Mordvorwurf, aber ...
Erdogan lässt etliche Fragen zu Khashoggi offen
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte angekündigt, die „nackte Wahrheit“ im Fall des getöteten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zu enthüllen. Nach seiner mit Spannung erwarteten Rede am Dienstag bleiben jedoch etliche Fragen offen. Türkische Ermittler haben indessen bei der Durchsuchung eines saudischen Diplomatenfahrzeugs in Istanbul persönliche Gegenstände des getöteten Khashoggi gefunden.
In zwei Koffern in einem Fahrzeug des saudi-arabischen Konsulats seien unter anderem ein Computer und Dokumente Khashoggis verstaut gewesen, berichtete der Sender CNN Türk am Dienstag. Die türkischen Ermittler wurden bei der Durchsuchung auf einem Parkplatz im Stadtteil Sultangazi von saudischen Experten begleitet, wie ein Reuters-Reporter berichtete. Die Durchsuchung wurde CNN Türk zufolge am Nachmittag unterbrochen und sollte am Mittwoch fortgesetzt werden.
Zuvor hatte Erdogan Saudi-Arabiens Staatsführung vorgeworfen, den regierungskritischen Journalisten ermordet zu haben. In einer Rede zu der Ermordung des Journalisten ließ Erdogan allerdings etliche Fragen offen. Insbesondere äußerte er sich nicht dazu, wie Khashoggi genau zu Tode kam und wer hinter dem Verbrechen im Istanbuler Konsulat Saudi-Arabiens steckt. Auch angebliche Audio- und Videoaufnahmen der Tat erwähnte er nicht.
Wer hat den Mord in Auftrag gegeben?
Zwar sprach der türkische Staatschef in seiner Rede von einem „politischen Mord“, der Tage im Voraus von einem aus Saudi-Arabien entsandten Kommando „geplant“ worden sei, doch vermied er es, der saudischen Führung eine direkte Verantwortung für die Tat zu geben. Stattdessen forderte er von ihr lediglich Aufklärung, „wer den Befehl für das Verbrechen gegeben hat“ und wo sich die Leiche Khashoggis befindet.
Wie wurde Khashoggi getötet?
Die türkischen Medien sind seit Wochen voll von schockierenden Details zur Tötung Khashoggis. So wurde berichtet, dass der „Washington Post“-Kolumnist im Büro des Konsuls in dessen Gegenwart gefoltert, enthauptet und von einem angereisten Gerichtsmediziner in Stücke geschnitten worden sei. Laut anderen Versionen wurde der 59-Jährige erwürgt. Erdogan äußerte sich nicht zu den Todesumständen.
Wo ist die Leiche?
Der türkische Präsident machte auch keine Angaben zum Verbleib der Leiche, sondern verlangte dazu Auskunft von Saudi-Arabien. Die Polizei hat auf der Suche nach dem Toten das Konsulat und die Residenz des Konsuls durchsucht und zuletzt auch ein Waldgebiet im Norden Istanbuls sowie das Umland der Stadt Yalova am Marmarameer ins Visier genommen. Laut Erdogan hatten saudische Agenten dort vor der Tötung Khashoggis Erkundungen vorgenommen.
Gibt es Ton- und Bildaufnahmen?
Laut türkischen Medienberichten verfügen die Ermittler über Audio- und Videoaufnahmen aus dem Konsulat, die belegen sollen, dass Khashoggi dort gefoltert und ermordet wurde. Wenn es diese Aufnahmen tatsächlich gibt, stellen sie ein ernstes Druckmittel gegen Saudi-Arabien dar, da sie der klare Beweis für das Verbrechen wären. Offiziell wurde ihre Existenz bisher aber nicht bestätigt und auch Erdogan erwähnte sie in seiner Rede nicht.
War der Kronprinz verantwortlich?
In den vergangenen Tagen veröffentlichten türkische Medien diverse Details aus den Polizeiermittlungen, die auf eine direkte Verbindung der Täter zum saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman hindeuten. Erdogan forderte zwar, alle Verantwortlichen in dem Fall zu bestrafen, erwähnte den Thronfolger aber mit keinem Wort. Stattdessen zeigte er sich „zuversichtlich“, dass König Salman bei den Ermittlungen kooperieren werde.
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