Innerhalb der Europäischen Volkspartei (EVP) wird die Kritik an der regierenden rechtsnationalen Fidesz von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban immer größer. So drohen hochrangige EVP-Mandatare bereits mit Konsequenzen, sollte Orban keinen Kurswechsel in seiner Politik anstreben. Ungarn sieht sich derzeit sogar mit einem möglichen EU-Rechtsstaatsverfahren konfrontiert. Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) stößt die Kritik sauer auf - er bietet Orban nun sogar eine künftige Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament an. Orbans Fidesz-Partei gehört wie die ÖVP sowie CDU und CSU der EVP-Fraktion im Europaparlament an.
Der deutsche christsoziale Europapolitiker Manfred Weber, der nach der Europawahl im Mai 2019 EU-Kommissionspräsident werden will, sagte, er erwarte von Orban, dass er auf die EU-Partner zugehe und „Kompromissbereitschaft“ erkennen lasse. Wenn das nicht geschehe, müsse die EVP sagen: „Unsere Werte sind für uns nicht verhandelbar.“ Medienberichten zufolge könnte das Europaparlament noch in dieser Woche über ein Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn abstimmen. Die EVP-Abgeordneten wollen sich nach Angaben aus der Fraktion am Dienstagabend über eine gemeinsame Position abstimmen.
„Systematische Bedrohung der Demokratie“
Die Abstimmung im EU-Parlament geht auf einen kritischen Bericht der Grünen-Abgeordneten Judith Sargentini zurück, die in dem Papier eine „systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn“ anprangert. Der Bericht verweist unter anderem auf Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf eine Schwächung des Verfassungs- und Justizsystems. Darüber hinaus nennt die Autorin Verstöße gegen die Rechte von Minderheiten und Flüchtlingen sowie Korruption und Interessenskonflikte. Orban will am Dienstag in einer Debatte mit den Parlamentariern auf die Vorwürfe antworten.
Strache: „Lade Orban gerne ein“
Österreichs Vizekanzler, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, zeigte jedenfalls wenig Verständnis für die Kritik an der Politik Orbans. Auch der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas habe ihm zufolge schon eine „absurde Suspendierung“ der Fidesz aus der EVP verlangt. Strache in einem Facebook-Posting: „Ich lade den ungarischen Ministerpräsidenten und seine Fidesz-Partei gerne zu einer zukünftigen Zusammenarbeit in eine gemeinsame EU-Fraktion ein!“
Ungarn beklagt „Hexenjagd“
Die ungarische Regierung bezeichnete am Montag das drohende Strafverfahren als eine „Hexenjagd“ und einen „Racheversuch“, weil das Land sich weigere, Migranten aufzunehmen. „Das ist ein verzweifelter Versuch der migrationsfreundlichen politischen Gruppen, Ungarn vor Gericht zu stellen“, sagte Regierungssprecher Zoltan Kovacs. Auf die Frage, ob die Fidesz-Partei der EVP-Fraktion den Rücken kehren könnte, antwortete Kovacs: „Es bestand nie die Absicht und es besteht auch nicht die Absicht, die EVP zu verlassen.“ Vielmehr würde die ungarische Perspektive der Fraktion helfen, weiterhin die stärkste politische Kraft zu bleiben.
Der Text sei „eine Sammlung ausgewiesener Lügen“, sagte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto am Montag. „Der Bericht ist ein unwürdiger Angriff gegen Ungarn, ein Racheversuch, weil Ungarn seine Grenzen schützt und nicht bereit ist, illegale Migranten aufzunehmen.“ Derzeit spricht also wenig dafür, dass sich Orban auf allzu weitreichende Kompromisse einlassen wird, um eine größere Zahl von EVP-Abgeordneten auf seine Seite zu ziehen.
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