Die Festnahme eines Studenten aus Österreich in der türkischen Hauptstadt Ankara hat am Dienstag für Schlagzeilen gesorgt: Dem 29-jährigen Steirer Max Zirngast wird in der Türkei „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen. Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte die türkische Regierung am Mittwoch auf, die Vorwürfe gegen den verhafteten Journalisten und Aktivisten aus Österreich zu konkretisieren oder ihn freizulassen. Außenministerin Karin Kneissl rechnet mit einem Haftprüfungstermin am Freitag. Der deutsche Politikwissenschafter Ismail Küpeli, ein Bekannter des Steirers, sieht indes hinter der Festnahme einen möglichen Versuch, Druck auf Österreich auszuüben.
Die Türkei solle darlegen, was dem Journalisten vorgeworfen werde, reagierte Kanzler Kurz am Mittwoch auf die Festnahme des Österreichers. Wenn das nicht möglich sei, müsse eine „sofortige Freilassung“ erfolgen, forderte Kurz. Ähnlich äußerte sich auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), der die Türkei aufforderte, die Vorwürfe offenzulegen oder den Österreicher freizulassen.
Der Österreicher studiert in Ankara und schreibt - wie berichtet - als freier Autor unter anderem für das linke Magazin „re:volt“. Zirngast, der sich für kurdische und linke Gruppierungen als Aktivist einsetzt, verfasste mehrere Artikel, in denen er mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan hart ins Gericht ging.
Mutter von Steirer laut Ministerin „gefasst“
Laut Außenministerin Kneissl spricht Zirngast perfekt Türkisch und hat einen türkischen Rechtsanwalt, der jederzeit Zugang zu seinem Mandanten habe. Sobald möglich, werde auch die Botschaft einen Haftbesuch durchführen. Seine Mutter ist nach Angaben der Ministerin „gefasst“ und über die Vorgänge informiert. Aktuell ist er laut Kneissl in einer Polizeistation, in der Terrorverdächtige bis zum Verhör untergebracht werden. Sie kündigte an, dem Österreicher im Rahmen der konsularischen Schutzpflicht „jede Unterstützung, die erforderlich ist, zukommen lassen“ zu wollen.
Kneissl rechnet mit einem Termin beim Haftrichter spätestens am Freitag. Danach werde entschieden, ob Anklage erhoben wird. „Meinungs- und Pressefreiheit sind Grundrechte, Pfeiler der internationalen Ordnung“, betonte die Ministerin. Eine Belastung der Beziehungen zur Türkei sieht sie in der Causa nicht: „Konsularfälle haben wir in verschiedensten Ländern des Nahen Ostens.“
Festnahme, um Druck auf Österreich auszuüben?
Auch der deutsche Politikwissenschaftler Ismail Küpeli, der den Österreicher seit drei Jahren kennt und mit ihm auch bei einem Buchprojekt zusammengearbeitet hat, geht von einer baldigen Freilassung aus. Zirngast könnte in Wochen oder Monaten freikommen, so Küpeli am Mittwoch. Zirngast studiert Politikwissenschaft an der Middle East Technical University (ODTÜ) in Ankara, die der türkischen Regierung schon seit Längerem ein Dorn im Auge ist. Erst im Juli waren vier Studenten festgenommen worden, weil sie bei der Abschlusszeremonie ein Erdogan-kritisches Plakat gezeigt hatten. „Es ist an der Universität immer wieder zu Festnahmen von linken Studenten gekommen“, erläuterte Küpeli. Bisher seien aber nur türkische Studenten festgenommen worden, keine Ausländer.
Die Festnahme könnte somit „Teil einer größeren Kampagne gegen die Universität sein, in die er hineingeraten ist“, sagte Küpeli. Es sei aber auch möglich, „dass er gezielt festgenommen wurde, um Druck auf Österreich auszuüben“. Ob die Türkei den Österreicher tatsächlich als „Tauschpfand“ im bilateralen Konflikt einsetzen will, werde sich schon in den nächsten Tagen herausstellen, sagte der deutsche Politikwissenschaftler.
PKK-Vorwurf laut Bekanntem „absurd“
Als absurd bezeichnete Küpeli den Vorwurf, der Österreicher habe Kontakte zu verbotenen kommunistischen Gruppen gehabt. Es sei auch nicht richtig, dass er über die kurdische Terrororganisation PKK geschrieben habe. Vielmehr sei er „im Umfeld“ der prokurdischen Parlamentspartei HDP aktiv gewesen, die nicht verboten ist. „Seine Aktivitäten waren relativ offensichtlich“, verwies der Experte auf die Publikationstätigkeit des jungen Politikwissenschaftlers für linke Magazine wie „re:volt“ und „Jacobin“. „Das Risiko (einer Festnahme) bestand durchaus“, räumte Küpeli ein. Allerdings habe der Österreicher in jüngster Zeit keinen spezifischen Anlass dafür geliefert.
Küpeli rechnet mit einem glimpflichen Ende der Geschichte. „Die Chancen stehen weitaus besser, dass er auf dem einen oder anderen Weg freikommt, gerade weil er österreichischer Staatsbürger ist. Ich gehe nicht davon aus, dass er jahrelang in türkischen Gefängnissen verbringen wird.“
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