Es war wohl doch kein gemeinschaftlicher Suizidversuch: Dies legen zumindest die neuesten Ermittlungserkenntnisse der Wiener Polizei am Samstagvormittag nahe, nachdem sechs Schubhäftlinge am späten Freitagabend in einer Zelle im Polizeianhaltezentrum Feuer gelegt hatten. So hatten sich die sechs Männer nach dem Brandausbruch in einen an die Zelle angeschlossenen Waschraum zurückgezogen und den Türspalt mit Stofffetzen verstopft, um den Rauch am Eindringen zu hindern.
Ein stark angesengter Abschiedsbrief, unterschrieben von allen sechs Insassen - fünf Afghanen sowie ein Iraner -, hatte zunächst auf einen Selbstmordversuch der Schubhäftlinge schließen lassen. In diesem hatten die Männer erklärt, dass ihre Geduld zu Ende sei und sie keine Perspektive mehr hätten. Vielmehr dürfte es sich bei der Tat um eine „Art Zeichen“ gehandelt haben, so Polizeisprecher Harald Sörös, die Häftlinge wollten offenbar auf ihre Situation aufmerksam machen.
In Waschraum zurückgezogen
Dafür spricht auch, dass fünf der Männer von den Helfern in einem an die Zelle angeschlossenen Extraraum gefunden worden waren. Dorthin, so ergaben die Erhebungen, hatten sich die Schubhäftlinge zurückgezogen, nachdem sie am Abend Matratzen und Bettwäsche in Brand gesetzt hatten. Den Spalt unter der Tür deckten sie mit Stoffstücken ab und wollten damit offenbar verhindern, dass Rauch und Qualm in den Raum gelangen. Jedoch bot der Stoff nicht genügend Schutz, sodass einer der Häftlinge doch zur Zellentür rannte, um Hilfe zu holen. Hierbei dürfte es sich um jenes Opfer handeln, das die Helfer reglos hinter Tür gefunden hatten.
Vorsichtige Entwarnung und nähere Details
Indes gab es aus den Wiener Krankenhäusern rund um den Gesundheitszustand der sechs Schwerverletzten vorsichtige Entwarnung. Nach Angaben des Polizeisprechers befanden sich die Häftlinge am Vormittag außer Lebensgefahr. Auch wurden nähere Details zu den Insassen bekannt. Einer der Afghanen, ein 19-Jähriger, war einmal bereits in Hungerstreik getreten. Er befand sich seit 3. August in Schubhaft, hatte aber noch keinen Termin für seine Abschiebung. Er war es auch, der am schwersten verletzt wurde: Neben einem Inhalationstrauma erlitt er Verbrennungen von zehn Prozent der Hautoberfläche.
Der jüngste Insasse war ein 18-jähriger Afghane, der seit 23. Juli in Schubhaft saß. Er sollte am 17. September abgeschoben werden. Dieser Mann erlitt ebenfalls ein Inhalationstrauma. Daneben hatte nur noch ein Insasse einen Abschiebungstermin: der einzige Iraner in der Zelle, 30 Jahre alt. Er sollte am 19. September außer Landes gebracht werden und befand sich seit 6. September in Schubhaft. Sein Gesundheitszustand war am Tag nach dem Feuer ebenso wie der der drei übrigen Insassen stabil, so Sörös.
Drei Häftlinge ohne Abschiebetermin
Bei den drei anderen verletzten Schubhäftlingen handelt es sich um Afghanen im Alter von 22, 31 und 33 Jahren. Der 31-Jährige saß seit 24. Juli in Schubhaft, der 22-Jährige seit 14. und der 33-Jährige seit 29. August. Alle drei hatten noch keinen Termin für die Abschiebung.
Das Feuer war am Freitagabend gegen 22.30 Uhr in einer Zelle im ersten Stock des Polizeianhaltezentrums ausgebrochen. Die Qualmentwicklung war derart stark, dass das Gebäude teilevakuiert werden musste. Bei 14 weiteren Häftlingen bestand der Verdacht auf Rauchgasvergiftung, sie wurden von der Berufsrettung medizinisch versorgt.
Schubhaft ist nicht gleichbedeutend mit Strafvollzug, präzisierte Sörös außerdem. Sie diene ausschließlich der „Verfahrenssicherung“, erklärte er. „Es gibt grundsätzlich zwischen 8 und 17 Uhr einen offenen Vollzug“, erläuterte der Sprecher. Die Häftlinge könnten sich in diesem Zeitraum in dem jeweiligen Block frei bewegen. An Feuerzeuge oder Streichhölzer zu gelangen und so Feuer zu machen, stelle grundsätzlich kein größeres Problem dar. Zu den angegebenen Zeiten seien Raucher- sowie Nichtraucherzellen frei zugänglich, hieß es.
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