Das Sitzenbleiben soll wieder zurückkehren, statt sieben gibt es wieder fünf Noten und auch die Leistungsgruppen feiern ein Comeback. Das sagen Eltern und Schüler zu den Plänen.
„Wenn du glaubst, Bildung sei teuer, dann probier aus, was Dummheit kostet“, heißt es im Volksmund. Umso höher ist die Verantwortung des zuständigen ÖVP-Ministers Heinz Faßmann, der nun die von der Regierung angekündigte Bildungsreform auf Schiene bringen will.
„Aus Alt macht Neu“
„Aus Alt macht Neu“, titelte die „Krone“ diesbezüglich am Dienstag. Das alte Notensystem, eine Rückkehr zu den Leistungsgruppen und auch das Sitzenbleiben feiern ein Comeback. Doch wie sehen es die Betroffenen? Was sagen die Schüler quer durch Österreich? Vom Taferlklassler bis zum Tintenpatzer, vom Unterstufler bis zum Maturanten? Und was die Eltern, die einen Teil der Erziehung ihrer Kinder im wohlfeilen Glauben in die Hände ausgebildeter Pädagogen legen, damit auch mit deren Mithilfe am Ende „was G’scheites“ aus dem Nachwuchs wird? Wir haben Antworten gesucht. Und gefunden.
„Kinder dem System untergeordnet“
Verunsicherung mache sich vor allem in Wien breit, sagt der Vorsitzende des Elternvereins, Karl Dwulit. Positive Entwicklungen würden fallen gelassen werden und „Kinder und ihre Fähigkeiten dem System untergeordnet“.
„Man kann den Kindern schon etwas zutrauen“
Klaus Schöffmann, Präsident des Kärntner Elternvereins, sieht gute Ansätze, aber: „Was im Entwurf fehlt, ist insbesondere der Ausbau der Schulsozialarbeit und Sprachförderung.“ Ebenfalls kritisch ist Renee Wisak aus Eisenstadt: „Es soll dadurch der Leistungsdruck erhöht werden. Es wäre ein Rückschritt ins vorige Jahrhundert.“ Roland Ortner, Elternvertreter von der VS Eugendorf in Salzburg, ist gegenteiliger Meinung: „Man kann den Kindern schon etwas zutrauen.“ Christoph Drexler vom Tiroler Elternverband sieht Vor- und Nachteile: „Wir würden ein Nebeneinander von Ziffernnoten und alternativer Beurteilung wie ein persönliches Gespräch als geeignetsten Weg ansehen.“
„Einstimmiges Votum für Notengebung“
In der Volksschule Aggsbach in Niederösterreich wurde am Schulanfang über eine Fortsetzung der verbalen Beurteilung abgestimmt. „Es gab dort ein einstimmiges Votum für die Notengebung“, sagte Elternvertreterin Sonja Kienesberger. Gegen Leistungsgruppen spricht sich Madleine Hammerer aus dem Vorarlberger Rankweil aus, weil dann eine Schubladisierung der Kinder stattfinden würde. Und beim alten Notensystem wäre man zu schnell „ein schlechter Schüler.“ Für Iris Petrouka aus Graz reicht das Notensystem: „Um detaillierte Auskünfte über die Stärken und Schwächen meiner Kinder zu bekommen, gehe ich in die Sprechstunde.“ Helmut Hodanek, Präsident des Landesverbands der Elternvereine öffentlicher Pflichtschulen in Oberösterreich, meint: „Für mich ist diese Reform ein Rückschritt.“
AHS-Landesschulsprecherin: „Extremer Rückschritt“
Klar gegen die Reform ist die Wiener AHS-Landesschulsprecherin Laura Gotcheva (17): „Das ist ein extremer Rückschritt. Noten sagen nichts über das Können aus, schriftliche Beurteilungen sind besser.“ Wer einmal sitzen bleibt, hat keine Chance aufs Gymnasium. Amelie Moosburger (18), stellvertretende Landesschulsprecherin aus Salzburg, meint: „Ich stehe Noten in der Volksschule kritisch gegenüber. Ich finde es sinnlos, Schüler mit Noten zu bewerten, die noch nicht schreiben, rechnen und lesen können.“
„Sitzenbleiben keine Bestrafung“
Jonas Wisak (11) aus Eisenstadt hat eine Volksschule ohne Benotung abgeschlossen und kommt im Gymnasium gut zurecht. Clemens Jakl (10) aus der HIB Graz-Liebenau ist ein Freund der Noten: „Da sieht man alles auf einen Blick und kann besser vergleichen.“ Sinnvoll erscheint die Reform Johann Patrick Katzlinger, Obmann der Tiroler Schülerunion: „Leistungsgruppen können dazu beitragen, dass schwache Schüler besser gefördert werden.“ Sitzenbleiben sehe er nicht als Bestrafung, sondern als „Möglichkeit, den Stoff zu festigen“.
„Bessere Förderung für gute Schüler“
Da nicken auch Dominik Fuchs und Jakob Schindler (beide 13) aus Artstetten bei Melk: „Nur um in die NMS zu kommen einfach aufsteigen zu lassen, ist für den Schüler nicht gut, da er dort einfach nicht mitkommt.“ Julia Gruber, Kärntner Landesschulsprecherin, meint hingegen: „Sitzenbleiben nur bei geringen Defiziten ist sinnlos. Eine Wiederholung soll erst bei grundlegenden Mängeln durchgeführt werden.“ Florian Berger, Landesgeschäftsführer der UHS Oberösterreich, meint: „Wir sehen viele positive Seiten, sei es bei der besseren Förderung für gute Schüler in der NMS oder die Schulautonomie.“ Reform hin oder her, Taferlklassler Jonas Hammerer (6) aus Rankweil kann bereits bis 20 zählen, wie er stolz berichtet, und sagt: „Ich freu mich schon auf mein erstes Zeugnis.“
Alle Fakten zum geplanten Schulpaket
Kronen Zeitung
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