„Krone“-Interview

„Mrs. May, reden wir über die Scheidung“

Ausland
21.09.2018 06:00

Die britische Premierministerin Theresa May wäre lieber Fußball-Weltmeisterin, als weiter in der EU zu bleiben. Also, Mrs. May, dann reden wir doch bitte über die Scheidung.

Wenn es um Etikette und Pünktlichkeit geht, sind die Briten Weltmeister. Auch wenn sie ihre eigenen Regeln ändern. Das für 14.05 Uhr angesetzte „Krone“-Interview mit Premierministerin Theresa May wird kurzfristig auf 13.10 Uhr vorverlegt. Ein prüfender Blick des britischen Presseoffiziers: „Machen Sie bitte Ihren obersten Hemdknopf zu.“ Später im Interview wird er wieder aufgehen. „Die Krawatte noch etwas nach links.“ Ein kurzes Nicken.

Das Gesamtkonzept entspricht nun den Wertvorstellungen britischer Sittenhaftigkeit. Pünktlich um zehn nach eins betritt die britische Premierministerin den Raum. Sie findet Salzburg ganz fabelhaft und bedankte sich noch mal bei Bundeskanzler Sebastian Kurz für die Einladung zu den Salzburger Festspielen im Sommer. Apropos Kanzler Kurz ...

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz unterhält sich am Rande des EU-Gipfels mit Theresa May und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer. (Bild: AFP)
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz unterhält sich am Rande des EU-Gipfels mit Theresa May und Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer.

„Krone“: Frau Premierministerin, Bundeskanzler Kurz forderte beim Gipfel in Salzburg Großbritannien auf, sich in den Brexit-Fragen auf die EU zuzubewegen. Sie sagten kürzlich, es gäbe entweder Ihren Deal oder gar keinen. Sind die Fronten beim Brexit so verhärtet, wie sie es in der Migrationsfrage sind?
Theresa May: Ich bin mir sicher, dass wir einen gemeinsamen Weg finden werden. Das macht auch die österreichische Ratspräsidentschaft so wichtig, weil wir in dieser Periode den Brexit finalisieren müssen und wie die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und der EU aussehen kann. Und ich bin sicher, dass wir einen Deal finden, der für alle zufriedenstellend ist. In Fragen der Migration will Großbritannien auch nach dem Brexit eng mit den europäischen Partnern zusammenarbeiten. Denn diese Frage betrifft unsere Zukunft und nachfolgende Generationen. Schlepper werben im Internet für die gefährliche Reise über das Mittelmeer. Diese Netzwerke müssen wir zerstören, und da sind wir auf einem guten Weg.

Meine These: Die irische Grenzfrage kann nicht gelöst werden. Das Karfreitagsabkommen sieht unter anderem offene Grenzen und freien Warenverkehr zwischen Nordirland und Irland vor. Die Regeln der Zollunion und des Binnenmarkts erfordern im Brexit-Fall allerdings Grenzkontrollen. Also kann es nur eine Lösung geben, wenn entweder die EU oder Großbritannien klein beigeben.
Wir werden nicht in der Zollunion sein. Aber unser Vorschlag beinhaltet einen Weg, wie mit Zoll und Vorschriften für Industriegüter und landwirtschaftliche Produkte umgegangen werden soll, um den reibungslosen Handel über die Grenze hinweg aufrechtzuerhalten. Wir werden die EU nur auf einem Weg verlassen. Einem Weg, auf dem es keine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland geben wird, aber auch keine Grenze in der Irischen See zwischen Nordirland und Großbritannien, so wie es die EU vorgeschlagen hat. Nordirland ist Teil des Vereinigten Königreichs. Das ist sehr wichtig für uns. Wir werden keine Arrangements erlauben, in denen Nordirland von Großbritannien abgeschnitten wird.

Theresa May in Salzburg (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Theresa May in Salzburg

Ihr Vorschlag schlägt Freihandelszonen für bestimmte Waren vor. Ökonomen vermuten, das könnte zum Beispiel die brach liegende Fischindustrie Großbritanniens stärken. Das klingt aber doch sehr nach Rosinenpicken.
Nein, wir wollen nur alle Möglichkeiten, die es für uns und Europa gibt, nutzen. Der freie Warenverkehr, der sich über die Jahre etabliert hat, ist für alle Firmen wichtig. Es gibt 250 österreichische Firmen, die Niederlassungen in Großbritannien haben, die natürlich weiter die Möglichkeit haben wollen, friktionsfreien Handel jenseits der Grenze machen zu können. Und es würde auch eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindern.

Es gibt ähnliche Freihandelsverträge der EU mit Kanada. Dieser Deal dauerte sieben Jahre. Der Brexit ist in sechs Monaten und steht unter keinem guten Stern. Im Falle eines Scheiterns, wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?
Ich sehe noch immer den Willen, einen Deal abzuschließen, der alle zufriedenstellt. Ich glaube an diesen Deal! Natürlich bereiten wir uns aber auch auf das Scheitern vor. So wie es auch die Europäische Union macht.

Großbritanniens Premierministerin Theresa May (Bild: APA/AFP/Christof STACHE)
Großbritanniens Premierministerin Theresa May

In Großbritannien leben 3,8 Millionen EU-Bürger, denen das britische Innenministerium nahegelegt hat, ihren Antrag auf dauerhaften Aufenthalt erst einzureichen, wenn der Brexit über die Bühne gebracht wurde. Müssen die sich auf das Schlimmste vorbereiten?
Nein, wir verpflichten uns zu dem Beschluss der EU-Kommission im Dezember zu den Bürgerrechten. Das betrifft auch die etwa 26.000 Österreicher, die in Großbritannien leben, so wie die 11.000 Briten, die in Österreich leben. Sie haben sich dafür entschieden, ihr Leben hier zu verbringen. Und das Recht werden sie auch nach dem Brexit haben.

Was, glauben Sie, wird eher passieren: Dass England die Fußball-Weltmeisterschaft gewinnt oder Großbritannien eines Tages in die EU zurückkehrt?
Natürlich gewinnen wir eher die Weltmeisterschaft!

Das Interview führte Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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