Vor 20 Jahren revolutionierte Norman Cook alias Fatboy Slim die Hitparaden mit seiner Mischung aus Big Beat, Acid House und Techno. Hits wie „Right Here, Right Now“ oder „Praise You“ bringen noch immer jede Party in Schwung. Heute Abend feiert er Halloween im Wiener Kultclub Grelle Forelle - wir haben uns mit ihm vorher über seine einzigartige Karriere unterhalten.
RAF Camora und MC Bonez platzieren nicht weniger als 13 Songs unter den Top-14 der Ö3-Charts. Der marktdominierte Formatsender fühlt sich nun in Zeiten von Streaming-Zahlen dazu gezwungen, sein Regulativ aufzuweichen und nur mehr drei Songs eines Künstlers in die Bestenlisten aufzunehmen - was früher anhand bloßer Verkaufszahlen und einzelner Single-Auskoppelungen unmöglich gewesen wäre. Vor ziemlich genau 20 Jahren hat sich zwar nicht ein einzelnes Künstlerkollektiv, aber doch ein Genre mit all seinen Verzweigungen so merkbar in den Vordergrund gestellt, dass es massentauglicheren Vertretern wie Celine Dion („My Heart Will Go On“), Aerosmith („I Don’t Want To Miss A Thing“) oder Cher („Believe“) das Wasser abgraben konnte. Techno, Dance-Pop, Acid House oder Big Beat waren angesagt. Irgendwo zwischen Aqua, Faithless und Scooter fand jeder Hörer seinen Platz - Hauptsache laut, Hauptsache eingängig, Hauptsache basslastig.
Kultiges Oxymoron
Genau zu dieser Zeit sitzt der damals 35-jährige Brite Norman Quentin Cook wahlweise im Zug und in seinem „The House Of Love“-Studio im südenglischen Brighton, um an einem Album zu feilen, das wenig später in die Musikgeschichte eingehen sollte. Am 19. Oktober 1998 erblickt „You’ve Come A Long Way Baby“ das Licht der Welt, ist ein globaler Kritiker- und Fanliebling und setzt sich in Großbritannien sogar bis an die Spitze der Albumcharts. Mit „Right Here, Right Now“, „The Rockafeller Skank“, „Gangster Tripping“ und vielen anderen enthält das Album fast nur große Hits und sorgt bis heute für glühende Tanzflächen. Cook wird über Nacht zum Star aller Discos und Clubs, kann sich vor Anfragen nicht mehr retten und macht den eher dämlichen Namen Fatboy Slim salonfähig. „Der Name macht keinen Sinn. Ich habe über die Jahre so viele Lügen darüber erzählt, dass ich die ursprüngliche Wahrheit selbst nicht mehr kenne. Das Wort ist ein Oxymoron - es ist ein bisschen albern und ironisch. So wie ich selbst.“
An die Megaerfolge dieser Ära sollte Cook nie wieder herankommen, doch der coole Brite mit dem Hang zu ausladendem Humor schafft es immer wieder, sich mit Remixes, neuen Singles oder zahlreichen Live-Auftritten in Erinnerung zu rufen. So schaffte er es 2013 gemeinsam mit dem italienischen DJ Riva Starr wieder unter die Top-3 der englischen Charts - der dazugehörige Song „Eat, Sleep, Rave, Repeat“ rotiert noch immer unaufhaltsam auf den Turntables jedes ernstzunehmenden Club-DJs. Als Pionier für die Big Beat- oder Acid House-Szene sieht sich der mittlerweile 55-Jährige aber nicht, wie er im Interview mit der „Krone“ betont. „Vielleicht bin ich einer davon, aber da gab es schon andere Kaliber wie die Chemical Brothers. Damals herrschte totale Aufbruchsstimmung. Wir führten unzählige, nächtelange Diskussionen darüber, in welche Richtung wir unseren Sound drehen und womit wir experimentieren könnten. Wir waren eine Gang von Musikern und DJs, die die Gesellschaft ändern und aufrütteln wollte. Berührungsängste gab es dabei nie. Ich fand auch die Beatles, Oasis oder Green Day genial. Wir haben uns wirklich an allen Musikstilen orientiert, außer vielleicht Country und Western.“
Die Party danach
Diese fehlenden Berührungsängste machen einen erklecklichen Teil der Erfolgsformel aus. Auf Fatboy Slim konnten sich schon vor zwei Dekaden Rocker, Punker, Metaller, Techno-Freaks und Hip-Hop-Fans einigen. Cook selbst spielt auch gerne bei artfremden Festivals - wie etwa 2017 als Late-Night-Act beim Nova Rock. „Vor ca. 20 Jahren hatte ich meine Rock-Festival-Premiere nach den Red Hot Chili Peppers beim Roskilde in Dänemark. Da war diese üppige Bühne, sie spielten eine Wahnsinnsshow und ich kam dann mit meinem Tischchen und den zwei Plattenspielern. Ich war selbst unsicher, aber das klappte hervorragend. Wenn du eine wirklich fette Rockshow wirken lassen willst, dann ruf mich. Ich sorge für die Party danach. Ich habe schon früh Punk-Attitüde, Hip-Hop-Beats, Acid House und die Pop-Referenzen der Beatles vermischt. Sie waren ohnehin eine meiner ersten großen Helden.“
Der Beruf des DJs war nicht immer so angesehen wie heute. Wenn Cook an die 90er-Jahre zurückdenkt, überkommt ihn ein gewisses Schaudern. „Als ich das erste Mal am Glastonbury spielte, waren Aftershow-Partys noch überhaupt kein Thema. Wir haben das dann halblegal in diversen Hotels gemacht. Später haben sie ein Dance-Zelt aufgebaut und waren ganz perplex, dass DJs eine ganze Show veranstalten können. Obwohl wir anfangs nicht mal auf die Partys eingeladen waren, wurden wir später mal zu einem Teil der Einrichtung. Ich bin aber sehr froh darüber, die goldenen Jahre des DJing live erlebt zu haben.“ Cook ist besonders stolz darauf, seine Musik stilfremden Hörern nähergebracht zu haben. „Es kamen Leute zu mir, die waren mit 14 total engstirnige Rockfans, hörten dann aber Fatboy-Slim-Tracks und schlugen teilweise sogar selbst DJ-Karrieren ein. Darunter befinden sich auch bekannte Gesichter, mit denen ihr nie rechnen würdet.“
Tücken des Alters
Wenn Fatboy Slim heute Abend die Halloween-Party in der Grellen Forelle in Schwung bringt, dann wird er das mit gewohnt hohem Einsatz und immenser Spielfreude machen. Auch wenn er im erweiterten Alter verstärkt darauf achtet, nicht mehr die unmenschlichsten Partyslots zu spielen. „Wenn ich daheim bin, spiele ich jeden Donnerstag in meinem Stammlokal ein fixes Set von 3 bis 5 Uhr morgens, aber mittlerweile muss ich am Nachmittag davor schlafen. Heute denke ich mir oft wirklich, warum die Leute nicht einfach früher ausgehen und Partymachen wollen, damit ich einen gesünderen Lebensstil haben kann“, lacht er, „andererseits sind sie um 3 Uhr morgens oft schon so besoffen, dass auch eine nicht so ganz perfekte Leistung ausreicht, um sie zu begeistern.“
Heute ist Cook, der auch schon als Pizzaman oder Son Of A Cheeky Boy für Stimmung sorgte, mit sich und seiner Karriere längst im Reinen. „Meine Ex-Frau und ich haben immer darauf geachtet, dass wir gegenseitig unsere Egos im Griff haben. Als TV-Moderatorin war sie genauso berühmt wie ich, kannte die Tücken des Geschäfts und so konnten wir uns stets gegenseitig fangen. Mir ist aber bewusst, dass mein Verhalten nicht immer okay war. Ich habe einige Zeit lang zu viel gesoffen und meine Rock’n’Roll-Manieren überhandnehmen lassen. Das alles ist aber längst wieder vorbei.“ Weniger Exzess und mehr Spielfreude sind somit auch heute Abend in der Grellen Forelle garantiert. Alle weiteren Infos und Karten für das Ereignis unter www.grelleforelle.com.
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