Der Pflegeskandal von Kirchstetten weitet sich aus: In den sterblichen Überresten zweier Opfer wurden Rückstände gefährlicher Substanzen gefunden. Wie viele Heimbewohner wurden noch zu Tode gequält?
Es war ein langes, ein grausames Dahinsiechen. Aloisia M. und eine weitere Bewohnerin des „Haus Clementinum“ im niederösterreichischen Kirchstetten mussten in den Monaten vor ihrem Tod schreckliche Qualen erleiden. Das ist nun aufgrund eines gerichtsmedizinischen Gutachtens klar.
Im vergangenen November waren die Leichen der beiden exhumiert worden. In ihren sterblichen Überresten fanden sich Rückstände eines starken Entwässerungsmittels - eines Medikaments, das die zwei Patienten wegen ihres ohnehin angeschlagenen Zustands gar nicht zu sich nehmen hätten dürfen.
Falsches Medikament in kleinen Dosen verabreicht
Fünf Pflegekräfte des Heims - ein Mann (er rühmte sich als „Enkel“ der einstigen Lainzer Todesschwester Waltraud) und vier Frauen - sollen es ihnen verabreicht haben. „Immer wieder, in kleinen Dosen“, wie Leopold Bien von der Staatsanwaltschaft St. Pölten sagt. Die Folge: Kaliummangel, Dehydrierung, Verwirrtheit, Durchfälle, Erbrechen, massive Herzrhythmusstörungen. Die betagten Menschen gerieten dadurch in eine Situation, in der sie völlig hilflos wurden und keine Chance hatten, sich gegen die an ihnen begangenen Taten zu wehren - oder sie überhaupt als solche zu begreifen. Am Ende kam es bei ihnen zu „plötzlichen Herzstillständen“.
Sterbliche Überreste analysiert
Aufgrund des Studiums der Heimakten besteht nun der Verdacht, dass weitere neun „unerwartete Sterbefälle“ - geschehen von 2014 bis 2016 - durch die Verabreichung ähnlicher Substanzen verursacht wurden. Die Gräber der Betreffenden werden jetzt geöffnet, die sterblichen Überreste der mutmaßlichen Opfer analysiert. Noch vor Weihnachten dürfte das Ergebnis der Untersuchungen vorliegen. Der Prozess gegen die Beschuldigten könnte dann bereits im kommenden Frühjahr stattfinden.
Neben unerlaubter Pillenabgabe sollen die fünf Pfleger zahlreiche Heimbewohner zudem über zumindest zwei Jahre hindurch mit Besenstielen geschlagen, Alkohol in ihre Wunden geschüttet, sie sexuell gequält oder erniedrigt haben ...
Chronologie eines Skandals
Martina Prewein, Christoph Budin und Oliver Papacek, Kronen Zeitung
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