Nachdem die Akte Kampusch knapp drei Monate nach der Flucht der heute 21-Jährigen und dem Selbstmord ihres Entführers Wolfgang Priklopil Ende November 2006 geschlossen worden war, nahm man die Ermittlungen Ende Oktober 2008 erneut auf, um offene Fragen zu klären. Im Laufe der Erhebungen wurde auch Kampusch mehrere Stunden lang befragt.
Als zentrale Figur für die Ermittler entpuppte sich Ernst H., ehemals enger Freund von Priklopil. Beim Verhör änderte H. seine bisherigen Aussagen und gab an, doch von Kampuschs Entführung gewusst zu haben. Priklopil soll ihm die Tat unmittelbar vor seinem Selbstmord gestanden haben. Auch in punkto einer Geldüberweisung von 500.000 Schilling (rund 36.300 Euro) an den Täter änderte er seine Angaben und rückte von der ursprünglichen Version ab, er habe seinem Freund Geld für ein Auto geliehen.
Wird gegen Ernst H. Anklage erhoben?
Seit November 2009 wird H. als Mitbeschuldigter geführt. Die Oberstaatsanwaltschaft muss nun unter anderem entscheiden, ob das Verfahren gegen ihn eingestellt wird oder nicht. Priklopils Freund könnte unter Umständen wegen Mitwisserschaft oder Begünstigung zum Selbstmord belangt werden. Weiters wurde im Zuge einer Hausdurchsuchung in Deutschland Beweismaterial bei einem deutschen Grafiker sichergestellt. Er hatte behauptet, im Internet auf ein Video von Kampusch in deren Verlies gestoßen zu sein.
Als Beobachter begleitete die Ermittlungen eine Evaluierungskommission des Innenministeriums unter Leitung von Ludwig Adamovich, früher Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Diese plant kommenden Montag eine Sitzung, in der Adamovich über einen möglichen Rücktritt als Vorsitzender entscheiden will. Der Grund: Der Ex-VfGH-Präsident war in den vergangenen Monaten wegen öffentlicher Aussagen über Kampuschs Vergangenheit in die Kritik geraten. Am 24. Dezember verurteilte ihn das Wiener Straflandesgericht wegen übler Nachrede zu einer Entschädigung von 10.000 Euro. Der 77-Jährige hatte Kampuschs Mutter Brigitta Sirny laut Gericht in Interviews - u.a. in der "Krone" - eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt. Konkret hatte Adamovich die Vermutung angestellt, dass die Gefangenschaft für Kampusch besser gewesen sein könnte als ein Aufwachsen im eigenen Elternhaus. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Kampusch war am 2. März 1998 als Zehnjährige auf dem Schulweg in Wien von Priklopil entführt und mehr als acht Jahre in einem Kellerverlies in seinem Haus im niederösterreichischen Strasshof gefangen gehalten worden. Aus eigener Kraft gelang ihr am 23. August 2006 in einem unbeobachteten Moment die Flucht aus dem Garten.
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