In den frühen Morgenstunden des Dienstags wurde der österreichische Student und Journalist Max Zirngast in Ankara verhaftet. Der Steirer (29) studierte in der türkischen Hauptstadt und in Wien Politikwissenschaft und Philosophie, hielt immer wieder wissenschaftliche Vorträge an der Uni Wien. Außerdem arbeitete er als freier Journalist und Autor. Nun wird ihm in der Türkei „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen. Fred Turnheim, Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs, sagte dazu in Richtung des türkischen Präsidenten: „Erdogan hat sich eine neue Geisel geholt.“
Max Zirngast arbeitete als freier Autor für das „re:volt“-Magazin und setzte sich für kurdische und linke Gruppierungen als Aktivist ein. Der Steirer - er studiert Philosophie an der Uni Wien und Politikwissenschaft an der Middle Eastern Technical University in Ankara - verfasste mehrere Artikel, in denen er mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan hart ins Gericht ging. So analysierte er am 22. April 2017, dass Erdogan besiegt werden könnte („Erdogan can be beaten“). Am 18. Mai 2018 setzte er sich kritisch mit den türkischen Wahlen auseinander und am 26. Juni verfasste er für die Berliner Zeitung „Junge Welt“ den kritischen Bericht „Erdogan triumphiert“. Zudem arbeitete Zirngast, der sehr gut Türkisch spricht, als Übersetzer.
Die „Steirerkrone“ erreichte die nordwestlich von Leibnitz wohnhaften Angehörigen von Zirngast: „Bitte verstehen Sie uns, dass wir derzeit keine Stellungnahme abgeben wollen.“ Laut Reporter ohne Grenzen wird dem Studenten die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Amnesty: „Viele Anschuldigungen sind konstruiert“
Eine Anschuldigung, die unter Staatschef Erdogan besonders oft gegen Regimegegner erhoben wird. Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, sagte dazu am Dienstagabend in der „ZiB 2“: „Aufgrund unserer Recherchen vor Ort wissen wir, dass viele Anschuldigungen konstruiert sind.“
„Max unterstützte demokratische Kräfte“
Berivan Aslan, ehemalige Abgeordnete der Grünen und Bekannte von Zirngast, sagte dazu: „Er ist seit Jahren in der Türkei aktiv und versucht, die demokratischen Kräfte zu unterstützen.“ Die Vorwürfe gegen ihn seien aus der Luft gegriffen: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Max zu den Menschen gehört, die für Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ihre Dienste leisten.“ Spätestens am Freitag wollen die türkischen Behörden entscheiden, ob Zirngast angeklagt wird.
Die Türkei befindet sich auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 157 von 180 Ländern. Rund 150 Medienhäuser wurden geschlossen und Massenprozesse abgehalten. Der Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs, Fred Turnheim forderte am Dienstagabend die sofortige Freilassung Zirngasts. „Dass nun auch ein österreichischer Journalist von Recep Tayyip Erdogan und seinen Schergen verhaftet wurde, war zu erwarten, nachdem zahlreiche österreichische Politiker auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei hingewiesen haben. Nun hat sich Recep Tayyip Erdogan eine neue Geisel geholt“, so Turnheim.
Die Vorsitzenden der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), Barbara Treiber und Eike Kullmann, nannten die Festnahme Zirngasts am Mittwoch einen „Fall von politischer Willkür“: „Wir beobachten schon seit Jahren massive Repression gegenüber JournalistInnen und Medien. Die Türkei entfernt sich damit immer mehr von Standards einer freien und demokratischen Gesellschaft.“
Manfred Niederl, Steirerkrone/Michaela Braune, krone.at
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