Das Europaparlament will Kreative im Internet besser schützen. Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten votierte am Mittwoch in Straßburg für eine entsprechende Reform des Urheberrechts. Das Votum ist aber nur ein Auftakt für Verhandlungen mit den EU-Staaten, viele Details sind noch offen.
„Der kulturelle Diebstahl im Netz muss aufhören. Wir brauchen eine angemessene Vergütung für Künstler, Kreative und Journalisten. Alle Rechteinhaber haben einen Anspruch auf Anerkennung ihres geistiges Eigentums, online genauso wie offline“, sagte der Berichterstatter und CDU-Europaabgeordnete Axel Voss. „Es wird Zeit, dass Online-Plattformen faire Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern treffen und die unentgeltliche Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken eindämmen.“ Die EU-Kommission soll nunmehr eine konstruktive Lösung ausverhandeln.
Das Europäische Parlament gehe mit einer schwachen Position in die Verhandlungen, kritisierte der Ko-Delegationsleiter der Grünen, Michel Reimon. „So könnten in Zukunft Fotos und Videos von Sportveranstaltungen verboten sein. Kosmetische Änderungen ändern nichts daran: Upload-Filter und Leistungsschutzrecht gefährden das freie Internet und sind der falsche Weg, Urheberrechte zu schützen.“
Im Europaparlament gehen die Meinungen quer durch die Fraktionen auseinander: Für die Abstimmung am Mittwoch wurden mehr als 250 Änderungsanträge eingereicht. Erst nach dem Votum im Plenum können die Verhandlungen mit dem Rat der 28 EU-Staaten beginnen. Ob die Reform noch vor der Europawahl im kommenden Mai unter Dach und Fach gebracht werden kann, ist aber fraglich.
Anpassung an das Internet-Zeitalter
Mit der Reform will die EU das Urheberrecht dem Internet-Zeitalter anpassen. Suchmaschinen wie Google sollen zur Bezahlung für angebotene fremde Nachrichteninhalte verpflichtet werden. Dazu war zunächst auch die Einführung von sogenannten Upload-Filtern auf Online-Plattformen vorgesehen, um urheberrechtlich geschützte Inhalte automatisch zu blockieren.
Angesichts massiver Proteste hatte Voss zwar das Wort Filter aus dem Text gestrichen und stattdessen verankert, dass Plattformen für etwaige Verstöße gegen das Urheberrecht „haftbar“ gemacht werden sollen. Außerdem soll die Verpflichtung nur für Plattformen wie Google oder Facebook gelten, die „große Mengen“ an Uploads anbieten und diese „bewerben“. Kleine Unternehmen sollen davon ausgenommen werden.
Gegner fürchten Zensur
Den Gegnern geht dies aber nicht weit genug. Wenn Plattformen für Urheberrechtsverstöße haften müssten, sei dies für sie ein Anreiz, Filter einzusetzen, argumentiert etwa Julia Reda von der Piratenpartei, die im Europaparlament der Grünen-Fraktion angehört. Eine Reihe von Abgeordneten, unter ihnen der deutsche Sozialdemokrat Tiemo Wölken, schlagen stattdessen vor, Plattformen zum Abschluss von „fairen Lizenzen“ etwa mit Verwertungsgesellschaften zu verpflichten.
Strittig ist auch ein geplantes „verwandtes Schutzrecht“, das dem deutschen Leistungsschutzrecht ähnelt. Damit soll sichergestellt werden, dass etwa Verlage oder Nachrichtenagenturen für die Verwendung ihrer Inhalte vergütet werden. Gegner sehen darin eine Art „Linksteuer“. Wenn schon kleine Ausschnitte aus Artikeln oder eine Überschrift lizenziert werden müssten, sei der freie Austausch von Nachrichten im Internet nicht mehr möglich.
Lobby-Schlacht
Um die geplante Reform tobt seit Monaten eine selbst für EU-Verhältnisse ungewöhnlich massive Lobby-Schlacht. Am Rande des Filmfestivals von Venedig riefen mehr als 160 Regisseure die EU-Abgeordneten auf, den Text zu verabschieden. Einen ähnlichen Appell unterzeichneten vergangene Woche etwa 200 französische Kulturschaffende. Mehr als 100 europäische Reporter und Chefredakteure schlossen sich Ende August einem Aufruf des AFP-Kriegsberichterstatters Sammy Ketz zugunsten der Reform an.
Gegen die Reformpläne machen indes Internet-Giganten wie Google, YouTube oder die Online-Enzyklopädie Wikipedia (Screenshot oben) mobil, die ihr Geschäftsmodell gefährdet sehen. Lobby-Verbände der Internet-Branche bombardieren die Europaabgeordneten seit Wochen mit Tausenden von E-Mails. Einige Parlamentarier berichten sogar von regelrechten Drohbriefen.
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