Rechte gegen Linke

Tausende Demonstranten in Chemnitz auf der Straße

Ausland
01.09.2018 20:52

Auch eine Woche nach dem gewaltsamen Tod des 35-jährigen Deutsch-Kubaners Daniel H. in Chemnitz kehrt in der sächsischen Stadt keine Ruhe ein. Unter dem Motto „Herz statt Hetze“ sind am Samstag mehrere tausend Menschen zusammengekommen, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit zu setzen. An der von einem breiten Bündnis getragenen Großdemonstration nahmen auch mehrere Spitzenpolitiker teil. Mehrere tausend Menschen nahmen indes an einer AfD-Kundgebung teil. Die Polizei war auch in den Abendstunden mit einem Großaufgebot im Einsatz - auch Wasserwerfer und Reiter waren wegen befürchteter gewalttätiger Auseinandersetzungen (siehe auch Video oben) in Bereitschaft. Die Lage in der Stadt war angespannt.

Die Lage in der Stadt war nach Angaben der Polizei zunächst „ruhig und friedlich“, jedoch kam es bis zum frühen Abend bereits zu mehreren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei.

Gegen 19 Uhr machten Meldungen von Polizei und Journalisten aber deutlich, dass die Stimmung in der Stadt zunehmend aggressiver zu werden drohte. Die letzte Demo endete offiziell um 20.45 Uhr, wie die Polizei auf Twitter mitteilte.

Gegen 19.30 Uhr war die Demo der Rechten beendet worden, nachdem die Polizei die AfD-Organisatoren aufgefordert hatten, die Veranstaltung aufzulösen. Zuvor war die Polizei gegen linke Gegendemonstranten vorgegangen. Diese hatten versucht, die Demonstrationsroute der Rechten zu blockieren. Aus der Gruppe der Gegendemonstranten hatten sich auch Mitglieder des Schwarzen Blocks gelöst. Weil die Rechten trotz Ende ihrer Veranstaltung weiter in Chemnitz demonstrieren wollten, zog die Polizei kurz vor 20 Uhr immer mehr Kräfte bei der beendeten AfD-Demo zusammen.

Bestrebungen der Rechten nach einer Spontan-Demo nach Beendigung ihrer angemeldeten Veranstaltung erteilte die Polizei eine klare Absage. Per Lautsprecher wurden die Demonstranten aufgefordert, zu ihren Familien zurückzukehren, wie die „Bild“ berichtete.

Zu einem Tumult war es zuvor beim Auftritt des Thüringer AfD-Fraktionschefs Björn Hocke gekommen. Laut „Bild“ stürmte ein Gegendemonstrant gegen 18.30 Uhr bei der Veranstaltung der rechten Partei laut provozierend auf Höcke zu. Der Mann wurde von Ordnern der Kundgebung weggedrängt, über Lautsprecher sei Unterstützung der Polizei gefordert worden.

Der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Hocke in Chemnitz (Bild: AP)
Der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Hocke in Chemnitz
Demonstranten halten bei der AfD-Veranstaltung Schilder mit Bildern hoch, die von Migranten getötete Bürger zeigen sollen. (Bild: AP)
Demonstranten halten bei der AfD-Veranstaltung Schilder mit Bildern hoch, die von Migranten getötete Bürger zeigen sollen.

Aus Sorge vor erneuten Ausschreitungen waren Polizisten aus ganz Deutschland im Einsatz. Die AfD-Kungebung, an der sich auch die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung beteiligte, war am späteren Nachmittag gestartet. Die rechte Organisation Pro Chemnitz hatte ebenfalls erneut zu einer Demonstration aufgerufen, die allerdings nach kurzer Zeit von den Organisatoren aufgelöst und mit der AfD-Veranstaltung zusammengelegt wurde.

An den Demonstrationen von AfD und Pro Chemnitz beteiligten sich nach Angaben eines Sprechers der Stadt nach ersten Schätzungen rund 6000 Menschen. An der Gegendemo unter dem Motto „Herz statt Hetze“ nahmen demnach rund 2500 Menschen teil.

Gewalttätigen mit aller Konsequenz entgegentreten“
Laut Landespolizeipräsident Jürgen Georgie hatte der Freistaat Unterstützung aus anderen Bundesländern angefordert und alle verfügbaren Kräfte bekommen. Auch Wasserwerfer und Reiter standen bereit, die Reiter kamen zwischenzeitlich auch zum Einsatz, wie in einem Video zu sehen ist.

Mehrere Bundes- und Landespolitiker nahmen an der Großdemo gegen Fremdenfeindlichkeit teil. Sie sehe mit „großer Sorge“, dass Rechtsradikale Stadt und Land in Geiselhaft nehmen wollten, sagte SPD-Vizechefin Manuela Schwesig Schwesig. Deshalb müsse gegen „Hass, Hetze und Gewalt“ demonstriert werden. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock mahnte, ein „Angriff auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ erfordere ein „Aufstehen der ganzen Gesellschaft“. Rechtsextreme seien aber nicht nur ein Problem in Chemnitz, sondern in ganz Deutschland.

Chemnitz: Wasserwerfer der Polizei stehen vor Beginn der Kundgebung der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz in der Nähe des Karl-Marx-Denkmal bereit. (Bild: APA/dpa/Boris Roessler)
Chemnitz: Wasserwerfer der Polizei stehen vor Beginn der Kundgebung der rechtspopulistischen Bürgerbewegung Pro Chemnitz in der Nähe des Karl-Marx-Denkmal bereit.
(Bild: AFP)
Die Polizei ist in Chemnitz mit einem Großaufgebot im Einsatz. (Bild: AP)
Die Polizei ist in Chemnitz mit einem Großaufgebot im Einsatz.
(Bild: AP)

Auch Außenminister Maar plädiert für „Herz statt Hetze“
Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) rief auf Twitter dazu auf, „entschlossen für die Demokratie einzutreten“. Er verwies auf das Motto der Demonstration „Herz statt Hetze“. Vor 79 Jahren habe der Zweite Weltkrieg begonnen, schrieb Maas auf Twitter anlässlich des Jahrestages. Deutschland habe unvorstellbares Leid über Europa gebracht. „Wenn heute wieder Menschen mit Hitlergruß durch die Straßen ziehen, bleibt unsere Geschichte Mahnung und Auftrag, entschlossen für Demokratie einzutreten.“

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) forderte, Hetzern „unsere Stärke und unsere demokratische Grundüberzeugung mit aller Kraft“ entgegenzusetzen. Die Stadt sei von den Ereignissen der vergangenen Tage „aufgewühlt“ und in einen Ausnahmezustand versetzt worden. Dass Chemnitz weder „grau noch braun“ sei, müsse jetzt in „Wort und Tat“ gezeigt werden.

(Bild: AFP)
(Bild: AP)
Ein Teilnehmer bei der Kundgebung von Pro Chemnitz hält vor dem Karl-Marx-Denkmal ein Schild mit der Aufschrift „Merkel fahr zur Hölle, mach dich zum Teufel, auf die Reise mit deiner Asylscheiße“. (Bild: APA/dpa/Ralf Hirschberger)
Ein Teilnehmer bei der Kundgebung von Pro Chemnitz hält vor dem Karl-Marx-Denkmal ein Schild mit der Aufschrift „Merkel fahr zur Hölle, mach dich zum Teufel, auf die Reise mit deiner Asylscheiße“.
(Bild: AP)

Bündnis, damit „aus bunt nicht braun wird“
Unterdessen rief ein Bündnis von Bürgern, Unternehmen und Wissenschaftlern aus Chemnitz die Bewohner der Stadt zu mehr Engagement für ein friedliches Miteinander auf. Am Samstag wurden in Zeitungen großformatige Anzeigen mit dem Aufruf „Chemnitz ist weder grau noch braun“ veröffentlicht. Chemnitz habe „seine guten Seiten und seine Probleme“, die Stadt könne aber nicht mit „Hass, Gewalt, Intoleranz und vor allem Wegschauen“ leben. In den vergangenen Jahren sei aus einer grauen Stadt ein buntes, lebenswertes Chemnitz geworden. „Wir müssen und wollen uns wieder einschalten, damit aus bunt nicht braun wird.“

Das Opfer der tödlichen Messerattacke: Daniel H. (35) (Bild: twitter.com, APA/dpa/Jan Woitas, krone.at-Grafik)
Das Opfer der tödlichen Messerattacke: Daniel H. (35)

Behördenversagen bei Abschiebung von nun Tatverdächtigem
Am vergangenen Wochenende war in Chemnitz ein 35-jähriger Deutscher getötet worden. Zwei Männer aus Syrien und dem Irak sitzen deswegen in Untersuchungshaft. Daraufhin und wegen der bekannt gewordenen groben Versäumnisse bei der bereits geplanten Abschiebung des verdächtigen Irakers kam es zu Demonstrationen, an denen sich gewaltbereite Rechtsextreme beteiligten sowie zu Angriffen auf Ausländer. Bei Auseinandersetzungen zwischen Rechten und Linken wurden mehrere Menschen verletzt.

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