Das Eis, auf das sich Audi mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“ begeben hat, ist im Laufe der Jahre zusehends dünner geworden. Offenbar hat der Ingolstädter Autobauer irgendwann erkannt: Es ist Zeit, die Kuh vom Eis zu holen, den Slogan wieder mit Leben zu füllen. Das machen sie nun, Modell für Modell. Nächster Streich: die zweite Generation des Audi Q3.
Bisher waren es vier Modellreihen in zwei Klassen, die eine neue Richtung wiesen: Audi A6/A7 in der oberen Mittelklasse sowie Audi A8 und Q8 im Luxussegment. Und nun „Kuh 3“ bei den Kompakten. Um es vorwegzunehmen: Der Q3 ist ein großer Wurf; oder auch: ein ziemlich fetter Haufen, den Audi der Konkurrenz hinge******** hat. Vielleicht haben sich die drei Rindviecher hier deshalb so freundlich in Pose geschmissen.
Das Design innen wie außen weit entfernt von langweilig, der Innenraum höchst großzügig und variabel, das Fahrverhalten geschmeidig und souverän, dabei aber atmosphärisch nicht mehr so kalt, wie es Audis sonst gerne sind - da hat sich was getan im Freistaat Bayern.
Vielleicht liegt es an den Alcantara-Flächen im Innenraum, die einen natürlichen Touch verströmen. Oder an den Sportsitzen, die so wunderbar bequem sind, dass man kaum aussteigen möchte. Die Materialien in den Testfahrzeugen, die Audi zur Fahrpräsentation nach Südtirol gebracht hat, sind jedenfalls schwer in Ordnung. Nur eine uninspirierte Plastikfläche unterhalb der Klima-Bedienkonsole stört das Bild. Aber vielleicht ist das wie die berühmte Prise Salz in einer Süßspeise, die das Ergebnis erst rund werden lässt.
Innen größer als außen? Leider nicht.
Audi bemüht sich so sehr, alles richtig zu machen, dass es beinahe sympathisch wirkt, wenn etwas nicht perfekt ist. Wie zum Beispiel, dass der Fahrer etwas wenig Platz für sein linkes Bein hat. Ansonsten herrscht große Opulenz im Innenraum, vor allem auf der Rückbank, und das sogar für Hünen hinter Hünen. Das liegt daran, dass der neue Audi Q3 im Vergleich zum Vorgänger deutlich gewachsen ist: zehn Zentimeter in der Länge auf 4,49 Meter, fast acht Zentimeter beim Radstand, der jetzt 2,68 Meter beträgt. Dass der Audi Q3 den gleichen Radstand hat wie der VW Tiguan Allspace, diese Information eines VW-Ingenieurs am Rande der Präsentation in Südtirol erwies sich leider als Ente. Wirkte aber angesichts des Platzangebots durchaus nicht unplausibel.
Sehr praktisch: Die Rückbank ist serienmäßig um 15 Zentimeter verschiebbar. Dadurch wächst der Kofferraum von 530 auf 675 Liter, während die Beinfreiheit auf null schrumpft.
Abteilung Attrappe aufgelöst
In Sachen Exterieurdesign war bei Audi lange Zeit gepflegte Fadesse angesagt - vorbei. Der oktagonale Kühlergrill - seit dem Q8 das neue Erkennungsmerkmal der Q-Reihe - steht im Wind wie ein Kuhfänger (bullbar), die ganze Karosserie zeigt Linien und Kanten, die früher bei Audi nicht denkbar gewesen wären. Allein die pummelig-kantig ausgeformten Kotflügel, die abgesetzte Kante, die parallel zum Rand der Motorhaube verläuft - fast schon mu(h)tig. Allerdings muss sich erst noch zeigen, wie zeitlos das Design dereinst wirkt, wenn ein paar Jahre ins Land gezogen sind.
Die Auspuffendrohre sind unter dem Fahrzeugheck versteckt. Zum Glück folgt Audi beim Q3 nicht dem auch im eigenen Haus verfolgten Trend (besser gesagt: der grassierenden Designseuche), undurchlässige Auspuffattrappen anzubringen. Die Q3-Macher belassen es bei stilisierten Designelementen im hinteren Stoßfänger, die nicht wirklich vorgeben, etwas mit dem Auspuff zu tun zu haben.
Erstklassiges Fahren
Die Schokoladenseite des neuen Audi Q3 ist, wie er sich fährt. Wo sich andere SUVs mit nervender Härte gegen den erhöhten Schwerpunkt stemmen, gleitet der Q3 straff, aber komfortabel und souverän über Bodenunebenheiten hinweg. Richtig geschmeidig geht es dahin, jedenfalls mit dem adaptiven Fahrwerk, das für die Testfahrten ausschließlich zur Verfügung stand. Die Progressivlenkung (optional) arbeitet sehr leichtgängig - und zwar in jedem Fahrmodus -, bietet aber ausgesprochen viel Feedback und vermittelt ein gutes Gefühl für Fahrbahn und eingeschlagenen Lenkwinkel. Dadurch lässt sich der kompakte Ingolstädter besonders elegant durch schnelle Kurven zirkeln, weil man praktisch nie den gewählten Lenkeinschlag korrigieren muss. Zum guten Komforteindruck trägt auch die grundsätzlich zurückhaltende Geräuschkulisse bei.
Motoren: Gute Konzernkost
Zum Marktstart im November haben Kunden die Wahl aus vier Vierzylinder-Turbo-Motoren, die je nachdem mit Front- oder Allradantrieb kombiniert sind. Der vorläufig einzige Diesel (später soll die 190-PS-Version dieses Zweiliter-Triebwerks nachgereicht werden) leistet 150 PS und bietet 340 Nm ab 1750/min., verlangt aber nach einer Gedenksekunde, bevor er mächtig anreißt, und ist akustisch überraschend präsent. Das fällt in der relativen Abwesenheit sonstiger Geräusche umso mehr auf. Der Basisdiesel ist zum Marktstart als einzige Motorisierung wahlweise mit manuellem Sechsganggetriebe bestellbar, das sich mit seinem langen Schalthebel präzise bedienen lässt. Ansonsten ist das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe „S Tronic“ obligatorisch.
Der ideale Motor, wenn finanzielle Aspekte gegenüber dem Spaß in den Hintergrund treten, ist das 230 PS starke Zweiliter-Triebwerk im Audi Q3 45 TFSI, das mit 350 Nm zwischen 1500 und 4400 Touren mächtig andrückt, mit nur leichter Verzögerung. 6,3 Sekunden genügen für den Sprint auf Tempo 100, maximal gehen sich 233 km/h aus. Als Q3 40 TFSI gibt es auch mit 190 PS und 320 Nm, diese Version hatte Audi aber nicht mit nach Südtirol gebracht.
Einstiegsmotorisierung ist der frontgetriebene, 150 PS starke 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner mit Zylinderabschaltung, der sich mit maximal 250 Nm unten herum ein wenig bitten lässt. Immerhin bringt der Audi Q3 35 TFSI nach DIN bereits mehr als 1,6 Tonnen auf die Waage.
Alle Benziner haben einen Partikelfilter und sind zum Marktstart mit einem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe kombiniert, die Zweiliter sind allradgetrieben.
Digitale Armaturen serienmäßig
Der Audi Q3 hebt sich auch in Sachen Ausstattung von seinen Konzern-Kollegen bzw. -Konkurrenten ab. Etwa durch die serienmäßigen digitalen Instrumente. Ein analoges Kombiinstrument wird ebenso wenig angeboten wie der bekannte Dreh-drück-Steller. In der Basis blickt der Fahrer durch das Lenkrad auf ein 10,25-Zoll-Display, das er über das Multifunktionslenkrad bedient. Das teilweise konfigurierbare virtuelle Cockpit kostet aber extra. Wer „MMI Navigation plus“ (mit fest installierter SIM-Karte) bestellt, bekommt das „virtual cockpit“ mit vollen 12,3 Zoll Diagonale. Das ist dann wirklich sehenswert und echte Oberklasse. Das Navigationssystem leitet dann mit Echtzeit-Verkehrsdaten und kann sich an Streckenvorlieben des Fahrers orientieren.
Was man sich auch gönnen sollte, ist das Bang-und-Olufsen-Soundsystem. Wer sich dann in der Konzertsaalatmosphäre verliert, freut sich unter Umständen, wenn der Audi Q3 im Fall des Falles selbsttätig bremst, einparkt oder sogar bis 200 km/h ohne eigenes Zutun über die Autobahn rauscht.
Unterm Strich
Man muss sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, um zu behaupten: Der Audi Q3 ist so was wie der Klassenmaßstab. Er hat im Vergleich zum Vorgänger extrem an Charakter und Ausstrahlung gewonnen und hebt sich in Sachen Feinschliff und Abstimmung auch von seinem sehr nahen Verwandten VW Tiguan ab. Billig wird der Spaß aber nicht, in Österreich werden wohl mindestens 35.000 Fladen fällig. Und dann folgt erst noch der Almauftrieb durch die Aufpreisliste. Geld wie Heu schadet also nicht.
Warum?
Charakterstarkes Kompakt-SUV
Hervorragende Fahreigenschaften
Geräumig und variabel
Warum nicht?
Einen leichten Gedenkmoment haben alle gefahrenen Motorisierungen.
Oder vielleicht …
… BMW X1, VW Tiguan, Jaguar E-Pace, Range Rover Evoque
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