Katias Kolumne

Make Europäische Union great again!

Österreich
17.10.2018 11:55

Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) treibt bisweilen seltsame Blüten: Nachdem sich ein Mieter darüber beschwert hatte, dass sein Name auf dem Klingelbrett aufscheint, müssen nun im Sinne einer rechtlich einwandfreien Anonymisierung bei insgesamt 220.000 Wiener Gemeindebauwohnungen die Klingelschilder in neutrale Top-Nummern getauscht werden. Ein absurder, aber EU-normkonformer Schildbürgerstreich, denn: Wer seinen Namen weiterhin auf dem Schild genannt haben möchte, kann ihn nach der aufwendigen Umtauschaktion dort selbst wieder anbringen. Oh welch‘ Freude, schöner Götterfunken der sinnentleerten Bürokratie!

Nicht nur in Sachen DSGVO-genehmer, namenloser Klingelschilder scheint die europäische Prioritätensetzung - gelinde gesagt - interessant. Als weiteres Orchideenthema befassen sich derzeit die zuständigen EU-Minister nämlich auch mit der Abschaffung der Zeitumstellung. Nach einer europaweiten und das Sommerloch füllenden Umfrage wurde nämlich der Beschluss gefällt, dass das saisonale Uhrenumstellen in Hinkunft Geschichte sein soll, und seither füllt die Diskussion über Pros und Cons einer permanenten Sommer- oder Winterzeit die europäische Berichterstattung.

Sommer- oder Winterzeit? Eine Einigung ist nicht in Sicht. (Bild: stock.adobe.com)
Sommer- oder Winterzeit? Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Während Klingelschilder also nun zum Zweck einer namenlosen Wohlstandsgesellschaft getauscht werden und die 27 EU-Länder darüber sinnieren, ob sie lieber eine dauerhafte Sommer- oder Winterzeit bevorzugen, scheint es bei den weit wichtigeren Themenkomplexen Migration, Digitalisierung und Brexit deutlich weniger Zeichen zur Vorwärtsbewegung zu geben. Selbstbewusste und geeinte Beschlüsse scheinen hier im Gegensatz zur DSGVO in weiter Ferne, EU-Verdruss macht sich breit.

Die DSGVO macht auch vor Namensschildern nicht halt. (Bild: Elisabeth Nachbar)
Die DSGVO macht auch vor Namensschildern nicht halt.

An wichtigen Themen mangelt es jedenfalls nicht …
Nach den im Sommer euphorisch beschlossenen, sogenannten Anlandeplattformen für Migranten fehlt nach wie vor das gemeinsame, konkrete Konzept. Einen Zeitplan zur Umsetzung gibt es nicht, ein weiterer Dämpfer ist, dass sich bisher noch kein nordafrikanischer Staat darum gerissen hat, solche Zentren auf seinem Grund und Boden zu bauen. An diesen potenziellen Sollbruchstellen konnte auch der EU-Gipfel in Salzburg wenig ändern.

Das traditionelle Gruppenbild beim EU-Gipfel in Salzburg (Bild: APA/AFP/Christof Stache)
Das traditionelle Gruppenbild beim EU-Gipfel in Salzburg

Dass eine Digitalsteuer zwar gut klingt, aber Europa damit noch lange nicht die jahrelangen Versäumnisse in Sachen Digitalisierung aufholen und zum neuen Silicon Valley werden lässt, sollte bei aller Begeisterung über die „Google-Steuer“ möglicherweise auch dazugesagt werden. Und auch beim Thema Brexit wird allmählich die Zeit knapp. Diplomatische Gespräche im Bemühen um einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU sind bislang gescheitert, Lösungen werden vertagt.

(Bild: AFP, krone.at-Grafik)

Wunsch an das europäische Christkind: Leuchtturmprojekte statt Bürokratie
Will die Europäische Union als das, was sie im Grunde auch ist - nämlich eine starke Wirtschafts- und Wertegemeinschaft -, auch ernst genommen werden, wäre sie gut damit beraten, sich vor allem der längst überfälligen Leuchtturmprojekte anzunehmen. Die DSGVO und das Zeitumstellungs-Aus sind jedenfalls keine davon. Und sie sollte aufpassen, dass sie beim Bürger mit Maßnahmen wie Klingelschildanonymisierungen und Gurkenkrümmungsverordnungen nicht vordringlich als europäisches Bürokratieförderungsprojekt in Erscheinung tritt. Denn Bürokratie können wir Österreicher selbst schon ganz gut.

Katia Wagner

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