Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich erneut gegen eine Diskussion über die Verteilung von Flüchtlingen in Europa ausgesprochen. Damit könne die Migrationsfrage nicht gelöst werden, sagte er am zweiten Tages des informellen EU-Gipfels in Salzburg. Einige Staats- und Regierungschefs wollten jedoch nach wie vor darüber diskutieren. Dabei gebe es allerdings „nicht allzu viel Bewegung“, die Fronten seien weiterhin verhärtet.
Deshalb „werden wir das weiterhin auf der Agenda haben“, erklärte Kurz. Bereits am Mittwochabend war bei einem Abendessen in der Felsenreitschule über das Thema Migration und Asyl gesprochen worden. Die Atmosphäre sei „eine bessere, als wir das manchmal bei anderen Sitzungen hatten“, sagte Kurz.
Chance auf Lösung beim Thema Verteilung „überschaubar“
Die Debatte über die Verteilung von Flüchtlingen sei jedenfalls keine Lösung, betonte Kurz. Die Chance, über das Thema Verteilung zu einer Lösung zu kommen, halte er für „überschaubar“. Vielmehr brauche es eine vertiefte Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Ländern, meinte der Kanzler mit Blick auf Ägypten.
Auf die Frage, ob jene Staaten, die sich bisher weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen, stattdessen mehr finanzielle Beiträge leisten könnten, antwortete Kurz ausweichend. Er habe den Eindruck, dass mehr und mehr von seinen Kollegen bewusst geworden sei, dass die Migrationsfrage nicht über Verteilung, sondern an der Außengrenze und durch Kooperation mit Transitländern gelöst werden müsse.
Conte: „Dann können wir nicht von europäischem System sprechen“
Italiens Ministerpräsident Guiseppe Conte drängt hingegen weiterhin auf ein gesamteuropäischen System zur Flüchtlingsverteilung. „Wenn sich nur einige Staaten beteiligen, können wir nicht von einem europäischen System sprechen“, betonte er. „Wir arbeiten derzeit an einem Mechanismus, der wahrhaft europäisch ist.“ Höhere Zahlungen anstelle der Aufnahme von Flüchtlingen wären die „verbleibende Möglichkeit“, doch sei es „wichtig, dass es eine umfassende Beteiligung am Umverteilungsmechanismus gibt“, unterstrich Conte. „Sonst hat das keinen Sinn.“
Ägypten will keine Flüchtlingszentren auf seinem Boden
Ägyptens Regierung lehnt indes die Errichtung von Flüchtlingszentren auf ihrem Staatsgebiet ab. Migranten in Ägypten werde Bewegungsfreiheit im Land garantiert, ebenso würden Gesundheitsversorgung und Bildungsangebote zur Verfügung gestellt, teilte das ägyptische Außenministerium am Rande einer Konferenz internationaler Parlamentarier in der Tourismusstadt Sharm el-Sheikh mit.
Menschenhandel und Schlepperei könnten nur bekämpft werden, wenn auch mit „kompetenten Organisationen“ kooperiert werde. Kairo rief alle Staaten, die Zielländer von Migranten sind, auf, Entwicklungsprojekte in den Herkunftsländern zu lancieren, um Jobmöglichkeiten zu kreieren. Die EU will in Zukunft enger mit Ägypten und anderen nordafrikanischen Staaten zusammenarbeiten. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Beziehungen zu Afrika in Salzburg als „Schlüsselbeziehungen“ für die Europäer. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet, dass sich die EU noch dieses Jahr auf einen besseren Außengrenzschutz verständigen wird.
Bettel: „Wir haben eine politische Krise, keine Flüchtlingskrise“
Tusk und Luxemburgs Premier Xavier Bettel betonten, dass die Flüchtlingszahlen inzwischen massiv zurückgegangen und niedriger als 2007 seien. „Wir haben eine politische Krise, keine Flüchtlingskrise“, meinte Bettel deshalb. „Wenn es so weitergeht, dass wir bei jedem EU-Gipfel Meinungsverschiedenheiten bei der Migration austauschen, werden die Rechtspopulisten weiter gestärkt“, meinte ein hoher EU-Vertreter. Rechtspopulistische Regierungen wie jene in Italien hätten aber ein Interesse daran, die Diskussion weiter am Köcheln zu halten.
Brexit-Sondergipfel im November
Neben der Migrationsfrage dominierte den Salzburger Gipfel vor allem der immer näher rückende Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Bei den Brexit-Verhandlungen gab es zuletzt nur wenig Bewegung, daran änderte sich auch in Salzburg nichts. Daher werden die Staats- und Regierungschefs am 17. und 18. November zu einem Brexit-Sondergipfel zusammenkommen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.