Das Enthüllungsbuch der Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger enthält auf jeder Seite eine Wahrheit, die unsere Politiker wachrütteln sollte. Auch das ist geradezu unvorstellbar: Viele Pädagogen drücken bei der Notenvergabe wohl beide Augen zu und vergeben Vierer, obwohl ein „Fetzen“ anstünde. Wegen der Politik und Kritik von oben.
„Mit Notenwahrheit hat diese Leistungsbeurteilung nicht mehr viel zu tun. Es sollen so viele durchkommen wie möglich“, schreibt die Pädagogin in ihrem Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“. „Das ist auch schon in der Volksschule so. Würde man den Lehrplan strikt einhalten und korrekt benoten, würde mitunter die Hälfte der Klasse den Lehrstoff in mehreren Fächern nicht schaffen. Oft müsste die Hälfte aller Schüler die Klasse wiederholen.“ Was für alarmierende Sätze. Und von denen gibt es eine Menge in dem Enthüllungsbuch.
„Würden wir ehrlich benoten, hätte Wien ein Imageproblem“
Und warum diese Fantasienoten? Wiesinger will eine Erklärung dafür haben: „Würden wir ehrlich benoten, hätte die Stadt Wien nicht nur ein Schulplatzproblem, sondern ein gewaltiges Imageproblem. Das darf natürlich nicht sein.“
Weitere Ursachen: Probleme mit dem Vorgesetzten („Direktoren wollen dann ganz genau wissen, warum man das Nicht Genügend gegeben hat.“) und Bürokratie („Alles muss akribisch belegt werden. Vor allem in der Volksschule wird genau geschaut, ob man genug gefördert hat.“).
Und wie reagiert Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer darauf? So: Tatsache sei, dass Lehrer immer wieder davon berichten, dass von Elternseite der starke Wunsch nach einer unangemessen guten Beurteilung ihrer Kinder geäußert werde. Himmer: „Wir unterstützen unsere Lehrer darin, diesem Druck nicht nachzugeben und auf Basis der geltenden gesetzlichen Bestimmungen korrekt zu benoten. Wiens Lehrer genießen die volle Rückendeckung der Schulbehörde. Das ist umgekehrt kein Freibrief für Notenwillkür, sondern ein Ausdruck des Vertrauens.“ Kurzum: Die Eltern sind schuld.
Michael Pommer, Kronen Zeitung
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