussionen mit mir führen. - Lacht.
Müssen?
Das nicht. Aber mit Debatte und Diskussion, mit Auseinandersetzung und der Betrachtung von unterschiedlichen Sichtweisen wird er aufwachsen.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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