Entwarnung zu früh?
Empörung nach Tsunami: Alarmsystem hat versagt
Bei der Tsunami-Katastrophe in Indonesien dürften mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen sein. Nach der jüngsten Zwischenbilanz der Behörden sind auf der Insel Sulawesi offiziell mindestens 832 Tote zu beklagen. Die Regierung befürchtet jedoch, dass die Zahl der Todesopfer durch die Flutwelle und die vorangegangenen Erdbeben in die Tausende geht, in einem unbestätigten örtlichen Medienbericht war Sonntagnacht auch bereits von mindestens 1203 Toten die Rede. Nun wird die Kritik am Tsunami-Warnsystem immer lauter, von einem Versagen - technischer oder menschlicher Art - ist die Rede. Die Behörden wehren sich.
In der 350.000-Einwohner-Stadt Palu, die von eineinhalb Meter hohen Wellen getroffen wurde, wurden viele Bewohner am Strand vom Tsunami überrascht. Am Abend sollte ein Festival stattfinden. Die Besucher wurden vor der herannahenden Katastrophe nicht gewarnt, wie der Sprecher der Katastrophenschutzbehörde, Sutopo Nugroho, bestätigte: „Es gab keine Sirene. Viele Menschen waren sich der Gefahr nicht bewusst.“
Tsunami-Warnung zu früh aufgehoben?
Das nationale Zentrum für Meteorologie und Geophysik hatte nach dem schlimmsten Beben der Stärke 7,4 am Freitagabend zwar eine Tsunami-Warnung ausgegeben, hob sie nach nur einer halben Stunde aber wieder auf - aus Sicht von Kritikern viel zu früh. Die Behörde verteidigte sich mit dem Hinweis, dass das Wasser zu diesem Moment schon wieder auf dem Rückzug gewesen sei.
Vizepräsident Jusuf Kalla befürchtete am Sonntag „Tausende“ Tote. „Die Opferzahl wird weiter steigen“, pflichtete Katastrophenschutz-Chef Nugroho bei. Die meisten Toten wurden nach Behördenangaben bisher in der Küstenstadt Palu gezählt. Dutzende Menschen werden dort noch vermisst, unter ihnen mehrere Ausländer. Meldungen über vermisste Österreicher liegen nicht vor. Es dürften sich keine Landsleute im Unglücksgebiet aufgehalten haben, hieß es am Sonntag seitens des Außenministeriums.
Verzweifelte Bewohner plündern Geschäfte
Die Suche nach Überlebenden wird unterdessen immer mehr zu einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit. Hilfsorganisationen und örtliche Einsatzkräfte hatten es schwer, in verschiedene Ortschaften in der stark betroffenen Küstenregion Donggala zu gelangen. Die Behörden ordneten Massenbeisetzungen der Toten an. Verzweifelte Bewohner plünderten auf der Suche nach Essen und Wasser Geschäfte.
Indonesiens Präsident Joko Widodo machte sich am Sonntagnachmittag vor Ort ein Bild der Tragödie. Er forderte das Militär nach Angaben seines Büros auf, „Tag und Nacht zu arbeiten“, um die Bergungsarbeiten voranzutreiben.
Leichen in Hof abgelegt
Der schwer beschädigte Flughafen von Palu wurde für Hilfslieferungen wieder geöffnet - allerdings nur für Piloten, die auf Sicht landen können. Neben überfüllten Krankenhäusern wurden Verletzte auch unter freiem Himmel behandelt. Im Hof eines Krankenhauses lagen bei brütender Hitze Dutzende in Säcke gehüllte Leichen.
In der Bevölkerung wuchs die Verzweiflung: „Wir haben nichts zu essen, nichts“, sagte ein Mann, der einen Supermarkt plünderte. „Die Situation zwingt uns dazu, das zu tun, wir brauchen alles“, berichtete ein Jugendlicher. Säckeweise trugen Menschen Lebensmittel aus Geschäften. Die Behörden kündigten an, die Inhaber zu entschädigen und Plünderer nicht zu bestrafen.
Viele Bewohner von Palu zimmerten sich notdürftige Unterkünfte oder schliefen aus Angst vor weiteren Beben im Freien. Vielerorts gab es keinen Strom.
Deutscher Forscher: „Software hat einwandfrei funktioniert“
Josef Zens, Sprecher des deutschen Geoforschungszentrums, sah beim Warnsystem keine Probleme. Eine Warnung für das Gebiet war Zens zufolge am Freitag bereits fünf Minuten nach dem Erdbeben im Lagezentrum des Tsunami-Frühwarnsystems eingetroffen. Das System habe eine Warnung für Palu vor einem Tsunami zwischen einem halben und drei Metern Höhe ausgegeben. „Nach unseren Informationen hat die Software einwandfrei funktioniert.“
Der Tsunami habe dann nach 25 Minuten in Sulawesi die Küste getroffen. Die Vermutung sei also, dass „irgendetwas bei der menschlichen Übermittlung der Warnung vor Ort in Sulawesi nicht funktioniert hat“, sagte Zens dem deutschen „Tagesspiegel“. „Das System sieht vor, dass die Warnung frühestens nach zwei Stunden aufgehoben werden darf.“
Behörde wehrt sich: Nach Entwarnung kam keine Flutwelle mehr
Die Leiterin der zuständigen indonesischen Agentur für Meteorologie, Klima und Geophysik, Dwirkorita Karnawati, rechtfertigte die Entscheidung, die Tsunami-Warnung nach einer halben Stunde wieder aufzuheben. Zu diesem Moment habe es keine Flutwellen mehr gegeben, so die Behördenchefin. Ihr zufolge wurde die Küstenstadt Palu nach der Serie von Erdstößen innerhalb weniger Minuten von drei Flutwellen getroffen. „Der Strand von Palu wurde in der Dämmerung von drei Wellen erfasst. Das hat zweieinhalb Minuten gedauert“, sagte Karnawati gegenüber der Zeitung „Jakarta Post“. „Die dritte und höchste hat Häuser und Kioske mit sich gerissen.“ Erst einige Minuten später, um 18.37 Uhr Ortszeit, sei die Tsunami-Warnung aufgehoben worden.
Spendenkonten eingerichtet
Aus dem Ausland trafen zahlreiche Hilfsangebote für die Opfer in Indonesien ein. Organisationen wie Caritas, Rotes Kreuz und World Vision bemühten sich, die Hilfsbedürftigen zu unterstützen. Zur Finanzierung der Maßnahmen ergingen Spendenaufrufe. Auch Sie können mit einer Spende an eines der folgenden Konten einen kleinen Beitrag leisten:
- Spendenkonto ÖRK: IBAN AT57 2011 1400 1440 0144 Erste Bank, Kennwort: Katastrophenhilfe
- Spendenkonto World Vision Österreich: IBAN AT22 2011 1800 8008 1800, Kennwort: Erdbeben Indonesien
- Spendenkonto Caritas: IBAN AT23 2011 1000 0123 4560, Kennwort: Tsunami Indonesien
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.